[berlin / 08.02.2020] philharmonie berlin: strom – festival für elektronische musik

zeitgenössische komponisten sind für die philharmonie nichts neues: die werke von steve reich oder philip glass waren bereits in den heiligen hallen zu hören. neu ist jedoch, dass sie sich für die elektronik öffnen. dies geschieht am zweiten februar-wochenende mit einem angebot, das bei clubbern und veteranen-nerds gleichermaßen für entzückung sorgen dürfte. bei mir wird es aus nachvollziehbaren fanboy-gründen der samstag.

line-up
20h00 – 21h00 / foyer: søs gunver ryberg live
21h15 – 22h15 / großer saal: cristian vogel – agnete and the merman live
22h15 – 23h45 / foyer: deena abdelwahed
00h00 – 00h45 / großer saal: ryoji ikeda live
00h45 – 02h45 / foyer: nina kraviz
hermann-wolff-saal: robert henke – phosphor installation
foyer: marco c visuals

eintritt
13 bis 52 euro (es gibt aktuell nur restkarten, aber die sind dafür günstig)

nachbetrachtung
„neuauflage. unbedingt!“ – jedenfalls dachte ich mir das währenddessen, beim herausgehen und auch jetzt noch (das fazit schreibe ich am 6. april 2020).

zwar habe ich am freitag verpasst, wie die leute zu kruder & dorfmeister im großen saal getanzt haben. bei ryoji ikeda wäre das für mutige auch gegangen. aber da war das audiovisuelle erlebnis einfach zu stark, so dass die netzhaut mit den schwarz-weißen visuals (ihrerseits eine perfekte abbildung des in seine micro-bestandteile zerlegten sounds) schon genug beschäftigt war. die atonalität tat ihr übriges für das trommelfell bis kurz vor schluss. für mich wahnsinnig gut und noch vor cristian vogel, der allerdings den tänzer aus „agnete and the merman“ dabei hatte. während seines sets musste ich lernen, was „billige plätze“ bedeutete. hatte ich den hinweis auf fehlende sicht bei der buchung noch mit dem wissen um die räumlichkeiten der philharmonie belächelt, fand ich mich hinter der riesen led-wand sitzend eines besseren belehrt.
es kam aber entgegen, dass große teile der sitzreihen im saal gegenüber einfach nicht besetzt waren und die tickets auch nicht stark kontrolliert worden sind. mit anderen worten: ziemlich freie platzwahl und damit in der zweiten hälfte bei cristian vogel auch freie sicht.

„phosphor“ kam gänzlich ohne sound aus. hab trotzdem erst den externen hinweis gebraucht, dass es sich nicht um mehrere laser handelt, die dort spuren hinterlassen, sondern um einen einzigen, der zwischen den einzelnen pfaden schnell hin und her sprang. den strahl an sich bekam mensch auch nicht zu gesicht, von daher war das eine schlüssige erklärung. den saal können sie beim nächsten mal auch gerne wieder als chillout-area verwenden, dann evtl. mit visuals an den wänden oder der decke und mit sitzsäcken in der mitte.

damit bin ich beim einzigen kritikpunkt: dem foyer als dancefloor. das klappte bei deena abdelwahed mit ihren vertrackten rhythmen (den positiven eindruck von der nachtdigital hat sie musikalisch bestätigt) oder dem eher drone-artigen intro von søs gunver ryberg noch am besten. aber für einen veritablen rave war das irgendwie nicht der richtige ort. zu hell die hintergrundbeleuchtung, zu schwammig der sound außerhalb der tanzfläche (die keine richtige war) zu sehr hauptsammelpunkt für alle zwischen den einzelnen konzerten im saal. damit wurde vielen nicht wirklich klar, ob mensch jetzt tanzen, sich unterhalten oder mit dem drink herumstehen sollte. insgesamt war es jedoch schön anzusehen, wie sich das techno-publikum mit den dauerkarteninhaber*innen der philharmonie mischte, die das alles teilweise durchaus interessiert zur kenntnis nahmen. beim personal war die zweiteilung sogar noch deutlicher, wobei der großteil absolut aufgeschlossen, entgegenkommend und freundlich war.
die motivation, die eher kopflastigen dinge aus dem saal mit der tanzmusik im foyer zu kontrastieren, kann ich komplett nachvollziehen. dramaturgisch war es auch goldrichtig gedacht, nina kraviz (die mit schön trockenem material aus der profan-richtung anfing, sich dann aber schnell zu acid vorarbeitete) an den schluss zu setzen. es fühlte sich für mich aber trotzdem befremdlich an, dort wie im club loszulassen. so war das eher eine (laue) demonstration dessen, was die stammgäste der philharmonie von den bildern der loveparade oder den erzählungen der (enkel-)kinder so kennen. gleichzeitig ist mir auch klar, dass mensch sich mit schweren strobo-geschützen bei erstausgaben in so einem renommierten rahmen erstmal lieber zurückhält.

