[berlin / 19.11.2016] berghain: klubnacht

montag frei. ist also klar, was das heißt. werde aber (je nach fitnesszustand nach autechre) nachmittags zu pete erst da sein, so zumindest der plan.

klubnacht

berghain
00h00 rivet
04h00 sebastian mullaert & ulf eriksson live
07h00 tm404 live
08h00 ulf eriksson
11h00 ryan elliott
14h00 pete
18h00 caleb esc
22h00 dax j
02h00 somewhen / freddy k

panorama bar
00h00 stereociti
04h00 stephen brown live
05h00 chez damier
09h00 hny
13h00 bassdee
17h00 sven weisemann
21h00 christopher rau
01h00 oracy

eintritt
16 euro

nachbetrachtung
zwei erkenntnisse des sonntags / montags:

1. um mit dem negativen anzufangen: ich erlebe scheinbar meine (x-te) techno-sinnkrise. mal abgesehen vom skee mask-set, den dettmann-auftritten und pete sowie kobosil zu beginn des jahres hatte ich eigentlich die meiste zeit sonntags unten das gefühl, dass hier irgendwie mehr drin wäre. die freitage will ich da explizit ausnehmen – die sind erklärtermaßen den experimenten vorbehalten und da freut’s mich, dass die acts das auch konsequent beherzigen. meine leise hoffnung war, dass das auch ein wenig auf den sonntag abfärbt, aber da haben die meisten in diesem jahr (wenn ich da war) eher auf nummer sicher gespielt. das hat aber auch mit einem gewissen übersättigungsgefühl zu tun: als langjähriger käufer von techno-veröffentlichungen, der schon in diversen subgenres an innovationsgrenzen gestoßen ist, bleibt es wohl nicht aus, dass immer häufiger der eindruck entsteht, alles sei schon mal dagewesen. damit habe ich mich gewissermaßen auch abgefunden. mir scheint halt momentan nur der unausgesprochene konsens darin zu bestehen, dass die in den vergangenen jahren populär gewordenen djs es sich in ihrer nische eingerichtet bzw. bequem gemacht haben und dabei vergessen, dass der blick zurück oder seitwärts durchaus bereichernd sein kann.
das scheint aber der zeitgeist zu sein. die leute beschweren sich ja eher darüber, wenn jemand es wagt, in einem techno-set auf einmal autechre oder dubstep zu spielen und feiern die (für mich kaum wahrnehmbaren) nuancen bei warm up / pole group, stroboscopic artefacts oder figure. das ist auch ok und nicht als generalabrechnung gedacht – schließlich ist das eine komplett neue generation, die anders an techno herangeführt worden ist als die kinder der 1990er, und selbst bei denen gibt es unterschiede. was aber früher scheinbar selbstverständlicher war, tritt heute eher in den hintergrund: diversität findet über einen abend verteilt über diverse acts, jedoch nicht mehr in den einzelnen sets statt. mir fehlte (der fairness halber: nicht nur sonntags im berghain) diverse male der überraschungsmoment oder es war mir – wie bei pete an diesem sonntag – einfach nicht treibend genug, bzw. wenn, dann leider nur kurz phasenweise, so dass ich eher mit dem wunsch zurückblieb, dass noch etwas draufgesetzt würde, um die leute herauszufordern. gerade das passiert für mich sonntags leider zu selten. meistens sieht es so aus, dass man in vier stunden einen substil durchkonjugiert bekommt und beim nächsten slot das gleiche passiert, und im schlimmsten fall handelt es sich dabei ebenfalls um „industrial leaning techno“ oder (schlimmer) „big room dj tool techno“. ich hab mit beidem keine probleme, wenn der-/diejenige an den reglern auch erkennt, dass es schnittmengen gibt, aus denen sich richtig gute kombinationen zaubern lassen. aber beim gros der aktuellen tracks und auch sets fehlt(e) mir einfach der wiedererkennungswert.
ist allerdings auch eine typenfrage, womit wir wieder bei der erkenntnis wären: die vielfalt innerhalb eines sets macht’s für mich aus, weshalb sven weisemann für mich an diesem abend absolut hervorsticht. es innerhalb einer halben stunde von fleetwood mac („dreams“) direkt zu „plastic dreams“ von jaydee dann zu convextion („miranda“) bzw. e.r.p. (irgendeine frustrated funk, die ich noch nicht habe) zu schaffen, zeugt nicht nur von breitem musikalischen interesse und mut, sondern auch von können, weil’s den flow nicht störte. leichten punktabzug gibt’s für die langgezogenen filterspielereien und den gerne über mehrere takte herausgenommenen bass, was sich seit herrn hawtin ab mitte der 2000er-jahre eigentlich erledigt haben sollte – aber auch das ist eine frage des individuellen ansatzes als dj. solange die auswahl stimmt und es mich nicht allzu sehr stört, lässt sich darüber hinwegsehen. er hatte mich eh spätestens, als er „changes“ von mala (stark heruntergepitcht) brachte. klar verstanden das nicht alle, aber das risiko besteht immer – daher umso besser, wenn jemand das eben mal eingeht.
