[berlin / 11.03.2018] watergate: bewegungsfreiheit #11

auch wenn die große koalition in den letzten monaten die schlagzeilen bestimmte: geflüchtete sind immer noch da, immer noch marginalisiert, immer noch repressalien ausgesetzt. kein grund also, mit der bewegungsfreiheit aufzuhören, diesmal mit indirekter beteiligung meinerseits (mithilfe beim booking).

mainfloor
21h00 dj disko
23h00 erik jäähalli live
00h00 don williams
02h00 anja zaube

waterfloor
15h00 staub
zeigen


23h00 yulika
01h00 giraffi dog live
02h00 credit 00
04h00 gigsta

eintritt
15-18 uhr: 5 euro (+ freiwillige spende)
ab 18 uhr: 10 euro (+ freiwillige spende)

für den fall, dass jemand reinkommliste haben möchte: bitte kommentieren.

nachbetrachtung
zugegeben, ich habe hier die sehr subjektive brille auf, daher ist das resümee wohl auch tendenziös positiv gefärbt. objektiv sind jedenfalls gut 7.500 euro an spenden zusammengekommen.

organisatorisch gab es ebenfalls keine klippe, die nicht umschifft werden konnte. der beamer unten bei den toiletten am waterfloor ließ sich im zweiten anlauf zur mitarbeit überreden und die angeschrägte perspektive der bilder hatte sogar ihre vorteile. als das tageslicht verschwunden war und die materialien auf dem infotisch am ausgang zur terrasse dadurch nicht mehr wirklich sichtbar waren, hat das watergate sofort reagiert und kerzen hingestellt. die kommunikation mit dem club lief während des abends ohnehin reibungslos und das entscheidende: meinem eindruck nach schienen sich alle wohlzufühlen.

das war aus mehreren gründen nicht selbstverständlich. zunächst hat das watergate seit jahren schon den ruf, durch ein eher ibiza-orientiertes booking ein entsprechendes publikum anzuziehen. die getränkepreise liegen über dem berliner durchschnitt, der eintritt ist mit dem vom berghain und tresor vergleichbar und mittlerweile auch notwendig, wenn man sich die berichte vom letzten jahr vergegenwärtigt, wonach der neue besitzer der örtlichkeiten mal eben die miete verdoppelt hat.
die zusammenarbeit mit einem benefiz-kollektiv, das sonst eigentlich in den eher einschlägig bekannten linksautonomen institutionen veranstaltet, liegt also erstmal nicht auf der hand. vergegenwärtigt man sich aber, dass der begründer des watergates eine vergangenheit in der berliner hausbesetzer-szene der 1990er-jahre und damit ein entsprechendes interesse an politischen themen hat, wundert es wiederum nicht, dass die bewegungsfreiheit nach 2014 und 2016 bereits zum dritten mal im watergate stattfinden konnte. die letzten beiden male fanden an einem donnerstag statt, nun stand also der sprung auf den sonntag an.

hier kommt grund numero zwei ins spiel: das konkurrenzangebot ist das gesamte wochenende über in berlin mittlerweile nicht gerade klein. geht es nach den zusagen bei residentadvisor, hatten die veranstaltungen im suicide sowie birgit und bier (beide jeweils einen kilometer luftlinie entfernt) bessere karten, ganz zu schweigen von der herrensauna im tresor und dem berghain, das zur gleichen zeit ein richtig gutes detroit-line-up in der panorama bar hatte. unter den voraussetzungen war das experiment, a) am sonntag gegen all dies bestehen und b) auch noch tagsüber anzufangen und bis zum montagmorgen machen zu wollen, ganz schön gewagt und trug zu meinem unruhigen schlaf und vor allem einer gewissen rastlosigkeit zu beginn der party bei zugleich irgendwie vorhandenem brett vor dem kopf beim nachdenken bei (die parallelen zu dj-sets vor publikum sind definitiv gegeben). klar baut man vorher gemeinsam gerne luftschlösser von schlangen bis zum burgermeister am schlesischen tor, aber latent vorhanden ist die sorge immer, dass das pure gegenteil eintritt.

