der august war (kaum zu übersehen) der partymonat. dahingegen beginnt der september mit einem demonstrationszug der neuen mieterbewegung und setzt sich mit veranstaltungen zum 30-jährigen jubiläum des west-berliner häuserkampfes fort. über den plan kann man sich schon mal hier informieren, für mich geht’s am voraussichtlich sonnigen und spätsommerlich warmen samstag nach neukölln in richtung kreuzberg. bei einer neuauflage bitte auch friedrichshain bei der route berücksichtigen.
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review / kommentar
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zunächst hatte ich den eindruck, dass der aufruf an so einigen vorbeigegangen wäre, da die reihen nicht unbedingt dicht waren, aber dafür zog sich der demonstrationszug gut in die länge. zudem habe ich es noch nirgends erlebt, dass die organisatoren die teilnehmerzahl unter derjenigen lokaler medien ansiedeln. der rede auf der abschlusskundgebung nach zu urteilen, war im rbb von 10.000 leuten die rede, der verantwortliche sprach von 6.000 nach eigener zählung, die polizei schätzt 2.500 – die wahrheit wird irgendwo dazwischen liegen. das sind zwar keine größenordnungen, bei denen man von einer kritischen masse sprechen kann, aber in den lokalen medien fand die demonstration erwähnung.
als ausdrücklich lobenswert empfand ich die organisation: klare ansagen zum aufschließen, am lautsprecherwagen für die redebeiträge wurde ein redebeitrag gnadenlos gestrichen, nachdem die gruppe sich nicht pünktlich am wagen eingefunden hatte und durch einen anderen ersetzt. auch für das amüsement war auf dem wagen der antifaschistischen aktion mit drum&bass gesorgt, was aber regelmäßig durch reden unterbrochen wurde. finde ich persönlich aber gut so, damit die anliegen der organisatoren nicht im partytaumel untergehen.
der zug traf dann auch mit nur einer halben stunde verspätung auf dem oranienplatz ein. dort stand eine kleine bühne, die mit den anderen wagen per funk gekoppelt wurde. außerdem ein tisch des mietervereins und der initiative für das volksbegehren zur kommunalisierung der s-bahn. später noch die gerüchteküche, die günstigen eintopf für die teilnehmer verkaufte. natürlich wird man es nie vermeiden können, dass teilnehmer flyer verteilen. die abschlusskundgebung selbst sympathisch bodenständig mit gehörigem diy-charakter, obwohl man darüber debattieren kann, ob man mit der möglichkeit des offenen mikrofons den mangel an eigens vorbereiteten reden ausgleichen wollte. dazu muss man aber berücksichtigen, dass viele kleine einzelinitiativen mit der organisation beschäftigt waren und viele davon sicherlich einem job nachgehen müssen. dafür war das mikrofon moderiert, insofern gab’s bei den beiträgen keine verbalausfälle, die völlig am inhalt der demo vorbeigingen. da zeigte sich auch mit einer der größten pluspunkte bei der organisation: die übersetzung sämtlicher (auch spontaner) beiträge ins türkische.
so gut dies auch gemeint war – einer der redner, der kurz vor meinem aufbruch gegen 19 uhr die bühne betrat, kritisierte völlig zu recht die weitestgehende abwesenheit der türkischen bevölkerung. auch diese ist bspw. im wrangelkiez mittlerweile von verdrängung betroffen, aber wahrscheinlich fehlt da noch die überzeugungskraft für die aktive partizipation. an den teilnehmern soll es jedenfalls nicht scheitern: der normale mittelstand neben studenten, alt-hausbesetzern, den üblichen linksaktivisten – da gibt’s definitiv feindlichere umgebungen. wahrscheinlich braucht’s regelmäßigere derartige aktionen, um nach wie vor existente barrieren abzubauen.
genau dort sollte man meiner meinung nach ansetzen und vor allem auch weitere „szenekieze“ mit ins boot holen. gerade friedrichshain bietet mit der oberbaumbrücke eine tolle kulisse, die sich vor allem auch im straßenverkehr richtig schmerzhaft bemerkbar machen dürfte. vor allem sollte man die teilnehmerzahl stabilisieren und ausbauen – daher definitiv am ball bleiben. auch wenn die x-tausend teilnehmer schon mal eine gute anfangsmarke gesetzt haben, halte ich es für verfrüht, den beginn eines sozialen umbruchs herbeizubeschwören, wie es in einigen reden der fall war. da wurde tel aviv zum vorbild genommen, wo sich wohnungspolitische proteste in eine massenbewegung ausgeweitet haben. ich will nicht als skeptiker erscheinen und lasse mich gerne überraschen, aber die redner haben schon richtig erkannt, dass man dafür einen richtig langen atem braucht.
den sollte man sich wohl erstmal für die nun auch vom tip herbeigeschriebene neuauflage des häuserkampfes aufsparen. auch ist es wohl etwas idealistisch, wenn man die parteien in diesem prozess aussparen möchte – selbst wenn man sich von ihnen nichts mehr verspricht: mit der autonomen republik neukölln-kreuzberg hat es auch 1981 und danach nicht geklappt. wie stellt ihr euch das jetzt vor? ein autonomer freistaat berlin?
abgesehen davon zeigten sich an dem wochenende mal wieder die parallelen zu 1979/80: am sonntag nach der demo wurde erneut das haus in der schlesischen straße 25 besetzt, aber wie bereits ende mai wenige stunden später polizeilich geräumt. auch hier muss die frage gestellt werden, was für ein sinn in dem anzünden von mülltonnen liegt. hab gehört, dass es effizientere barrikaden gibt. da ich aber nicht vor ort war, kann ich auch nicht sagen, ob das eine idee der besetzer oder der spontanen unterstützer war – ich hoffe auf letzteres.
es scheint jedenfalls in den üblich verdächtigen bezirken zu gären, und die bündelung dieser sorgen und nöte in dieser demo kann das mieterinitiativen-bündnis in jedem fall auf der haben-seite verbuchen. irgendwie mache ich mir auch keine sorgen darüber, dass der protest im sande verläuft, sondern die entwicklungen gerade nach der wahl ganz genau beobachtet werden. jedenfalls hat mich die demonstration in der absicht bestärkt, mich aktiver in die kiezarbeit einzubringen – dazu muss erstmal ein einstieg gesucht und gefunden werden, selbiges gilt für die zeit.