[berlin / 22.09.2024] lokschuppen: abyss

die reef bekommt einen kleinen ableger, wofür das digital steppaz soundsystem aus freiburg importiert sowie aufgebaut wird. es gibt zuvor einen (bereits ausgebuchten) workshop zu musik, atem und meditation durch bewegung. für alle anderen geht es ab 20 uhr los, was ungefähr den uhrzeiten entspricht, die bereits von der wax treatment bekannt sind.

der lokschuppen ist übrigens der suicide circus, der im laufe des jahres umbenannt worden ist. darüber hinaus gibt es bei wav.world ein überaus lesenswertes interview mit darwin.

abyss

20:00 fyi robin
20:30 azu tiwaline feat. tikiman live
22:00 darwin
23:00 v.i.v.e.k.
00:30 phrex

nachbetrachtung

im altbewährten standardformat: kurzes fazit > meckern > detailarbeit.

schreit nach wiederholung. für mich musikalisch keine ausreißer nach unten (vielmehr nach oben). und wenn es nach den publikumszahlen sowie dessen reaktion geht, ist der bedarf offensichtlich da.

die haare in der suppe:

dafür kann die abyss nichts: der aufbau des lokschuppens. war jetzt ca. zehn jahre nicht mehr da, geändert hat sich seitdem nicht viel, außer dass der außenbereich jetzt auch überdacht ist. mit dem zeitlichen abstand fällt mir das auf, was mich vielleicht vor der pandemie schon zu nerven begonnen hat, aber definitiv seitdem sauer aufstößt: raumanordnungen, die publikumsströme quer über die tanzfläche begünstigen.
ich gebe zu, dass ich zur abyss sonntagabend noch weniger in der laune als ohnehin schon war, gruppendynamiken zu antizipieren, die entweder ihren platz auf der tanzfläche erst noch finden oder richtung bar oder toilette gehen wollen. beides liegt genau gegenüber voneinander, womit im sweet spot eigentlich immer durchgangsverkehr herrscht. im hinteren bereich der tanzfläche stand das soundsystem, im vorderen bereich lagen die sitzsäcke. beides fiel als ausweichpfade weg und ich hatte nirgends richtig das gefühl, wirklich ungestört zu sein. bin aber als tanzender auch nicht sonderlich raumgreifend.

zu den sitzsäcken: die lagen entlang des dj-pults und auf der linken seite zwischen dem gang zu den toiletten und dem backstage. bereicherten das klangerlebnis durch die ganzkörperbassmassage und hatten noch dazu eine ähnlich gute gravitation wie eine gut eingesessene couch.
dennoch fallen sie für mich in die kategorie „gut gemeint“. bei 50 leuten weniger im laden wäre die idee eher aufgegangen. stattdessen war die tanzfläche bereits kurz nach beginn von azu tiwalines set schon so gut gefüllt, dass die tanzenden in ziemlicher nähe zu den sitzsäcken standen und damit gefahr liefen, auf füße der sitzenden zu treten oder über deren beine zu stolpern. die sitzenden wiederum (na gut, ich rede von mir) versetzt das in sorge, dass irgendwer hintenrücks auf sie drauffallen könnte oder mensch selbst zur stolperfalle wird.
die verzögerung (der workshop ging länger, daher fing die party gut 40 minuten später an, was wiederum dazu führte, dass die tanzfläche bereits bei fyi robin mehr als nur halbvoll war) mag ihren teil dazu beigetragen haben. wirklich lockermachen konnte ich mich trotz der erweiterten sensorischen erfahrung jedenfalls dort nicht.
es war eine premiere. auch deswegen überwiegt bei mir die milde, es probiert zu haben. zum wohle der publikumsströme bzw. dessen körperlicher unversehrtheit können die sitzsäcke bei der wiederholung weggelassen werden – zumindest, wenn es nochmal in den lokschuppen geht, wo es für mich keine wirklich günstige position dafür gibt, die nicht fernab vom soundsystem liegt.

