[lärz / 31.08.-03.09.2017] at.tension #7

wenn sich eines durch die fusion-nachbetrachtungen der ganzen letzten jahre zieht, ist es der eher bedauern ausdrückende running gag, dass ich wieder mal kein theaterstück gesehen habe. nun fand die fusion dieses jahr bekanntermaßen aufgrund von kreativpause nicht statt (und ja, zugegeben, sie fehlte – sehr), aber glücklicherweise kommt die at.tension mit ihrem zwei-jahres-rhythmus so gelegen, dass der jährliche ausflug an die mecklenburgische seenplatte gesichert ist.
heißt: weniger party, mehr performance und theater, wenn es der andrang vor den hangars zulässt. es sollte aber mit dem teufel zugehen, wenn es hier nicht klappt.

at.tension #7

nachbetrachtung
(am 25. september 2019. vor drei wochen fand die achte at.tension statt. es wird also zeit.)

da es wieder länger werden könnte, fange ich mit dem fazit über umwege an. diese bestehen aus den fragen / sorgen, die im vorfeld auftraten, so wie:
1. wird sich das gelände nicht zu leer anfühlen?
2. wird mir der partyaspekt fehlen?
3. wie wird das wetter? werde ich nachts frieren und kein auge zumachen können?
4. wird das mit dem theaterstück klappen?
5. was ist mit diesen berüchtigten schlangen vor den vorstellungen?
6. ist das, was für jede*n öffentlich sichtbar ist, eher mittelmaß?

die antworten dazu:
1. es waren mindestens 8.000 leute da. der campingplatz zur fusion ist leer und jede*r kommt auf dem family-space unter. natürlich wird nicht das gesamte gelände einbezogen (trancefloor, rootsbase und querfeld sind beispielsweise verwaist) und es hatte noch donnerstagnachmittag etwas melancholisches, die turmbühne völlig frei von menschen und von gras zugewuchert zu sehen. aber wenn die vorstellungen erst einmal im gange sind, laufen einem schon so einige leute über den weg.
2. nicht im geringsten. ich habe stattdessen nach meinem normalen tagesablauf gelebt.
3. nachts ist es natürlich kalt dort. weiß man auch von der fusion, dass es selbst im staubigsten sommer dort knackig werden kann. den einzigen regenschauer gab es pünktlich zu meiner ankunft am donnerstagnachmittag. sonst kann ich nur sagen, dass ich mir den einzigen leichten sonnenbrand anno 2017 auf der at.tension geholt habe.
4. hat es, endlich! zwar nur mit einem, aber das war gleich mein erster programmpunkt am donnerstagabend und der hatte es in sich: die nsu monologe, denen ich weite teile mit ganz schönem kloß im hals gefolgt bin.
5. die gibt es und ja, dafür geht ein guter teil der zeit drauf. bei der at.tension kann es also helfen, sich vorab einen plan zu machen, was man sich anschauen möchte. wenn der plan erfolgreich sein soll, ist es empfehlenswert, eine bis anderthalb stunden zuvor bei der spielstätte aufzutauchen.
6. ganz klares „im gegenteil!“. ich gehe sogar so weit, dass ich mich an schlimmstenfalls überdurchschnittlich gutes mittelmaß erinnern kann (cirque super: plouf et replouf zählten bspw. für mich dazu, obwohl sie bei ihren vorstellungen stets eine schar um sich hatten).

also unter dem strich?
es fühlte sich beim heimkommen genauso wie nach der fusion an: ein ganz und gar wunderbares festival mit viel seele und herzblut mitgenommen zu haben und vom alltag in den letzten tagen so weit abgelenkt worden zu sein, dass der wechsel zur realität nicht wirklich leicht fällt. es war deutlich entschleunigter als die fusion, um einiges leiser noch dazu. das publikum bestand entweder aus gestandenen festival- oder clubgängern, die einfach ihren nachwuchs mitgebracht haben oder denjenigen, die theater und der drumherum stattfindenden kultur etwas abgewinnen können, nur techno eher weniger.
das schöne ist jedoch, dass beides auf dem kulturkosmos-gelände hervorragend funktioniert. wenn für mich anfang september keine regelmäßige private verpflichtung anstünde, wäre die at.tension längst neben der fusion im kalender markiert. so ist es aber davon abhängig, auf welches datum das erste wochenende im september fällt. daher hat dies 2019 nicht geklappt – heißt also, zu gegebener zeit zu schauen, wie es sich 2021 einrichten lässt.

was stach denn heraus?
auffällig war der trend zum acroyoga – da erschienen einige elemente in performances und bei zirkusartistik. für mich kam dies bei barada street in kombination mit feinstem britischem humor am besten zusammen, bei denen es sich wegen integration des publikums auch lohnte, sich die vorstellung nochmal anzuschauen.
auch my!laika mit „popcorn machine“ oder circo pitanga mit „nuptial ropes“ hatten diese elemente, erstere mit einem angepunkten zirkus, zweitere mit theatralischer verkleidung (wer mir als modebanausen mit dem stil weiterhelfen könnte, kommentiert einfach).
solo-vorstellungen wie von anaëlle molinario neben dem roten platz zeigten einmal mehr, dass auf dem gebiet der artistik noch nicht alles verbogen worden ist. gruppenvorstellungen wie „a corps perdu“ von der compagnie bivouac fügten dem turnen mit stäben auch neue ebenen hinzu.

sonst war der weitestgehend improvisierte walk act der kamchatka company sehr bewegend. für die tanzperformances „andropolaroid 1.1“ von yui kawaguchi (die aber ohnehin einen dicken pluspunkt bei mir hatte, als bei den ersten takten klar war, dass die tracks denen von alva noto ziemlich ähnlich klangen) sowie „nexttome“ vom theater bremen hat es sich gelohnt, den samstagabend zu reservieren. und bummelkasten hat dieses goldstück von einem festival am sonntagnachmittag für mich im karl kutter dann doch noch mit musik abgeschlossen.