[berlin / 30.11.2018] polygon club: tanzen für mehr wissen

es ist wieder einmal welt-aids-tag. ich hatte schon seit längerem vor, hier artikel zu posten, die sich mit dem mittlerweile sehr gut möglichen leben mit dem virus ohne ansteckungsgefahr für andere auseinandersetzen. das behalte ich nach wie vor im hinterkopf.
an ungefähr gleicher stelle im kopf befindet sich auch das vorhaben, dem polygon einen besuch abzustatten. zugegeben: besteht schon seit dem kosmonaut, der sich vorher an gleicher stelle befand. nun kommt das angenehme mit dem nützlichen zusammen. ist eine benefiz-party für die lebendige bibliothek und den mercury phoenix trust.

ablauf

mainfloor
00h00 aris
02h00 midge
04h00 daniel boon
06h00 felidae
08h00 jens schwan
10h00 zeitlupen uwe

dunkelkammer
00h00 stype
02h00 zusan
04h00 diana may
06h00 lukas zintel

eintritt
10 euro

nachbetrachtung

wegen des nun folgenden ist beinahe ein disclaimer fällig. erstens wegen der länge und zweitens weil es als verriss bei halber unkenntnis, wie clubs wirtschaften, verstanden werden könnte. es ist aber definitiv als anstoß für verbesserung gemeint und wurde anderweitig auch bereits zu einem großen teil klargestellt. anflüge von selbstbeweihräucherung lassen sich leider nicht ganz vermeiden. sollte jemand dazu etwas konstruktives beizutragen haben, bieten sich die kommentare dazu an.

das an dem abend erlebte fügte sich in die letzte erfahrung mit der bewegungsfreiheit in der fiesen remise ein. beide male war meine wenigkeit mindestens als dj, in der remise auch organisatorisch etwas involviert. bei beidem handelte es sich um soliparties, beide male wurde das technische equipment von görner & schweizer gestellt (wobei die anlage zur remise gehört, im polygon aber mitgemietet ist). das maß an eigenengagement, damit es freitag nacht überhaupt musik geben kann, hatte jedoch auch für mich eine neue qualität.

wir (entourage plus ich) kamen gegen 23:40 uhr im club an und bekamen zu hören, dass es ein problem mit der anlage gäbe, weshalb der mixer (pioneer djm-900) abgebaut worden ist. es standen also nur cdjs dort. grund: ein massebrummen, das sich partout nicht eliminieren ließ und man hatte den mixer in verdacht. problem(e) war(en) nur: der ansprechpartner bei görner & schweizer war nicht zu erreichen und kein ersatzmixer vor ort. per fernwartung ließ sich also nichts machen.
es war (wir kommen zum teil mit der selbstbeweihräucherung) daher praktisch, mehr oder weniger im gleichen kiez zu wohnen. so bekam ich ein auto an die hand, fuhr selbst heim, baute meinen mixer (ein ecler nuo 3 von vor mehr als zehn jahren) ab, fuhr wieder hin. angeschlossen, eingeschaltet, leichtes massebrummen war immer noch vorhanden, ich hoffte nur, dass das über die f1 einigermaßen passabel klingen würde.
der nuo 3 hat zwar xlr-ausgänge, anschluss an die pa war also sicher. für den monitorausgang ist ein großer klinkenausgang bei den „großen“ wie xone:92 oder djm-800/900 standard, beim nuo 3 gibt es nur cinch. da ich wie gewohnt mit ableton live spielte und monitore für genaueres pitchen kein thema war, konnte ich dem ganzen recht gelassen entgegensehen. aber meine nachfolgerinnen setzten auf cdjs (mit der interessanten meldung auf dem display, dass zwei player mit unterschiedlicher firmware verlinkt sind und diese aktualisiert werden solle), womit es sich (von rekordbox analysierte tracks vorausgesetzt) zwar auch fast wie von selbst mixt, aber kleine korrekturen sind hier und da evtl. doch vonnöten. da sind monitorboxen also hilfreich, wenn man den versatz zur hauptanlage nicht kennt – und den gibt es auch im polygon.
über die nächsten zwei stunden war es den anwesenden technikern nicht möglich, einen adapter von große klinke auf cinch zu organisieren, sprich: die monitore blieben stumm, also musste der vorhandene regler zwischen cue und master am nuo 3 einspringen.
ein glück: das massebrummen hörte man nur in leisen passagen und am laptop lag’s auch nicht. zumindest blieb das brummen, als ich das netzteil kurz abzog.