ist aber jammern auf hohem niveau, ohne dass ich ein patentrezept hätte, wie es im foyer besser laufen könnte. das programm im saal sollte definitiv ausgebaut werden sowie auch weiterhin durchaus tanzbare musik und gerne auch dj-sets enthalten. sets wie von cristian vogel hätten auch durchaus im foyer funktioniert, was wiederum abstriche in der akustik bedeutet hätte. eventuell stieß mir auch der rein auf die acts focussierte aufbau etwas auf, so dass vielen keine andere wahl blieb, als in richtung bühne mit den visuals zu starren.
als idee(n): eventuell mehrpunktbeschallung anstelle zweier riesiger, die bühne flankierende funktion-one-türme. subwoofer an wenigstens vier orten im raum verteilt. tops für die tanzfläche lauter eingepegelt als für die seiten. lieber den gesamten raum bei den visuals einbeziehen, da dürfte mit mapping einiges gehen. die acts auf verschiedenen im raum verteilten bühnen positionieren. klare visuelle trennung der bereiche, so dass klar wird, dass hier gerne an drinks genippt oder von den canapés gekostet werden darf und dort die musik im vordergrund steht (im klartext: die beleuchtung im barbereich heller, den rest höchstens durch die visuals).
ich wäre auch fein damit, wenn die kuration den anspruch lockert, die erfahrung mit tanzorientierter clubmusik in der philharmonie nachbilden zu wollen. der großteil des publikums dürfte solche veranstaltungen eh als vorprogramm verstehen, um danach im club weiterzumachen. da kann mensch sich auch genauso gut darauf verstehen, abseitige strömungen als anschauungsbeispiele dafür stehen zu lassen, dass techno mehr als glitzer, sonnenbrille und 4/4-kick bedeutet.

soll alles aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das eine für mich absolut gelungene premiere war, die hoffentlich auch das gusto der leitung des hohen hauses gefunden hat. sollte das der fall sein, fände ich halbjährliche ausgaben fantastisch.

[vancouver / 02.11.2017] sfu goldcorp centre for the arts: agnete and the merman

vor fast genau sieben monaten gab es hier ein posting zu einer crowdfunding-kampagne, die herrn vogel die verwirklichung seiner audioinstallation „the ballad of agnete and the the merman“ in arhus ermöglichen sollte. es hat sich leider nicht ergeben, dort direkt vorbeizuschauen, aber wie es der zufall so möchte, wird die dazugehörige dokumentation vom kanadischen duo „the automatic message“ heute abend in vancouver gezeigt. im anschluss gibt es ein q&a mit den beiden und herrn vogel selbst.

agnete & the merman
sfu goldcorp centre for the arts / djavad mowafaghian cinema
149 west hastings street

öffnung der tore: 19:30 uhr
film: 20 uhr
q&a: 21:15 uhr

eintritt
10 kanadische dollar

nachbetrachtung
schon ein ungewöhnliches setting, wobei man sich angesichts des akademischen hintergrundes von herrn vogel auch nicht zu wundern braucht, weshalb der film gerade im universitären kontext gezeigt wird. es ist trotzdem ungewöhnlich, jemanden in so einem kleineren, intimeren rahmen zu sehen, der im tresor park einige hundert tänzer*innen vor sich hatte und der wahrscheinlich nicht nur für mich wegen des umkrempelns von techno-hörgewohnheiten ab mitte der 1990er so eine art säulenheiliger ist.

