[wuppertal / 23.02.2024] open ground: clubnight

wuppertal war bislang überhaupt nicht auf meiner club-landkarte. dort hat ende 2023 unweit des hauptbahnhofes das open ground unter regie eines ehemals beim hardwax involvierten mitarbeiters eröffnet, was auch das bisherige booking gut erklärt.
nach dem, was mensch so hört, wurde eine menge mühe in die optimierung der akustik gesteckt. es liegt also nahe, sich das bei den protagonisten zu gemüte zu führen.

clubnight
don williams
stojche
deniro

start
23 uhr

eintritt
bis 0 uhr 15 euro
ab 0 uhr 20 euro

nachbetrachtung

die zentrale lage ist wirklich nicht übertrieben. wäre ich als ortsunkundiger auf dem hinweg nicht etwas umständlich gelaufen (über die obere ebene des bahnhofs anstatt nach unten durch die bahnhofshalle), wären es tatsächlich nur zwei minuten bis zum club. so war’s doppelt so lang. auf dem rückweg hatte ich es dann begriffen, ist für zukünftige besuche also gemerkt.

damit sei ein teil des fazits schon mal vorweggenommen: sobald zeit und booking stimmen, schaue ich da wieder vorbei. es gibt jedoch eine menge „aber“. allem voran wird das open ground einen sehr langen atem brauchen. mensch merkt bereits beim gang zur treppe hinab zum eingang, dass einiges in den ausbau investiert worden ist, was sich drinnen erst recht bestätigt. als ottonormalberlinraver erwartet mensch bei einem ehemaligen tiefbunker unverputzte betonwände, freiliegende rohre und im besten falle robuste sitzgelegenheiten, die nicht aus wohnungsauflösungen zusammengesucht worden sind.
stattdessen wird über einen bloßen techno-club hinausgedacht. spiegelt sich im booking erst ansatzweise wider, aber das interieur vermittelt ganz klar, dass es eine kulturstätte mit entsprechendem prestige sein soll. gedämpftes orangenes licht allerorten, holzbänke mit sitzkissen im großzügigen foyer, das am ende von einer zu 360 grad offenen bar flankiert wird. daran schließt sich der lange gang zum freifeld an – von nischen gesäumt, die auch großzügig genug sind, um sich dort mit mehreren leuten niederzulassen. noch einmal links abbiegen, rechterseits die zweiten toiletten (wohlgemerkt: mit automatikspülung!) und am ende des ganges die tanzfläche finden.

die raumaufteilung beim freifeld ist potentiell unglücklich. direkt gegenüber des eingangs befindet sich die bar. dazwischen die tanzfläche, links eine bühne für zukünftige konzerte, die im clubbetrieb jedoch ziemlich verwaist ist und von zwei funktion one stacks gesäumt ist. zwar kann mensch sich dort hinsetzen, aber da dieser bereich zumindest an dem abend spärlich beleuchtet war, wurde mir nicht klar, was sie bei clubnächten für einen zweck erfüllen soll. rechts das großzügige dj-pult mit lj am ganz rechten ende – ideale arbeitsbedingungen. da sowohl der zugang zur tanzfläche als auch zur bar relativ breit sind, ist jedoch die gleiche gefahr wie in der lobby des about blank als durchgangsstation zur toilette gegeben. es gibt noch eine kleinere bar direkt vor dem eingang zum freifeld, aber die war an dem abend nicht besetzt.
bereits weithin gelobt, kann ich auch bestätigen: der klang. dem wird im open ground alles untergeordnet, also auch die raumarchitektur. im gesamten club (ausnahme: die toiletten) sind absorber an den wänden verbaut. führt dazu, dass mensch sich im foyer bei gedämpfter musik vom freifeld sehr gut unterhalten kann. auch auf den gängen geht das super. auf dem freifeld an sich ist der klang (mit 15-db-filtern) sehr räumlich und transparent. verbaut sind neue evo-komponenten von funktion one, vierpunktbeschallung, die subs stehen auf der vom dj gegenüberliegenden seite vor der bühne. mensch kann sich seinen sweet spot suchen, wo es mal mehr, mal weniger bass sein soll, aber das räumliche bleibt. ohne gehörschutz (getestet bei deniro, kurz bevor ich gegen 6:45 uhr ging) wäre mir es jedoch zu schrill gewesen.
das licht besteht aus ein paar scannern und sonst aus einem led-lichthimmel, womit die grellen strobo-effekte als bestandteil der techno-dna wegfallen. nicht weiter schlimm, kann ggf. nachgerüstet werden.

sehr positiv hervorzuheben ist das personal. fängt schon (und das ist nicht selbstverständlich) bei der tür an, die einen gleich mit einem „schönen abend“ begrüßt und hineinbittet. die garderobe ist kostenlos und interessanterweise vor der kasse positioniert, an der mensch den eintritt zahlt. ist auch der einzige ort, an dem bargeld eine rolle spielt. an bars wird kontaktlos gezahlt – entweder mit clubkarte, die mensch direkt am eingang kaufen und aufladen kann oder gleich per nfc auf dem smartphone. auch awareness wird nicht nur auf der website ernstgenommen, sondern aufdringliche herren freundlich, aber bestimmt hinausgebeten (so geschehen bei einem exemplar dieser gattung, das frauen von hinten antanzte und dabei auch beide arme um sie legte). beim publikum überwogen männer, von anfang 20 bis ende 50 alles dabei, wenn auch nicht gleichmäßig verteilt. füllgrad war bei ca. 300 leuten, was für einen freitag okay ist, aber auch die notwendigkeit für den besagten langen atem verdeutlicht. hatte ich kurz nach dem wechsel auf deniro (gegen 5 uhr) noch die sorge, ob die party bis 6 uhr überhaupt noch tragfähig ist, blieb ein harter kern auf der tanzfläche, so dass es noch stabil bis 7 uhr weitergehen konnte.