apropos soundsystem, und damit endlich mal zum positiven: einfach nur… wow!
da sich der vergleich zur wax treatment wegen wochentag und uhrzeit und konzept eh aufdrängt: wo der bass der killasan eher sanft, dennoch bestimmt daherkam, entkommt man der welle beim digital steppaz soundsystem nicht. auch wenn der grundriss der tanzfläche (notausgang am hinteren ende) nicht erlaubte, dass die anlage mittig an der wand steht: es hat gereicht, sie völlig zu vereinnahmen. besser klang das ex-suicide-jetzt-lokschuppen bisher definitiv nicht. und mich hätte es auch nicht gewundert, wenn team blau wegen beschwerden von anwohnenden aus der revaler straße vor der tür gestanden hätte, weil dort die gläser aus der vitrine fallen. tatsächlich habe ich auf dem rückweg zur warschauer ecke revaler vom bass nichts mehr gehört.
andere parallele zur wax treatment und bei der heutzutage üblichen fixierung auf djs immer wieder schön zu sehen: gefühlte 90% des publikums tanzen richtung soundsystem.

zu den einzelnen:
fyi robin mit ambient, nur kurz vor schluss mit einem track, der sowas wie eine kickdrum hatte. von derzeitigen musikalischen vorlieben geprägtes wunschdenken: sofern das mit dem pünktlichen anfang klappt, gerne eine stunde in dem stil.
azu tiwalines set war in der zweiten hälfte sehr 4/4-kick geprägt, dabei aber zumindest im sub-bereich so schön angereichert, dass das für (tech-)house, durchaus auch techno und auch für die dub-fraktion anschlussfähig war. die erste hälfte abstrakter mit dem minimal-sphärischen, wie mensch sie von ihren veröffentlichungen auf livity sound her kennt. und der abschnitt mit dem 3/4-beat um die 90 bpm hatte auch etwas für sich. tikimans stimme umschmeichelte ihre sounds eher, anstatt sich bei den tracks in der vordergrund zu mischen. damit ergänzte er azus sphären mit seinem nachhall und dem damit einhergehenden eindruck, ob ich mir nur einbilde, dass er längst am werke ist, sehr gut.
darwin spielte einfach kürzer und holte die menge mit dubstep alter schule quasi von beginn an ab. start-ziel-sieg, schlicht und ergreifend.
v.i.v.e.k. begann den aufbau halb von vorn mit dub/reggae und arbeitete sich zu klassischem, gerne mal wobbligen dubstep mit technoidem einschlag vor. und phrex gebührt das verdienst, meinen aufbruch hinauszuzögern, obwohl ich die jacke bereits angezogen und einen der ohrenstöpsel herausgenommen hatte. aber „roll with the punches“ von peverelist kann ich einfach nicht nicht betanzen. toller schlusspunkt zu gut vier stunden, in denen musikalisch einiges für mich drin war (außer dass drum & bass fehlte, aber das ist ein echtes luxusproblem).

trackauswahl

darwin
j:kenzo – vanquisher
alix perez – spooked
dbridge – digital dread

v.i.v.e.k.
jowaa – banku dade
calibre – man got sandwich
skee mask – play ha
dark sky – double u
calibre – barren

phrex
peverelist – roll with the punches

[berlin / 14.09.2024] about blank: staub xxl

der monatliche stammtermin.

ablauf

garten
11:00 i.nez
13:00 fr. jpla
15:00 kovvalsky
17:00 breza
19:00 irakli

mdf
14:00 projekt gestalten
17:00 stype
20:00 stanislav tolkachev
22:00 chloe lula
01:00 s.ra
04:00 motram
07:00 alex pi

lobby
22:00 katya milch
00:00 killa
02:00 shawescape
04:00 felde
06:00 modschi

hütte
00:00 dj andi
01:00 rlms
04:00 dj tussie

nachbetrachtung und selbstverortung

ehe ich mit meiner übung in selbstreflexion beginne, erstmal das resümee für die anderen.

war gegen 15:30 uhr da und erstaunt, dass es für die uhrzeit noch so übersichtlich war. milde herbstliche temperaturen plus sonnenschein lockten die meisten in den garten, wo kovvalsky housig mit acid-einschlag spielte (wenn ich mich richtig erinnere – war zugegebenerweise eher mit der sorge beschäftigt, wie es später drinnen laufen würde). projekt gestalten hat den mdf fordernd und stellenweise ravig eröffnet, aber mehr als 20 leute zugleich fanden sich im zeitraum seines sets dort auch nicht ein.