film und musik spielten für mich sehr gut zusammen, das akustische resultat kann man mittlerweile (wahrscheinlich ein resultat der fragerunde dieses abends) bei bandcamp kaufen. da blitzen auch kurzzeitig seine jahre auf der tanzfläche auf, aber wer ihn nur so kennt, wird sich auf sounddesign und ambient einstellen müssen – jedenfalls geht mir das so. einfach zu konsumieren war seine musik nie, aber mit seiner zusätzlichen konzentration auf soundtracks und performances hat er ein neues tor aufgestoßen, durch das ihm viele von früher wohl nicht folgen werden.
das ist aber auch ok so. er führt damit schließlich den ungebrochenen forschungsdrang und das ausloten von grenzen (wahrscheinlich inklusive seiner eigenen) fort, anstelle der gefahr zu unterliegen, sich selbst zu zitieren. die vielzitierte künstlerische weiterentwicklung also, und da ist dieser performance-kontext nichts, was ihm ein paar nummern zu groß wäre. vielmehr habe ich den eindruck, dass er sowas als freidenker braucht.

die fragerunde war im anschluss auch voll des lobes, also nicht nur für das sounddesign, sondern auch für das editing des videos. es konnten sich einige im publikum ein schmunzeln nicht verkneifen, als cristian von seiner vergangenheit als techno-produzent erzählte, weil er dachte, das in diesem akademischen rahmen erklären zu müssen. das tat er aber so augenzwinkernd, weil er wohl insgeheim wusste, dass so manche der anwesenden seine alten sachen sehr wohl kannten. diese feine britische ironie durchzog auch den rest des verbalen teils, und alleine deswegen hatte es sich schon gelohnt.

crowdfunding für cristian vogel, zum zweiten

wir erinnern uns: zum ersten mal hat er vor zwei jahren auch via startnext dazu aufgerufen, um seine alten dat-tapes zu restaurieren. leider ist bis heute nichts aus den unveröffentlichten sachen geworden (bis auf den mix dazu), aber dafür gab es die alten alben auf tresor und mille plateaux, die man mittlerweile auch ganz offiziell wieder bei bandcamp bekommt.
sein aktuelles projekt ist „the ballad of agnete and the merman“. das ist eine audioinstallation, die im juni im rahmen des offiziellen programms der europäischen kulturhauptstadt 2017 (arhus) aufgeführt werden soll.
das soll filmisch dokumentiert werden, und genau darauf zielt der spendenaufruf ab. wurde gerade bis ende april verlängert und kann noch einige spender gebrauchen.

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[berlin / 10.12.2016] berghain: zwölf jahre berghain

montag ist schon wieder vorsorglich frei, da steht der jährlichen teilnahme an der generalprobe für silvester nichts im wege. wird sich zwar ohne pause(n) zwischendurch nicht machen lassen, aber die vorfreude auf die halle und tatsächlich auch auf das finale im berghain ab 20 uhr ist groß.

zwölf jahre berghain

berghain
00h00 solaris
04h30 barker & baumecker
06h00 koehler
10h00 phase fatale
15h00 dj nobu b2b the black madonna
20h00 surgeon live
22h00 marcel dettmann
02h00 blawan
07h00 ben klock

panorama bar
00h00 fort romeau
04h00 gonno
08h00 andy butler
11h00 byron yeates
15h00 dj yamaho
19h00 dinky live
20h00 justin strauss
00h00 steffi
05h00 virginia

elektroakustischer salon
07h00 nina
11h00 renaat
15h00 cristian vogel live
19h00 søs gunver ryberg live
21h00 sigha

eintritt
20 euro

nachbetrachtung
ging dann doch mit einer pause zwischendurch, aber dennoch asymmetrische verteilung: erstbesuch von 3:30-6:00 uhr, der zweite von 17:30-13:30, da spielte ben klock den rausschmeißer („follow me“ von parris mitchell, zuvor noch der carl-craig-remix von „kill 100“, original von x-press 2, der schon in diversen len-faki-sets der sichere treffer war).
zum baulichen: die doppelstöckige garderobe ist fertig, zwar ein wenig zu hell geworden, aber das lässt sich mit dunkleren neonröhren noch zurechtrücken. eine große entlastung ist sie allemal: habe bei hochbetrieb zu beginn meiner zweiten schicht nicht mal zwei minuten oben warten müssen, um meine tasche abzugeben und sie damit gleich mal eingeweiht.