dicht dahinter für mich oracy, den ich erst wieder so ab 3:30 uhr mitbekam und sich auch nicht zu schade war, neben mir unbekannten garage-tracks („hyperfunk“ von antonio bspw., was direkt in die wantlist gewandert ist) auch einfach mal „turn around“ von phats & small zu spielen. es war zu dem zeitpunkt oben schon im schnitt bedeutend weniger los als unten, was aber der musikalischen qualität und auch erst recht der stimmung keinen abbruch tat. dank stets parater discogs-app (man muss die vorteile der digitalisierung ja auch mal loben) wurde die wantlist mal wieder nicht kleiner. mein bild von anthony shakir als gnadenlos unterschätzten produzenten sah sich durch „sonar 123“ auf peacefrog einmal mehr bestätigt, kurz darauf spielte er „tricky disco“, und auch ein track von melon („nitzi (in my mind, so fine)“) brachte zuvor noch meine augenbrauen nach oben. „running from love“ von the other people place lässt (wie jeder andere track des albums) mir ohnehin immer das herz aufgehen und mit „love (loved)“ von luke slater als vorletztem track vor dem rausschmeißer wurde es sogar nochmal richtiggehend technoid. somit geht er für mich im fotofinish dicht hinter herrn weisemann ins ziel. das bisschen, das ich zuvor von bassdee mitbekommen habe, klang auch nach jahrelang angeeignetem erfahrungsschatz („the pressure cooker“ von md3 habe ich in der kurzen zeit als einziges erkannt), aber für eine tiefergehende beurteilung reicht es einfach nicht.
unten hat’s mich wie erwähnt nur phasenweise mitgerissen. charmant fand ich die amen-breaks am ende des elliott-sets. pete war dann am besten, wenn die kickdrum richtig dick war, leider wirkte er im aufbau etwas ziellos. zugegeben: der slot am nachmittag ist nicht der einfachste, andererseits habe ich zu der zeit auch schon glanzlichter von ihm gehört, wenn er nicht geradlinig spielte, sondern seine aus wax treatment-podcasts bekannten breakbeat-tracks eingebaut hat. das blieb hier jedoch in der allzu vertrauten birmingham-schiene, auch wenn er endlich mal wieder „floaters“ von joey beltram spielte. tracks mit prägnanten melodiösen sequenzen waren ebenfalls dabei, jedoch eben so untergebracht, dass es mich nicht zwingend auf der tanzfläche hielt. nun ja, tagesform halt – sowohl seine als auch meine. in den kurzen phasen, in denen der bass die mauern richtig zum schwingen brachte, merkte ich, dass das genau das wäre, was ich jetzt bräuchte. andererseits war’s auch ok, es vor caleb esc nicht gleich damit zu übertreiben (dessen einstiegsplatte wohl „the passage“ vom kürzlich erschienenen shifted-album war, wenn mich nicht alles täuscht). ihn habe ich – jedenfalls in den fragmenten, die ich so mitbekam, da ich kurz nach dem ende des weisemann-sets nochmal zum krafttanken heimwärts bin – hingegen selten so perkussiv und hart spielen hören, wobei sich die letzten male auch auf den sommerlichen garten des about blank beschränken.
da es mich eher oben bei oracy hielt, bekam ich freddy k auch eher ab 7 uhr mit, als oben feierabend war. das war spätestens ab der letzten stunde (ab 10) sowohl musikalisch als auch stimmungstechnisch wieder rund, indem er den schluss mit „hit that perfect beat“ von bronski beat einläutete und kurz vor schluss einen guten schwung nicht ganz jugendfreier dance mania-platten spielte. interessant hierbei, dass die tanzfläche wenigstens noch zu zwei dritteln gefüllt war und es daher auch gut hätte weitergehen können, aber da zog der nachtmanager wohl mal eine klare linie, womit ich bei erkenntnis numero 2 wäre.