es ergaben sich im nachhinein (auch basierend auf der erfahrung aus der fiesen remise) mehrere fragen. zugegeben mit dem ziel, jemand verantwortlichen dafür ausfindig machen zu wollen, da mich das ausmaß an unglücklichen umständen schon ziemlich ärgerte. aber so einfach ist es in dem fall nicht.
den anfang machte die frage, ob das equipment bei görner & schweizer überhaupt gewartet wird. dann, was deren reaktionszeiten betrifft und warum nicht das personal zu neuralgischen zeiten wie eben freitags ab 23/24 uhr verstärkt wird, so dass auch tatsächlich jemand rangeht, bevor parties drohen, nicht stattzufinden.
es fängt jedoch hier an, komplizierter zu werden: bei relativ frischen clubs, die sich wie das polygon erst noch etablieren müssen, um sich eigene technik zu leisten, habe ich sogar verständnis, dass sie auf die mietoption zurückgreifen. aber dass das ausmaße angenommen hat, bei denen im club nicht mal ein eigentlich ausgedienter, aber technisch immer noch brauchbarer mixer als reserve vorgehalten wird, war für mich schon ein bisschen erschreckend. für einen xone:62, meinetwegen auch einen alten djm-600 oder besser djm-800, müsste man auf dem gebrauchtmarkt mittlerweile weniger als 1000 euro investieren. klar auch, dass man als club inbesondere bei soliparties wie der gestrigen personaltechnisch eng kalkuliert. aber meiner meinung nach beraubt man sich mit einer derartigen abhängigkeit von technik-vermietern einer gewissen agilität.

ich mag zu idealistisch, gar verbohrt sein. aber das durch diese art von outsourcing eingesparte geld führt zu einem bumerang-effekt für alle beteiligten:

  • organisatoren von soliparties haben einen posten mehr, um den sie sich kümmern müssen, ganz zu schweigen vom stresslevel, kurz bevor die party eigentlich startet. von der beschwichtigungsarbeit gegenüber djs oder anderen acts rede ich besser gar nicht erst.
  • es ist eigentlich sache der technik, für djs akzeptable bedingungen zu schaffen. in zeiten wechselnder setups ist das für techniker nicht einfacher geworden, aber es ist umso wichtiger, dass djs dies im besten fall im schlaf aufbauen können, ein clubeigener techniker die weichen für die machbarkeit stellt und noch zusätzlich fit genug für eine fehlerbehebung ist. idealerweise (so dachte ich bisher) wird das bereits stunden vor der party in die wege geleitet, und den eindruck hatte ich hierbei nicht.

das outsourcing kommt dann als dieser bumerang zurück: djs dürfen sich neben ihrem eigenen setup auch gleich darum kümmern, dass die technischen bedingungen im club es zulassen, dass überhaupt etwas aus den boxen kommt. bisher habe ich es so verstanden, dass ihre aufgabe darin besteht, dass das, was da raus kommt, gut klingt (also bitte clipping vermeiden und dgl.) und bestenfalls noch die leute gut bei laune hält. es ist höchst unangenehm, wenn djs anfangen müssen, beim clubpersonal fehlerquellen zu benennen, dabei auf eigentlich überforderte techniker zu treffen und damit zu enden, das beste aus den gegebenheiten machen zu müssen. ein entspannter aufbau gut 20 minuten vor beginn der party wird es nicht wirklich, wenn stattdessen im hinterkopf steht, dass es am eigenen mixer hängt, ob dieser floor öffnen kann oder nicht.

kommen wir endlich mal zu den positiven dingen:

  • der club hat definitiv potential. allen umständen zum trotz war der sound in der dunkelkammer weit mehr als nur passabel. und als sich dann noch jemand um das licht kümmerte, wurde das eine richtig gescheite techno-atmosphäre. mir gefällt die position des dj-pults irgendwie: mit dem rücken zum eingang, damit eigentlich in der mitte des raumes. ein paar mehr sitzgelegenheiten dahinter wären nicht schlecht – und zumindest eine bank mit halber wand, dass (die aussterbende gattung der) vinyl-djs auch mal cases abstellen können, ohne ständig kniebeugen machen zu müssen.
  • es gibt klos in ausreichender zahl und dazu noch gepflegt – das verdient auch ein lob.
  • über personal sowie tür ist nichts negatives zu sagen.
  • publikum war zwar nicht zahlreich da (leider zu wenig, als dass tatsächlich ein nennenswerter spendenbetrag zusammengekommen wäre), aber fiel bei weitem nicht so negativ auf wie manche überalkoholisierte/-mutige beim abstecher zur deep fried mit einem tollen set von monty luke ins about blank danach. damit ließ sich arbeiten.

es überwiegt aber auch eine halbe woche danach immer noch ein ziemlicher unglaube daran, dass outsourcing auf der einen und mangelnde eigene ausstattung auf der anderen seite es haben soweit kommen lassen müssen. und das in dem wissen, dass die namhaften clubs es hier eigentlich vorgelebt haben, dass die technik neben dem booking ein wichtiger faktor für langlebigen erfolg ist. auch wenn das set ganz passabel lief, wurde ich den gedanken nicht los, dies schon irgendwie peinlich zu finden und dass diese entwicklung hoffentlich keine schule macht. das fehlen der monitore machte sich insofern bemerkbar, als dass die feinheiten schon fehlten, da die f1 in die entgegengesetzte richtung ausgerichtet war. habe das set daher nachgemixt, das wird in den nächsten tagen online gestellt.

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