die favoriten der jeweiligen schichten sind zwar für stammleser irgendwie vorauszusehen, teilen jedoch eine gemeinsamkeit: in den ersten zweieinhalb stunden war es tatsächlich das berghain, in den zweiten 20 (mal wieder) die halle. unnötig zu erwähnen, dass letztere den experimenten vorbehalten ist, aber die gemeinsamkeit besteht tatsächlich darin, dass es in meiner ersten berghain-schicht alles andere als ware von der stange gab.
das ließ sich schon bei der letzten stunde von solaris spüren, die wenigstens zur hälfte breakbeats mit industrial-hintergrund spielte. zwar technisch mit abzügen in der b-note, die hälfte der übergänge passte aber und den rest konnte sie mit den filtern gut überbrücken. aus sicht des ableton-perfektionisten ist das sicher hochnäsig, weil die nervosität damit ein dicht gespanntes netz bekommt, das sie nicht hatte. von daher werfe ich vom glashaus aus mal besser nicht mit steinen und respektiere lieber den mut zum (inhaltlichen) risiko frei von offensichtlichen hits (ich kannte jedenfalls nichts, was aber auch nichts heißen muss) als mich über nicht 100%ig sitzende übergänge zu echauffieren.
mich hat es jedenfalls überrascht, dass die (zumindest dem klischee nach) zu der uhrzeit versammelte touristenmeute doch ganz gut darauf einstieg. der anteil an gays legte jedoch nahe, dass einige aus alten tagen wieder mal vorbeigeschaut haben.
barker & baumecker mit arbeitsteilung: sam am sampler, nd an den cdjs. da es ein live/dj-hybrid war, verschwommen damit die grenzen zwischen den elementen. ganz sicher erkannt: „club entropicana“ von „turns“, und wenn mich nicht alles täuscht, war „encipher / decipher“ auch mit dabei. letztendlich nebensächliche details, denn vielmehr zählt, dass auch die beiden vom pfad der geradeaus marschierenden kickdrum abkamen, das jedoch immer mit einem nicht-kitschigen melodischen unterbau zu unterfüttern wussten, der das publikum gut bei laune hielt. für mich war es daher (insbesondere nach der kritik, die sich skee mask nach seinem set vom mai diesen jahres gefallen lassen musste) schön zu sehen, dass durchaus unkonventionelles um die uhrzeit gut funktionieren kann. ein kleines haar in der suppe war der schluss, bei dem sie während eines breaks bei gleißend hellem licht anlauf für einen fulminanten schlussakkord zu nehmen schienen, zu dem die meute auch willig genug schien. das inferno mit attacken im tieftonbereich blieb jedoch aus, so dass das set eher gemütlich ausklang. gut, kann man auch als bruch mit konventionen auslegen, aber hin und wieder kann man den eingespielten dramaturgischen abläufen auch folgen und sich zum schluss hin nochmal belohnen.
egal, bleibt so oder so für mich der höhepunkt der zwei schichten.

vor beginn der zweiten sank die laune angesichts der gästelisten-/stempelschlange von ostgut-ton-nacht-ausmaßen erstmal in den keller. ich war eh schon etwas später dran als geplant und dachte mir, dass ich herrn vogel so ab ca. 16 uhr mitbekommen könnte. stattdessen stand ich um 16 uhr bei kälte und regen erstmal in höhe des gartens und stellte mich auf vier stunden wartezeit ein. es kam jedoch nicht so schlimm wie befürchtet: der regen verzog sich wieder und es waren dann doch „nur“ anderthalb stunden – es wurde also ziemlich zügig abgearbeitet.
direkt an the black madonna und dj nobu vorbei zur halle, die mit laser und transparentem stoff an der decke dort sowas wie einen sternenhimmel bot. die holzdekoration erinnerte ziemlich an tannenbäume, ansonsten gab es die bekannten holzbänke mit den weißen matten drauf – und ein set von cristian vogel mit bestechend guter qualität obendrauf (nach barker & baumecker dicht folgender zweiter favorit, aber ich bin ja auch nicht objektiv, zugegeben). der wechselte zwischen seiner never engine, einem modularsystem und auch cdjs, so dass sprachkollagen sich mit drones oder sporadischen melodiesprenkseln abwechselten und wirkte dabei so, als ob er nach seinem abschied von den tanzflächen der clubs ein echt passendes neues heim gefunden hat. er machte auch etwas länger und spielte noch sein „cancion sintetica“ vom „specific momentific“-album (oder aus „enter the void“ – je nachdem), ein weiterer gänsehaut-moment. schade, dass ich die größere erste hälfte verpasst habe.