2. überaus positiv zu sehen: das berghain scheint neue grenzen zu setzen, nachdem zugesehen und -gehört worden ist. da rede ich nicht vom fotoverbot oder der null-toleranz-linie gegenüber ghb, übergriffen, verfassungsfeindlichen symbolen und allem anderen, was einen im nachtleben aus der balance bringen kann.
es war spätestens im letzten jahr offensichtlich, dass sich der sonntagabend zur eigentlichen spitzenstoßzeit gemausert hat, was ja anfangs noch faszinierend war – ähnlich der ersten erlebnisse, als sich sonntagmittag (später -nachmittag) abzeichnete, dass hier niemand gehen will. das führte nicht nur bei mir in den letzten monaten jedoch so weit, ab 21/22 uhr vorzugsweise die rolle des zaungastes einzunehmen, anstatt mittendrin in der masse abzufahren. die musikalische basis dafür war (trotz in punkt 1 geschildertem übersättigungseffekt) schon gut und gerne gegeben, alleine fiel es mir aufgrund des füllgrads und aller damit einhergehenden negativ-begleiterscheinungen wie den exaltiert tanzenden revierverteidigern oder der ellenbogenfraktion schwer, mehr oder minder ungestört unter vielen zu sein. ich habe kein problem mit vollen tanzflächen, wohl aber mit einem zustand, in dem ich das gefühl habe, meinen mühsam herausgesuchten drittel-quadratmeter verteidigen zu müssen und es nirgends aussicht auf besserung gibt – erst recht nicht, wenn der weg auf den jeweils anderen floor schon fünf minuten benötigt (von der klosituation für die damen erst gar nicht zu sprechen).
das allsonntagabendliche gruppenkuscheln und die klagen darüber (nachdem es anfangs aufgrund des erstaunens / der begeisterung deswegen wohl erstmal ruhiger blieb) scheint auch den betreibern nicht entgangen zu sein, so dass ich erstaunt war, zwar um 18:30 uhr noch eine ganz schön üppige schlange bis zum kiosk / häuschen vorzufinden, die für die kommenden stunden das übliche gedrängel erahnen ließ. jedoch bereits anderthalb stunden stand niemand mehr da – nicht mal bei der stempelschlange. kurzum: es wird ein einlassstopp verhängt, was stammgäste, listenplatz- und stempelhaber nicht betrifft. klar lässt sich befürchten, dass das ende daher wieder etwas näher rückt, die konsequenzen waren jedoch erfreulich: als ich gegen 21:30 uhr ging, konnte man auf beiden floors noch gut seinen platz finden. auch an der garderobe (die bald eine zweite etage bekommt) war zwar betrieb, aber längst nicht ein getümmel wie sonst. die eigentliche befürchtung sah ich widerlegt, als ich um 3:30 uhr wiederkam: auch wenn es in der panorama bar schon halbvoll war und somewhen ein gut gefülltes berghain vor sich hatte, tat das der stimmung keinen abbruch. im gegenteil: in der panorama bar kam ich nicht einmal in die verlegenheit, jemand anderem auf den fuß zu treten, und als es nach deren schließung unten etwas voller wurde, war es dennoch (ich mag’s ja kaum sagen, weil’s so wie graue eminenz klingt) wie früher, als es sonntags um die gleiche zeit ungefähr so aussah. sicher klafft da eine lücke zwischen 22 und 3 uhr, wo es mich schon interessiert hätte, ob es noch irgendwie stressig voll geworden wäre, aber das wird sich zu kritischen anlässen wie dem geburtstag herausfinden lassen. ich hatte jedenfalls den eindruck, dass sie lieber weniger einnahmen an der tür zugunsten eines geringeren füllgrades und somit eines von kundenseite angenehmeren erlebnisses in kauf nehmen – und das ist mehr als begrüßenswert. wird beobachtet, ob ich mich da getäuscht habe.

