[leipzig / 09.11.2018] institut für zukunft: notes from the underground

hat mit vernunft nicht viel zu tun, um mitternacht von berlin aus aufzubrechen, um cora das erste mal seit jahren wieder zu hören. aber sehr viel mit fan-dasein. mehr dann später.

notes from the underground

trakt 1
00h00 krystoff live
01h00 frank bretschneider live
02h00 cora s.
04h00 bird

trakt 2
00h00 len8
01h00 pb
02h30 disrupt
03h30 maos rache
05h00 b2b2b2b

eintritt
12 euro

nachbetrachtung
ungewohnte position des eingangs. der befand sich nicht der an der seite am ende der rampe, sondern direkt am parkplatz. auch der zweite trakt befand sich woanders: in dem raum, in dem sonst die garderobe untergebracht ist. aber bis auf mal kurz hereinschauen hielt ich mich dort kaum auf. beim rest ist so gut wie alles in den letzten zwei jahren beim alten geblieben, bis auf dass sich das dj-pult auf dem hauptfloor wieder direkt gegenüber vom lichtpult befindet (also an der gleichen position wie zur eröffnung) und der turm mit den bassboxen nun geteilt worden ist, so dass die sich unter anderem bei der treppe befinden, über die man samstags normalerweise den floor betritt.

damit genug der objektiv-nüchternen faktenlage und hin zum völlig voreingenommenen subjektiven teil, der sich am besten mit dem zitat eines besuchers nach 3 uhr einleiten lässt:

„fang doch mal an, musik zu spielen, junge.“

heißt: cora spielt absolut unverändert kompromisslos (das folgende gilt als lob und wirklich kleine stichelei zugleich) das gleiche wie vor gut zehn jahren. da ich erst um 2:30 uhr da war, habe ich den teil mit drum&bass verpasst. aber der rest war ein best-of von 2003-2007.
beispiele? „proud of what?“ von istari lasterfahrer lief, als ich ankam. sonst: einmal bogdan-fan, immer bogdan-fan. von ihm gab es bspw. „bombs over ibiza“ oder die b1 der „i will eat your children too!“ und (wenn mich nicht alles täuscht) ein track der „boku mo wakaran“ auf 33 statt 45. dann noch den track der kesskiyala kru auf der antifaf 01, „bacon“ von doormouse als überbrückung, „dogmind ball“ und (obwohl nicht 100% sicher, aber in jedem fall von der „camels to cannibals“) „the marching morons“ von electric kettle, „break lesson“ von electromeca und „bricks“ vom ersten chris clark-album als set-abschluss.
wo sich das mit dem „best-of“ etwas despektierlich lesen könnte, wird durch die beispiele hoffentlich deutlich, dass sie nach achtjähriger pause vom auflegen im club nicht etwa den weg gegangen ist, ein techno-set zu spielen (wobei ich neugierig wäre, wie sich das aus ihrer feder bzw. dem case mittlerweile anhört – gab es zuletzt vor 15 jahren) und damit sowohl technisch als auch stilistisch auf der sicheren seite gewesen wäre. stattdessen das motto der party und dazu noch die lieblingsplatten mitnehmen, um dem experimentiellen charakter der veranstaltung rechnung zu tragen und mit dem weiterzumachen, was vor mehr als zehn jahren schon klappte: polarisieren. nur klang das selten so gut wie über die kirsch audio und dem optischen eindruck nach hatte sie ab stunde zwei (wo die anfangsaufregung wahrscheinlich schon etwas gelindert war) auch diebischen spaß daran.

bird im anschluss mit techno der sandwell-district-schule, „blood on my hands“ von shackleton im remix von ricardo villalobos, und besonders gefreut habe ich mich über „aerial“ von rhythm & sound. schluss war allerdings bereits um 6 uhr, da besuchertechnisch in der gesamten zeit nicht viel los war. lag zum einen an plakaten, die nicht geklebt worden waren. es gab aber außerdem keinen eintrag bei residentadvisor (was mittlerweile meine erste anlaufstelle ist, um clubtermine durchzugehen), so dass ich nur zwei wochen vorher über kanal blau-weiß davon erfahren habe.

das alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser ausflug wegen des wiedersehens und -hörens mehr als nur richtig war. meinem eindruck nach werden heutzutage in clubs eher musikalische erwartungen bedient, weil die sich ja irgendwie rentieren müssen. es findet auch publikum den weg dorthin, das die entstehung von techno alleine aus altersgründen nicht mitbekommen konnte. damit einher gehen andere erwartungshaltungen, andere auffassungen von parties sowie eine wiederauflebung des starkults um djs, wie man es aus der kommerzialisierungswelle der 1990er kannte.
das hinterlässt bei mir den eindruck, dass techno sich wie andere stile mit anfangs radikal anderer ästhetik und auch anderem habitus neben rock, punk und hiphop fest etabliert hat und für die millennials mittlerweile eine ausgehoption unter vielen ist. da in den vergangenen 30 jahren ja bereits einiges an sounds durch die szene hindurch in die radios diverser küchen oder autos sowie kinofilme gewandert ist, hat sich auch das kollektive hören etwas in richtung elektronik bewegt. der schockmoment, wie man ihn anfänglich auch bei rock oder punk hatte, hat sich also verflüchtigt bzw. man muss sich schon anstrengen, um den erneut zu schaffen.
da ist es aus den zitierten wirtschaftlichen gründen einfacher, einen größeren nenner zu bedienen, was berghain, about blank und eben das ifz samstags neben zahllosen anderen aus nachvollziehbaren gründen tun. nur wenige der gebuchten djs brechen daraus wirklich aus und bedienen das bedürfnis nach geraden kickdrums um die 130 bpm, obwohl sie sich wahrscheinlich heimlich wünschen, aus dieser formatierungs-spirale auszubrechen.

um den bogen zurück zu dem freitag, bzw. samstagmorgen im ifz zu spannen und die stichelei von oben zu relativieren: es spricht viel für das ifz, diese experimente (alleine mit trakt 2 als dezidiertem ambient-floor) trotz zu erwartender geringerer besucherzahl ermöglicht zu haben. noch mehr spricht für die dame, die in den anderthalb stunden, die ich von ihr mitbekommen habe, mal wieder gezeigt hat, dass gute musik mit provokationspotential kein verfallsdatum hat bzw. das veröffentlichungsdatum dafür völlig irrelevant ist. wichtiger ist charakter, den das set von vorne bis hinten hatte. diese anti-haltung, nicht nach den mittlerweile klar etablierten techno-codizes zu spielen, kann man als sturheit auslegen, aber (und hier wiederhole ich das, was ich vor zehn jahren plus x schon meinte) gewollte brüche sind wichtig, um alternativen aufzuzeigen und die szene daran zu erinnern, dass es um experimente und nicht um gefallen ging. das mag zwar auf eine komische art und weise wertkonservativ klingen, ist aber meiner meinung nach heute wichtiger denn je, ehe parties gefahr laufen, in ein total berechenbares schema zu verfallen (vulgo: sturheit hat in dem fall ihre positiven seiten).
vor dem hintergrund ist es umso schöner zu wissen, dass es nicht bei dem einen intermezzo seitens coras bleiben wird. das nächste mal ist bereits am 29.12.2018, wieder an ort und stelle. werde ich zwar nicht schaffen, aber darauf hoffen, dass daraus etwas regelmäßiges entsteht. dann habe ich neben dem club an sich noch einen weiteren mehr als nur guten grund, mein vorhaben auch tatsächlich umzusetzen, das ifz einmal pro quartal zu besuchen. da bin ich etwas in verzug.

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