auch ich machte mir zwischendurch gedanken, weil die leute im laufe meiner ersten stunde in richtung garten aufbrachen. nachvollziehbar, weil die erste halbe stunde auch durchweg breakig war. nahm das aber nach einer stunde nicht mehr persönlich, fuhr konsequent die techno-schiene (ebenso konsequent mit dem einen oder anderen gebrochenen takt dazwischen) und konnte am ende eine gut halbvolle tanzfläche an stanislav tolkachev übergeben. im garten bei irakli wurde mir um kurz nach acht dann klar, wo die leute sich die ganze zeit herumgetrieben haben. als letzte „richtige“ garten-staub für dieses jahr (die staub xs zwei wochen später für den nachwuchs mal außen vor gelassen) war es in kombination mit dem wetter auch nur zu verständlich. irakli lieferte auch eine schöne vorlage dazu – gut techhousig, treibend dazu, hielt die spannung bis zum schluss. da kann mensch fast schon von routine sprechen.

chloe lula war mir auf dem mdf zu monoton, die lobby hingegen für den rest des abends bzw. die nacht über ein stilistisch bunter gemischtwarenladen. katya milch war noch am ehesten technoid (und auch meine favoritin), killa zwischen breakbeats, house und sogar breakcore, auch technisch ein parforceritt. klar stieß das manche vor den kopf, aber wagemut bewerte ich immer höher als das spielen nach den regeln. shawescape rannte mit electro aus motor city bei mir in seinen ersten 20 minuten offene türen ein. und das, was ich von s.ra sowie motram als motivationshilfe an der kasse sitzend mitbekam, war dubbig-treibend, ohne dass ich etwas erkannt hätte.

gegangen bin ich kurz nach kassenschluss um kurz nach 6. und damit zu mir.

die ersten zwei september-wochen brachten stress und somit auch einiges an klarheit. stress, da dies bedeutete, zwei völlig verschiedene sets vorzubereiten – schließlich konnte und wollte ich die bewegungsfreiheit nicht bretternderweise verabschieden. bei der staub wollte ich abliefern, jedoch nach meinen regeln. zugleich bin ich trotz tendenz zur überorganisation nicht derjenige, der die abfolge der tracks wochen zuvor minutiös plant. also, zumindest nicht mehr. mal abgesehen von ein paar must-have-tracks überlasse ich den rest mittlerweile der intuition. heißt aber auch, dass ich nicht monate zuvor die playlists in rekordbox zusammenstelle, sondern wenige wochen vorher. da stehen die chancen höher, dass ich nach wie vor lust auf die tracks habe. die stetige sorge, den eigenen ansprüchen gerecht zu werden und idealerweise ein bis zwei leute damit abholen zu können, bleibt stetiger begleiter. das habe ich als teil des spiels akzeptiert bzw. sogar als ganz okaye richtschnur, es nicht zu locker anzugehen.
um eventuellem fischen nach komplimenten vorzubeugen: ich hab mich bereits nach dem set mit einer 8 von 10 selbst evaluiert und werfe mir nur sehr wenig vor. wer es konkret haben möchte: sheds „break up 3 tk 4“ auf der zwei, statt auf der eins gestartet zu haben. war aber eh nur bei der intro-kick und fiel damit höchstwahrscheinlich nur mir auf. zum anderen hätte ich den vorletzten track besser auswählen können – „leg host“ von omen’s jot war’s, und da war auf meiner speicherkarte sicher etwas in petto, das besser mit „heliosphan“ von aphex twin harmoniert hätte. der wiederum läuft bpm-technisch so unrund, dass beim vorherigen stück ständiges angleichen notwendig ist. hab also auf die harte tour gelernt, dass der dynamische analysemodus bei rekordbox eigentlich nur informativen wert hat, wenn mensch den sync manuell übernimmt (so viel vom ursprünglichen auflegen behalte ich mir dann doch noch bei und lasse den sync-button ausgeschaltet). beim melodieintro des aphex-tracks lief omen’s jot als rhythmischer unterbau also häufig aus der spur. hausaufgabe bleibt, „heliosphan“ in ableton live so glattzuziehen, dass ich mir um schwankende bpm-zahlen keine gedanken mehr machen muss.