ab zu the black madonna und dj nobu, um schon einen platz für surgeon zu haben. man kann nicht sagen, dass es besonders leer gewesen wäre, aber wie schon beim letzten sonntag empfand ich das nicht als unangenehm. entweder weil die halle eine menge abfederte oder ich mich mental schon vorab darauf eingestellt hatte, dass es eh voll wird und man eben nicht zu solchen anlässen ausgehen soll, wenn einem nicht nach sowas ist. ich hab ja immer noch die theorie, dass die tür frühzeitig aufhört, weitere oder ihnen nicht bekannte leute hineinzulassen. eine schlange gab es für den rest des abends jedenfalls nicht mehr.
das duo sparte in seiner letzten halben stunde jedenfalls nicht an hits: „never grow old“, „from sea to sea“ von voiski als vorletzter, gefolgt von „nous sommes mmm“ als letzter track. keine ahnung, ob der rest ähnlich auf nummer sicher ging. dem publikum gefiel’s und eine halbe stunde reicht bei weitem nicht aus, um ein fünf-stunden-set beurteilen zu können.
surgeon mit mittlerweile bekanntem modular-setup, der in seinen zwei stunden für mich solide unterhaltung lieferte – aber leider nicht mehr. um die kritik gleich mal vorab zu relativieren: ich habe großen respekt vor produzenten, die sich durch ihre technischen mittel eingeschränkt fühlen und neue wege beschreiten wollen. das ist in seinem fall mit der integrierung von modularsynthesizern und der sukzessiven verdrängung von ableton live auch geschehen und vom kurzzeitigen herumspielen an einem kleinen modularsystem weiß ich, wie kompliziert diese materie ist und dass man sich (gerade als ungeübter) gut darin verlieren kann. er hat’s definitiv geschafft, damit ein set abzuliefern, das sich ab der zweiten hälfte nicht in einem undefinierbaren wirrwarr an sequenzen verliert und immer versucht, mit breaks und charakteristisch stolpernden rhythmen eine dynamik hineinzubringen. es gibt für mich nur ein problem im vergleich seiner neueren versus der noch von ableton live geprägten produktionen, das man auch ganz gut zwischen den beiden letzten alben („breaking the frame“ und „from farthest known objects“) festmachen kann: mir kommt die dramaturgie innerhalb eines seiner mit modularsetup produzierten tracks ungefähr so vor wie die dynamik eines stücks, das mit hinblick auf den loudness war gemastert wird. sprich: der unterschied zwischen richtig leisen und richtig lauten passagen ist zwar spürbar, aber zwischen „durchschnittlich und richtig laut“ findet viel auf einer subjektiv immer gleichbleibend empfundenen lautstärke statt, die das ohr eher ermüdet. in den zwei stunden im berghain war’s stets die gleiche kickdrum, stets die gleich klingenden hihats, eher wurden die modularsequenzen mal mehr und mal weniger geringfügig geändert. das ist je nach erwartungshaltung auch völlig ok – jeder, der mit liebe zum detail zugehört hat, wird damit glücklicher gewesen sein als ich. mir hat jedoch im druck die variation gefehlt – eine bassline, welche die kick noch mehr anschiebt und den tieftönern der funktion one mehr arbeit verschafft hätte. er hat ja in der vergangenheit bewiesen, dass er tracks produzieren kann, die nach einer gewissen phase noch eins draufsetzen können, aber so wirkte das auf mich über die zwei stunden hin seltsam statisch. gut möglich, dass er sich da zumindest im techno-kontext erst noch finden muss. für mich klingen seine aktuellen ambient/drone-produktionen unter seinem bürgerlichen namen wesentlich reifer, wäre an sich auch etwas für die halle.