es gibt somit nur ein luxusproblem: die zwei erkenntnisse lassen sich schwer miteinander verknüpfen, aber vielleicht müssen sie das auch nicht. zumindest war es für mich nicht (mehr) zwingend notwendig, am sonntagabend bis zu dem punkt zu bleiben, den ich als arbeitnehmer gerade so noch gut mit meinem gewissen vereinbaren kann, wenn ich eh das gefühl hatte, dass die musik mich zwar schon mitreißen könnte, das ganze aber stimmungstechnisch von zu vielen (körperlichen) hindernissen geprägt war. das könnte jetzt zwar wieder schwieriger werden, wenn beides passt, aber im augenblick wird die konsequenz daraus als berghain-gänger (wie als käufer von musik) eher ins abseitige gehen. dafür gibt es die freitagsexperimente, die das berghain in den letzten monaten sukzessive ausgebaut hat. wer hier aufmerksam mitliest, wird mitbekommen haben, dass ich mit den musikalischen ergebnissen vom freitag, die weniger stunden als eine „normale“ klubnacht umfassen, häufig zufriedener war als an manchem sonntag. daher wird’s wohl so aussehen, dass ich das sich für 2016 abzeichnende verhältnis (hab gerade nachgezählt: inklusive neujahr war ich 13 mal da, davon fünf mal an einem freitag) beibehalten, wenn nicht gar zugunsten des freitags ausbauen werde. ich werde mir andererseits manche sonntagnachmittage oder -abende schon für die lieblings-residents vorbehalten, um zu schauen, ob ich deren musikalische qualität wieder etwas entspannter genießen kann. wenn sich die gruppendynamik drinnen durch vorzeitigen einlassstopp als etwas weniger hysterisch bzw. stressig herausstellt, kann das pendel zwischen freitag und sonntag auch durchaus wieder in der mitte zum stehen kommen. momentan aber bevorzuge ich herausfordernde inhalte, daher bleibt das augenmerk erstmal beim freitag, obwohl der 12. geburtstag dank der halle auch wieder viel gutes verheißt.

ach ja, im zuge der umbauten gehört die konstruktion in der säulenhalle – die als zusatzspielwiese für den darkroom oben gedacht war, bei großem publikumsandrang jedoch gerne mal als toilette gebraucht worden ist – der vergangenheit an. im augenblick dominiert dort nüchterne einfachheit mit dem bereits aus dem ostgut bekannten amboss als deko und den sitzbänken drumherum. kann meinetwegen auch so bleiben, andererseits wären ein paar der pritschen aus dem ostgut (die zumindest zu neujahr im lab zu sehen sind) auch nicht verkehrt, ohne dass der anfangszustand wiederhergestellt werden müsste.

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