allerdings: weniger gedanken im voraus machen – das nehme ich angesichts des ergebnisses wie bei der bewegungsfreiheit in der woche zuvor auch von der staub mit.
und was bei der staub nicht alles zusammen kam… gewissensbisse, weil meine 32 gb füllende speicherkarte vielleicht dreiviertelvoll war und ich mir natürlich einbildete, dass ich das fehlende viertel mit den tracks hätte bestücken sollen, die bei einem fehlgeschlagenen set am ende den ausschlag gegeben hätten. vier, fünf kombinationen im voraus, die ich unbedingt bringen wollte – stattdessen wurden es nur drei, darunter die zum anfang. der war wiederum auch von zweifeln begleitet, ob ich es wirklich bringen soll, „count me out“ von kendrick lamar als erstes zu spielen.
also erstmal sind drei viertel auf der speicherkarte genug für wenigstens 300 tracks in aiff. und damit könnte ich wenigstens sechs stunden bestreiten, da ich in diesem leben nicht die technische finesse eines jeff mills oder dj godfather mit wenigstens 25 tracks pro stunde erreichen werde. „count me out“ ist mir als stück so wichtig, dass ich mir einfach gesagt habe, den leuten diese vier minuten eben zuzumuten. wer sich da über zuviel textlichen inhalt beschwert, verpasst eine menge in atemberaubender weise in versmaß gebrachte selbstreflexion. wenn ich also weiter oben schon über wagemut schreibe, den ich anderen hoch anrechne, warum dann nicht auch selbst? und welch eine überraschung: beschwert hat sich keine*r deswegen.
zum warmwerden und auch filtern wie bereits erwähnt: breakbeats in der ersten halben stunde. aufgrund des eh noch überschaubaren füllgrades gab es da eh nicht so viel zu verlieren. aufkommende gewissensbisse wegen der sich kurzzeitig lichtenden reihen habe ich soweit reguliert, dass das gute wetter alleine schon konkurrenz genug ist und die leute beizeiten nochmal reinschauen, wenn ich schon bei techno gelandet bin. einfach mal machen und auf die intuition vertrauen – das hat sich auch dieses mal ausgezahlt. natürlich wäre ein proppevoller mdf zu der zeit toller gewesen, aber das war bei dem allgemeinen füllgrad und bei der konkurrenz schon ganz in ordnung so wie es war.
im vergleich zu vor fünf, sechs jahren ist also neu, dass ich mir fehler wesentlich schneller verzeihe und ansonsten darauf zu vertrauen beginne, dass es irgendwann wieder einen anknüpfungspunkt beim publikum gibt, wenn ich irgendwo mal falsch abgebogen bin. was nicht heißt, ständig die gleichen tracks zu spielen, aber dann doch zu wissen, welche sorte techno mich aktuell am meisten mitreißt und die auswahl darauf basierend zu stricken. wäre verrat an mir selbst, für mich bestenfalls mittelmäßige tracks aneinanderzureihen. dann doch lieber etwas kantiges oder meinetwegen auch bewährtes.
aller vorhandenen aufregung im vornherein zum trotz ist eine gewisse gelassenheit und ein vertrauen in meine fähigkeiten an die stelle des perfektionismus getreten. und das ist echt ein fortschritt.