keine ahnung, warum marcel dettmann mich nicht gleich von beginn an packen konnte, das lag wohl eher an mir, der sich nach surgeon eine richtige breitseite erhofft hatte. sigha war nebenan mit cdjs und modularsystem als ergänzung zugange und dabei auch zu mitternacht hin fast tanzbar. hat jedenfalls mit „cloud“ von roly porter für einen „der“ momente gesorgt und marcel dettmann mit „la rock 01“ von vitalic als letztem track ebenfalls, der sich wohl zum aktuellen markenzeichen entwickelt.
blawan zeigte im anschluss, dass man mit tools überaus dynamische, interessante sets spielen kann. das brachte für mich jedenfalls die richtige mischung aus zügel anziehen und wieder loslassen mit, die mir bei surgeon (und auch sonst nicht selten auf techno-tanzflächen in den vergangenen monaten) fehlte. auch wieder nichts erkannt, außer der b1 von der killa bite 2.
wie man schon merkt, waren die ausflüge nach oben eher kurz. steffi habe ich kurz zwischen 3 und 4 gehört, was gewohnt gut ausgesuchter techhouse war. zu virginia habe ich dann auch nur die übergabe mitbekommen.
also ben klock: für mich immer noch die verkörperung des berghain-konsens. damit sei vorweggenommen, dass er es auch mit dem set nicht geschafft hat, sich aus dem guten durchschnitt herauszuspielen. technisch immer noch eine liga für sich, dagegen ist nichts zu sagen. aber selbst in dem schon leicht übermüdeten, durch mate jedoch angepeitschten zustand bot er mir inhaltlich zwischendurch zu viel berechenbares, nachdem er überaus interessant mit acid begonnen hatte. die mitte war aber von ziemlich trockenen tools geprägt, wobei ich hoffte, dass das genau das richtige wäre, um mich ohne groß nachzudenken einfach nur maschinell bewegen zu können. gut zu wissen, dass bei den ansprüchen zwischen dem ziemlich und weniger fitten zustand meinerseits dann doch keine unterschiede zu bestehen scheinen und abwechslung bei gleichzeitiger tiefe mich in beiden phasen am besten bei laune halten können.
das gelang ben in den letzten zwei stunden auch besser, aber da kamen dann auch die hits. „thoughts“ von green velvet, „dark & long“ von underworld sind da auf der plus-seite, „just close your eyes“ von gecko leider auf der minus-seite, aber eine seltene perle wie „trak 3“ von octave one glich das direkt danach wieder aus.

und hat es sich gelohnt, dafür einen arbeitstag zu opfern? zugegeben, das schlechte gewissen nagte schon an mir, als sich abzeichnete, dass es doch ein recht sonniger tag wird. musikalisch hätte ich auch nicht viel versäumt, wenn ich um 7 uhr montagfrüh gegangen wäre. von der atmosphäre her lohnen sich gerade die letzten stunden jedoch nach wie vor – auch wenn man diese doch ziemlich kaputte szenerie verdauen muss. keine ahnung, ob es eine strategie von betreiberseite aus oder ein zeichen dafür ist, dass der hype etwas abflaut. für mich war der schluss gegen 13:30 uhr, bei dem die tanzfläche noch mehr als zur hälfte gefüllt war und man daher bei ben durchaus mit weiterer überlänge bis in den montagnachmittag hinein rechnen konnte, durchaus adäquat, aber manchen wohl zu früh. sollte eine strategie dahinterstecken, finde ich es ganz ok, nicht immer nach mehr streben zu wollen. hat zwar auch etwas von bevormundung, da man manche schon vor sich selbst schützen muss, kocht aber auch die emotionen etwas herunter, wonach das berghain zu einer art ersatzreligion verklärt wird.
insgesamt fand ich den 12. geburtstag schön unaufgeregt. positiv anzumerken ist, dass musikalische experimente im berghain (barker & baumecker, solaris) durchaus vom publikum goutiert werden, die halle ist und bleibt eine perle und die publikumskonstellation müsste manchen an die anfangszeiten erinnert haben, da viele gays und kostümierte den weg zum wriezener karree gefunden hatten und damit einen schönen kontrast zum sonst herrschenden schwarz boten. auch wenn’s auf der tanzfläche mal voller war (wie sonntagabend bei surgeon oder blawan): ich fühlte mich da wesentlich wohler als noch vor einem jahr, weil die leute wieder mehr auf das zu achten scheinen, was um sie herum passiert. exemplare mit nachhilfebedarf in puncto umsicht gibt’s immer, aber da ließ sich stets ein anderer platz finden.
dennoch: den schluss muss ich unten nicht zwingend mitnehmen – zumindest nicht bei den protagonisten im line-up, auf die sich viele einigen können, die mir jedoch bei dem status quo in sachen techno keine oder nur wenig impulse liefern können. das ist eine etage höher bei hereinscheinendem tageslicht etwas anderes. zwar auch davon abhängig, wer an den reglern steht, aber aufgrund der fast schon jahrzehntelangen fokussierung auf techno ist die chance, dort anderes zu hören, einfach größer.
kurzum: im 13. jahr wird’s für mich auch reichen, den sonntag tagsüber bis zum abend mitzunehmen. sonst bin ich gespannt, ob die freitage weiterhin ausgebaut werden – wobei das eher sogar ein wunsch ist.