um auf dem boden der tatsachen zu bleiben: eine wirkliche schlange gab es die gesamte zeit über nicht – nur mal kurz abends vor mitternacht. was es aber gab: frühlingshaftes wetter und damit eine offene terrasse, aufgrund des staub-bonus einen bereits früh versammelten harten kern an stammgästen, die man sonst aus dem about blank kennt, was weiterhin dazu beitrug, dass sich ein durchweg angenehmer menschenschlag versammelte. dabei spielte i.nez alles, was ihr zwischen melodischem house und techno so gefiel – hierbei machte es aber die auswahl, eine große technikerin ist an ihr nicht verloren gegangen. verboten treibend, melodisch, hin und wieder mit ebm-einschlag, richard bredicz eher funktional. i/y habe ich aufgrund von dj disko oben nicht großartig mitbekommen.

vor dj disko wiederum eine weitere runde im gedankenkarussell: würde der weitere, größere floor dazu beitragen, dass es auf beiden floors auf einmal leer wirkt und das nun wiederum einige zum anlass nehmen, nach hause aufzubrechen? was machen wir dann? don williams sowie anja zaube kürzer spielen lassen? tatsächlich war die idee erstmal, ihren slot ggf. auf 3:30 uhr zu verkürzen, damit die party auf dem waterfloor ausklingen konnte. davor allerdings stand die neugierde so einiger besucher, die sich kurz vor 21 uhr erstmal vor der tür zum mainfloor positionierten, damit aufmerksamkeit generierten und somit dafür sorgten, dass disko sich nicht lange mit warm-up-platten aufhalten musste. er spielte housig („shades of jae“ gleich als zweite platte, „french kiss“ zum schluss) und technisch so sicher, wie man ihn kennt. zwischenzeitlich immer mal wieder der kontrollgang nach unten, ob es auch nicht zu leer sei und erleichtert festgestellt, dass i/y einen ähnlich vollen floor bespielen konnten wie eine stunde zuvor auch.

yulika war mit ihrem eher an breakbeats orientierten set nach der techno-vorlage wohl ein paar leuten zu viel, die dann entweder nach oben oder aus dem club strömten. über giraffi dog habe ich nur gutes gehört, sie selbst aber nur beim soundcheck. credit 00 legte danach beim tempo sogar noch eine schippe drauf („let it ride“ von aux 88 beispielsweise). das war musikalische vielfalt, wie ich sie (gerade bei der bewegungsfreiheit) schätze, aber es war klar, dass der staub-slot beim publikum mehr anhänger fand.
erik jäähalli band derweil oben mit seinen an chicago der 1980er-jahre orientierten acid-tracks eine menge leute an sich. don williams zog danach auch das tempo ordentlich an, sortierte dabei mit electro-einstieg auch erstmal wieder leute aus, um sie in den nächsten gut anderthalb stunden mit einem waschechten techno-set mit tresor-hintergrund (also all dem, was man dort so kennengelernt hat: surgeon, jeff mills, robert armani) an sich zu binden – inklusive doubling.

als die headliner gespielt hatten, stand die entscheidung an, welcher floor geöffnet bleiben sollte. das fiel nach einer stunde anja zaube auch nicht schwer, was zwar hieß, dass gigsta nur eine stunde spielen konnte. aber das war immer noch die wesentlich bessere lösung als ihren slot völlig zu streichen.
bei anja kam eigentlich nur eines dazwischen: die arbeitende bevölkerung direkt über dem watergate, weshalb um 6:30 uhr die letzte platte laufen musste. es hätte von der anzahl der leute und ihrer spiellaune durchaus noch bis 8 uhr gereicht, aber das zählt nun wirklich zu den luxusproblemen.

es lässt sich daher wohl mit auch objektiv gutem gewissen sagen, dass das experiment mit gut 15 stunden party bei durchaus vorhandenem konkurrenzangebot doch sehr geglückt ist. sowohl von seiten der teilnehmenden djs (an dieser stelle nochmal: danke!) als auch des publikums gab es zuspruch. und auch wenn 100 leute mehr durchaus noch reingepasst hätten und sowieso wegen der spendensumme gern gesehen gewesen wären: es war glücklicherweise keine party, bei der die stimmung aufgrund überfüllung ins unangenehme zu kippen drohte, nur damit sichergestellt ist, dass die summe für den guten zweck auch ja hoch genug ausfällt. vielmehr hatte ich den eindruck, dass es eine für alle beteiligten ganz schön runde sache war. zumindest war ich ab 1:00 uhr auch endlich mal in der lage, das ganze als „durchaus gelungen“ betrachten, damit einen weiten teil der sorgen hinter mir lassen und das ganze endlich mal genießen zu können.

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