soviel zum positiven. es gibt auch die stressige kehrseite: ich habe in den zwei wochen einmal mehr zu spüren bekommen, dass das mit dem auflegen (und dabei habe ich nicht mal mehr ernsthafte karriereambitionen) ein job ist, der trotz teilzeit beim broterwerb nicht mal so nebenher zu machen geht wie noch während des studiums. zumal es damals ™ mitte der 2000er-jahre noch übersichtlicher war. digitales auflegen war noch nicht so etabliert, vinyl limitierte die möglichkeiten beim kauf durch das budget und beim gig das zu bewegende gewicht.
als berufstätiger ist mein budget heute etwas besser, die digitalisierung ermöglicht den kauf von mehr musik denn je zuvor. parallel dazu wachsen die technischen möglichkeiten. es gibt also vor und von allem eine überwältigende auswahl. gerade die vorbereitung auf die staub hat mir in der hinsicht grenzen aufgezeigt bzw. verdeutlicht, dass ich mich auch abseits von anlässen um meine sammlung kümmern müsste. stetige einkäufe bei bandcamp oder boomkat sowie digitalisierung von vinyl ist schön und gut. jedoch hieß das in den letzten monaten in den meisten fällen, dass dateien in einem temporären ordner verblieben sind und ich rekordbox nicht kontinuierlich mit neuzugängen gefüttert habe. die sind zunehmend weniger techno im eigentlichen sinne und mittlerweile häufiger breaks oder ambient. bei den meisten der neuerwerbungen brauche ich mehrere durchgänge, um mich daran zu erinnern, wie sie klingen. und da gebe ich mir schon mühe, nach dingen zu filtern, deren musikalische halbwertszeit mehr als zwei wochen betragen.
die flut an mittelmaß ist in den jahren nach der pandemie nicht kleiner geworden – eher im gegenteil. der überfluss auf allen kanälen war bereits vor der pandemie überwältigend, und es ist seitdem nicht besser geworden. gefühlt für mich eher im gegenteil: es herrscht bei mir überforderung auf der einen sowie (trotzreaktion) wachsendes unverständnis bezüglich redundanz auf der anderen seite. als abwehrmechanismus fällt es mir zunehmend leichter, bei neueren techno-veröffentlichungen rigoros auszusortieren. da stellt sich auch mein schlechtes gewissen hinten an, das mir vorwirft, nicht aktuell genug zu sein. insbesondere wenn aktualität heißt, sets zu spielen, die von tracks mit mittelmäßiger inhaltlicher qualität geprägt und damit stereotyp sind.
auf die gefahr hin, wie ein clubveteran zu klingen, der immer die gleiche platte(n) auflegt, wenngleich ich die explosion anfang/mitte der 1990er nicht mitbekam: das staub-set hat gezeigt, dass es auch heute noch sehr wohl möglich ist, mit einer auswahl an tracks zu bestehen, von denen zwei drittel vor 2010 erschienen sind. gerade die tracks aus den 1990ern bringen mehr brachialität und naivität mit als das meiste, das heute als ergebnis eines reißbrettentwurfs auf den markt geworfen wird. zugleich bin ich mir des widerspruchs bewusst, einen guten teil an tracks beim neueinkauf, aber auch beim durchforsten der sammlung nach ihrer verwertbarkeit zu welchem set an welchem ort zu welchem zeitpunkt auszuwählen und damit ähnlich reißbrettartig zu verfahren. anscheinend hat’s auch bei mir gedauert, die tatsache endgültig zu akzeptieren, dass die entwicklung im techno mittlerweile eher in nischen stattfindet, techno an sich längst aus dieser nische herausgetreten und gerade in berlin in den mainstream gesickert ist. mit allen begleiterscheinungen, die das musikgeschäft so mit sich bringt.

zum stand der szene habe ich mich passenderweise nach der dezember-staub von 2022 geäußert. und deren entwicklung sehe ich mit ausnahmen (awareness als wachsende selbstverständlichkeit in clubs, die auch in andere stile einzusickern beginnt und mir als cis-typ diverse male den spiegel vorhält) nicht in die positive richtung gehen. inflation sowie gentrifizierung haben und werden in berlin narben hinterlassen. und als ob das alleine nicht schon genug nervt, kommt noch durch eine konsumhaltung dazu, bei der social media die erwartungen an eine reproduktion des bekannten befeuert. nicht zuletzt eine generationenfrage. die generation z ist mit techno als ein stil unter vielen aufgewachsen, ohne dass das subversive, schockierende element vorhanden war, das manche in den 1990ern mitgerissen hat. codes sind wie in jeder vorangegangenen, einst bahnbrechenden musikrichtung etabliert – mensch kann sich da bedienen.
musikalisch-inhaltlich herrscht auf den tanzflächen bei techno jedoch zumeist stagnation. die tatsache wird durch social-media-wirksame inszenierungen fast schon wörtlich ausgeblendet – und es fruchtet, nach wie vor. das macht vieles jedoch berechenbar (wehe, es wird am sonntagabend einer klubnacht nicht gas gegeben), booker*innen sowie clubs inszenieren partys nach von konzerten oder festivals bekannten bzw. zu erwartenden schemata, das djs in den vordergrund hebt, auch wenn das publikum die eigentliche party ist.
meine resignation all dem gegenüber ist bekannt und wächst vielmehr, weil ich kein bestandteil dieser verwertungsmaschine, für social media bzw. generell zu wenig rampensau und zu sehr auf inhaltliche herausforderungen abonniert bin. ich seh das alles in absehbarer zeit nicht besser werden, wenn mensch sich den neu hinzugekommenen schweren stand vergegenwärtigt, den clubs auch hier mittlerweile haben. waren dies früher ™ horte von avantgardistischen nächten sowie experimenten, müssen diese selbst mittlerweile marketingfreundlich verpackt werden. etablierte läden können das durch normal gut laufende wochenenden gut querfinanzieren, andere müssen schauen, ob sie sich den luxus überhaupt leisten können. glücklicherweise hat die staub (um den bogen zurück zu schlagen) sich den etabliertenstatus erarbeitet, dass sowohl macher*innen als auch publikum eine gewisse offenheit mitbringen, wobei auch ausnahmen die regel bestätigen (electro auf dem mdf im januar).