anteil daran wird das techno-geprägte booking getragen haben. alle drei passten nicht nur auf dem papier gut zueinander. war irgendwie schon vorher klar, hat sich vor ort nur bestätigt. don williams zum anfang dubbig, später fordernder. damit auf stojche hinarbeitend, der sehr sicher mit vinyl mixte und dabei tempo machte. fan von deniro werde ich auf absehbare zeit nicht, aber nach der ersten basic channel bekam er mich für einige minuten dennoch.

damit ist die stärke des clubs benannt, die hoffentlich nicht zu dessen fluch wird: das programm ist so fein ausgesucht, dass das open ground zu einer der ersten adressen gehören würde, bei denen ich das programm für den nächsten monat checke – wenn der club denn in berlin wäre. und selbst hier wäre klar, dass die hardwax-prägung durchkommt, was auch in hiesigen breitengraden durchaus was für liebhaber*innen ist – gerade bei bass-music.
stark polemisierend könnte ich sagen, dass exil-berliner mit dem open ground in einer westdeutschen mittelgroßen stadt zeigen wollen, wie eine clubhochkultur mit booking nach ihrem geschmack bei glasklar austariertem sound in einem durch und durch designten laden aussehen soll. und damit bin ich genau bei dem punkt, an dem ich den betreiber*innen den langen atem wünsche: wo in diesen tagen musik und sets auf social-media-momente optimiert wird, ist es sehr couragiert, einen club zu eröffnen, der sich bewusst dagegen stellt und djs mit hohem qualitätsanspruch bucht. und dabei auch über techno hinausgeht, indem drum & bass, dubstep und uk-breakbeats die tür geöffnet wird. das ist alles wirklich sehr gut gemeint, birgt aber die gefahr, dass das im ruhrgebiet untergeht. im idealfall könnten sich die leute aus dem einzugsgebiet auch sagen, dass sie dafür nicht mehr nach berlin fahren müssen – die würden jedenfalls gute voraussetzungen vorfinden, um die musik genießen zu können.

„gut“, weil: atmosphärisch fehlt dem open ground für mich der anziehungsfaktor. es wirkt für mich eine spur zu glatt bzw. mit den absorbern, die den betoncharme verdecken, sehr auf den sound dressiert. das hätte bei 500+ gästen an dem abend wohl anders ausgesehen, weshalb ich darauf hoffe, dass die lobeshymnen auf sound, booking und personal in den nächsten monaten soweit die runde gemacht haben werden, dass sich sowas wie ein stammpublikum herauskristallisiert. dafür hilfreich wären residents aus dem ruhrgebiet, wo sich die fixierung auf die ballungsräume der letzten jahre zeigt, wonach djs aus frankfurt oder köln durchaus bekannt sind, aber bei dortmund oder essen überlege ich vergeblich.
ich bin vorsichtig optimistisch, dass es auch in dem einzugsgebiet leute gibt, die den ansprüchen genügen. bislang sehe ich als regelmäßige vertreter*innen im line-up jedoch eher die aus dem hardwax-umfeld bekannten gesichter, die aus berlin herüberfahren. und wenn bass-music hier schon entsprechend eingebettet werden muss, damit es funktioniert, wird sie im ruhrgebiet erst recht einen schweren stand haben. es wäre daher gut, ein stabiles techno-booking zu fahren, dabei residents aufzubauen und einen samstag im monat dann leute von der insel einzufliegen. ich wäre sehr gespannt darauf, wie die anlage das transportiert.
außerdem: wenn neben ohrenstöpseln auch kondome kostenlos an der garderobe zu bekommen sind, müssten auch in richtung sexpositivität schritte unternommen werden, damit pärchen abseits der nischen im gang zum hauptfloor gelegenheiten bekommen. da ließe sich mit verschiebbaren wänden auf der bühne des freifelds was machen.
zudem, und wahrscheinlich einfacher gesagt als getan: macht die vorausplanung bitte einfacher. termine werden zuweilen erst ein paar wochen im voraus bekannt gegeben, wohingegen mensch bei den bekannten clubs der republik bereits anfang des vormonats weiß, wie der nächste aussieht. stand 13. märz 2024 weiß mensch nur, wie es bis zum 20. april 2024 aussieht. darunter ist bspw. mit dem 29. märz ein ambient-listening angesetzt, was ein weiteres zeichen dafür ist, dass musikalisch weiter als nur pure unterhaltung gedacht wird. aber wenn leute aus berlin, hamburg oder köln gelockt werden wollen, müssen die idealerweise zeitnah nach veröffentlichung der line-ups ihrer lokalen lieblingsclubs (oder kurz danach) wissen, auf was sie sich im kommenden monat im open ground freuen können.

notierte tracks (*: shazam)

don williams
vladislav delay – recovery idea (the mike huckaby synth remix)
g-man – sparticus
surgeon – balance
aphrohead – in the dark we live (dave clarke’s 313 mix)
four lovers – #2 (a1)

stojche
dj deeon – extac (909 rzi session)
ignacio – chios*

deniro
cyrus – enforcement

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