für mich ist es momentan eine situation zwischen den stühlen. der szene fühlte ich mich zwar noch verbunden, ziehe aber aus konzerten momentan eher für mich nutzen. in den kanon des abfeierns von redundanz möchte ich nicht einstimmen, andererseits auch nicht unter der beschwörung des geistes der 1990er mit den dazugehörigen tracks zum abziehbild eines mittelalten weißen cis-typen werden, der die kritiklose konsumhaltung der jungen leute nicht versteht. einerseits fehlt mir musikalisch und auch clubtechnisch was neues, andererseits habe ich definitiv nicht die kreativität und energie, einen wie auch immer gearteten wandel selbst zu gestalten.

all dieser vermeintlichen negativität zum trotz: in der rolle des neutral beobachtenden außenseiters, dessen meinung bei manchen leuten zählt, fühle ich mich zunehmend wohler. erst recht viel mehr als derjenige, der im hintergrund dafür sorgt, dass manche fäden zusammenlaufen. und (konkret auf die zwei september-sets bezogen) glücklicherweise immer mehr hinter cdjs und mixer, wenn ich merke, dass ich es mit einer mehr oder weniger altbackenen, dafür authentischen auswahl doch irgendwie den ton zu treffen, der nicht unbedingt die massen, dafür aber loyale leute anzieht. und das ist ein standort, der mir an sich erstmal reicht.

notierte tracks

irakli
mathew jonson – magic through music

chloe lula
planetary assault systems – rip the cut (the lady machine remix)

katya milch
scuba – ruptured (surgeon remix)
chevel – alicia

shawescape
aux 88 – my a.u.x. mind
alden tyrell – digger btz
aux 88 – direct drive

[berlin / 08.09.2024] about blank: zehn jahre bewegungsfreiheit

jawohl, richtig gelesen. zehn jahre sind es bereits, und seit mehr als der hälfte darf ich hinter den kulissen mitmischen. das heißt in den letzten jahren immer mehr, agenturen hinterherzurennen bzw. nach namen zu schauen, die noch nicht so bekannt sind, damit sie noch erreichbar sind. oder auf vorhandene loyale langzeitgäste zu bauen.
es heißt auch, dass sich die gründe, weshalb die bewegungsfreiheit ins leben gerufen worden ist, nicht in wohlgefallen aufgelöst haben – vielmehr im gegenteil: die eh schon unhaltbaren umstände zeigen sich verschlechtert. eine menge anlass, das engagement fortzusetzen. jedoch zeigen sich auch bei uns verlagerte prioritäten, müdigkeit sowieso. wir müssen realistischerweise feststellen, dass die organisation längst nicht mehr so einfach ist wie vor der pandemie und auch der zulauf nicht auf dem niveau ist, das uns vor fünf, sechs jahren verwöhnt hat.
persönlich muss ich beim blick auf die szene feststellen, dass mir neuere namen immer seltener geläufig sind. ideen- und impulsgeber war ich seit jeher nicht, und gerade das braucht es, wenn hiesige partyreihen bestehen wollen.

ohne lange drumherum reden zu wollen: das zehnjährige der bewegungsfreiheit markiert auch das ende als alleinstehende partyreihe. wir werden jedoch nicht von der bildfläche verschwinden, sondern gemeinsam mit anderen kollektiven von uns hören bzw. sehen lassen. aber erstmal der ganz persönliche sommerausklang, tagsüber im lieblingsgarten.

garten
12:00 i.nez
15:00 andré dancekowski
18:00 karete bu
20:00 alex.do b2b hks97


beachfloor
15:00 tombola
15:30 eva
17:00 eterna_l
19:00 pete

zelt
22:00 stype

eintritt
von 12:00 uhr bis 14:00 uhr: 10 euro
ab 14:00 uhr: 18 euro

[berlin / 31.08.2024] berghain: klubnacht

der montag ist arbeitstechnisch freigeräumt, der ablauf verrät den grund.

klubnacht

berghain
00:00 etapp kyle
04:00 barker live
05:00 answer code request
09:00 nastia reigel
13:00 hemka
17:00 amoral
21:00 anika kunst
01:00 pete

panorama bar
00:00 binh
04:00 alinka
08:00 budino
12:00 pause, es geht im garten weiter
19:30 âme
00:00 alex kassian

garten
12:00 yamour
16:00 gerd janson

säule
21:00 rex the dog live

eintritt
26 euro

nachbetrachtung

ich war das erste mal seit ewigkeiten zwei mal da (premiere: den wiedereintritt gezahlt, passenderweise war der aufkleber mit „wo ist der ausgang?“ beschriftet).

erste schicht: 11:45 uhr bis kurz nach 15:00 uhr. da hatte sich die schlange von „quasi nicht existent“ bis „alle welt will zu gerd“ entwickelt.
zweite schicht: 22:15 uhr (somit leider rex the dog verpasst) bis 8:15 uhr.

in der ersten schicht nichts wirklich nennenswertes. nastia reigel melodisch mit tribal-elementen, hemka fand ich für die uhrzeit zu heftig. yamour machte das draußen wesentlich unaufgeregter, ich kann jedoch mein eh spärliches house-wissen nicht in die waagschale werfen und auch nicht mit erkenntniszuwachs dienen (vulgo: „nichts erkannt, nichts shazamt“).

den kommentaren auf reddit oder telegram zufolge scheint mein timing bei der rückkehr ganz gut gewesen zu sein. erneut: keine wirkliche schlange für neuankömmlinge, für wiederkehrende sehr überschaubar. sah (spät-)nachmittags mit einer schlange bis zum park wohl anders aus.

die sonntagabendliche fülle gab es, aber hielt sich im vergleich zu manch anderen gelegenheiten mit zugkräftigeren namen auf dem line-up wirklich im rahmen. auffallend viele queers, was an der slit-party nebenan im lab gelegen haben dürfte, die explizit für flinta*-personen gedacht war und wohl ziemlich gut ankam.

zur panorama bar kann ich nicht sonderlich viel sagen. bei âme überbevölkert und stickig, bei alex kassian gerade in den morgenstunden luftige abstände auf der tanzfläche, er zuweilen mit piano-house – die house-connaisseur*innen müssen beurteilen, ob das ein abschluss nach ihrem gusto war. meinem eindruck nach hatte er das alles sehr souverän im griff.

mein zweiteindruck von anika kunst war genauso überzeugend wie der erste bei ihrer premiere vor ort im februar. sie spielte zum dritten mal, und es würde mich wundern, wenn sich daraus keine regelmäßigkeit entwickelt. das war mal melodisch, mal dubbig-chordig, mal rauh, stets treibend – sprich: abwechslungsreich. immer noch komplett mit vinyl und technisch sowas von sauber, dass ich schon fast geneigt bin, sie als neuentdeckung des jahres zu sehen – zumindest als dj im techno-bereich. ich behalte sie weiterhin auf dem schirm.

pete wie immer eine bank, wobei ich sagen muss, dass mir sein set auf der staub drei wochen zuvor besser gefiel, da das spürbar abwechslungsreicher war. im berghain sehr treibend, stellenweise aber auch trocken bzw. manche loops etwas ausgedehnt. ist bei der langstrecke eines closings verständlich, mir hat leider etwas die dynamik gefehlt. dennoch: zwischendrin mal dubstep mit 4/4-kick unterlegen (shazam hat in fast allen fällen bei ihm kapituliert – irgendein track mit flowdan war es) und zu sehen, dass das auf der tanzfläche funktioniert, steht auf der haben-seite.
für seine verhältnisse solide, damit lässt er den durchschnitt nach wie vor hinter sich.
schluss war um ziemlich genau 8:11 uhr. kam für mich etwas abrupt, weil er bis zum schluss ordentlich fordernd spielte, wobei das immer noch zahlreich vorhandene publikum (in der panorama bar war gegen 7:30 uhr schluss, so dass weite teile vom rest noch runter kamen) hierbei noch extra motiviert haben dürfte.
wirklich angenehm wurde es auf der tanzfläche so ab 5:00 uhr, wo kein durchschlängeln mehr erforderlich war. auch das nehme ich als lerneffekt mit, sofern ich irgendwann mal vielleicht wieder den abschluss mitmache. zwar bereue ich es keinesfalls, mein überstundenkonto dafür halbiert zu haben. zugleich steht für mich jedoch sowas von fest, dass das weder ein dauerzustand werden soll, noch meine welt wird. als ausnahme ist es zwar ganz schön, dass ich mir ein quentchen eskapismus gönne – andererseits hatte ich davon in den bald zwei jahrzehnten an diesem ort genug. in der hinsicht sollen sich andere gerne ausleben.

trackauswahl

anika kunst
reeko – the woman of black glove

alex kassian
aril brikha – groove la chord

pete
source direct – black rose (blawan remix)
basic channel – octagon
monrella – shank
overmono – lockner union
joey beltram – the start it up (mit overmono gemixt)
joey beltram – tenfour
caustic window – the garden of linmiri
basic channel – phylyps trak
dj rush – give me a dollar
dj rush – playin‘ kinda rough
regis – surface
kryptic minds – 768

[berlin / 23.08.2024] flughafen tempelhof: die ärzte – omg lol

das kam jetzt unverhofft. aber der zufall will es so, dass ich sie schon einen tag vor dem eigentlichen termin sehe, für den die tickets seit wochen hier liegen. und nein, die nachlese zum astra kommt erst, wenn tempelhof absolviert ist. wer sich vorher schon ein stimmungsbild machen möchte, wird auf entsprechenden kanälen fündig.

16:30 shirley holmes
17:30 girlschool
19:00 die ärzte

nachbetrachtung

war kurz nach 17:30 uhr vor ort, aber erst nach dem ende von girlschool drinnen. schon wieder eine band, die mir bislang nichts sagte – ähnlich wie bei ruts dc in der wuhlheide vor zwei jahren. wäre mit waschechter punk-sozialisation seit den 1980er-jahren bzw. gründlich gemachten hausaufgaben meinerseits wohl anders. ist jedoch schön, dass die „super drei“ diese bildungslücke in so einem rahmen schließen. würde mir jedoch für girlschool als solo-band auf dem line-up kein ticket kaufen.

von den vier august-konzerten, die ich mitbekam, ist der tempelhof-freitag mein heimlicher favorit. der offizielle und auch irgendwie offensichtliche ist das astra-konzert.
was den freitag so gut machte: die nervosität der drei – war anfangs noch spürbar, legte sich ziemlich schnell. zeigt jedoch, dass sie die dimensionen nicht als selbstverständlich sehen.
mit wesentlich mehr gewicht (wofür mensch auch gerne mehrmals hintereinander zu ihnen geht): der diverse male auftretende überraschungseffekt, der gelegenheitsbesucher*innen nicht zu sehr vor den kopf stieß und selbst die ultra-fraktion überraschte. sie haben es selbst in einem rahmen von 50.000 leuten nicht gescheut, in ihrer diskographie nach lange nicht mehr gespielten liedern zu wühlen.
da wäre das bereits erwähnte „super drei“ direkt nach „nicht allein“ als intro. später ging’s „zum bäcker“, was anstelle des in den letzten jahren häufiger gespielten „zitroneneis“ kam. „motherfucker 666“ von „le frisur“ hört mensch auch nicht alle tage, „das letzte lied des sommers“ gab’s im festsaal und im astra und klang hier sehr rund – war nur leider an den restlichen tagen nicht mehr im set.
„westerland“ habe ich live von ihnen tatsächlich noch nie gehört. verleitet manche ultras vielleicht zum naserümpfen – ich habe mit dem stück keine probleme, mich daher lieber von der guten stimmung anstecken lassen und einfach mitgesungen. bei „leben vor dem tod“ hatte ich etwas im auge, bei „gehn wie ein ägypter“ erstmals ungläubig gestaunt, dass sie das tatsächlich mal spielen. und „bitte bitte“ in der originalversion als new-wave-band mit rod hinter einer synthie-burg sowie bela mit keytar und farin mit metropolis-artigem kopfschmuck hatte keine*r auf dem zettel. was auch die bdsm-setlist vervollständigte, in der zuvor schon „sweet sweet gwendoline“ und „mondo bondage“ aufgetaucht waren.

eine gute mischung aus raritäten und hits für die masse – die albernheiten inklusive. ich hätte mich geärgert, wenn ich die setlist im nachhinein nur gelesen hätte, ohne selbst vor ort zu sein. hat die messlatte für die folgetage sehr hochgelegt.