sommerpause vorbei, alle formalitäten für den clubbetrieb sind erledigt, line-up passt – das schreit doch nach einer exkursion.
clubnacht
floor 1
orphx live
marcel heese
mareena
n.akin
floor 2
charlie smooth
dj xing
start
24 uhr
eintritt
10 euro
nachbetrachtung
schwierige gratwanderung mal wieder, unter dem gebot der neutralität zu berichten. da ist zum einen der hype, der durchaus auch von kollektivseite mit der startnext-kampagne und dem darin nicht gerade niedrig angesetzten anspruch generiert wurde. der hat durch die behördlichen warnschüsse, weshalb es statt einer mal eben drei eröffnungsfeiern gab, schon einen dämpfer erhalten, daher kam auch etwas allgemeine skepsis zur neugierde hinzu.
zum anderen gibt es die persönliche bindung: erstmal durch unclean, eine hälfte des leipziger duos dead baby in a plastic bag, die gerne mal mittwochs im tresor zu gast waren und dadurch neben der online-kommunikation auch mit marcel bekannt sind. wie das nun mal so ist, kommen darüber auch kontakte zustande, so dass die bekanntschaft im umfeld von 100 dezibel lautstärke aufgebaut werden kann. ähnlich bei franziskus, der die startnext-kampagne gestartet hatte – er wiederum hatte vor gut vier, fünf jahren im killekill-büro ein praktikum gemacht, daher lief man sich in berlin (meistens im berghain) sporadisch über den weg. er war es auch, der mich zum start der kampagne direkt anschrieb, die in meiner biographie seitdem als erste crowdfunding-kampagne steht, bei der ich etwas gespendet habe. steht hier alles bereits, es sei nur nochmal rekapituliert.
durch diese persönliche bindung kamen wir auch vor dem offiziellen start in den genuss einer ausgiebigen führung durch den club, die einen nicht ganz unerheblichen anteil daran hat, dass die neutralität vielleicht etwas auf der strecke bleibt.
zunächst mal die kritikpunkte, damit steige ich ja eh gerne ein:
- der „darkroom“ hinter dem eigentlichen floor in der ersten etage ist momentan eher eine grotte zum rumhängen. das gewölbe ist schon mal charmant und schön verwinkelt. aber damit dort etwas passiert, sollten vielleicht noch die accessoires wie vaseline und handschuhe hingestellt werden, wie das im berghain auch gehandhabt wird. zudem wären parties, die sich (unter anderem) an die lgbt-community leipzigs richten, nicht verkehrt.
- der housefloor wirkt etwas stiefmütterlich behandelt. keine frage: die bar darin passt, aber die tanzfläche wirkt eher wie daran angeschlossen, obwohl es eigentlich andersherum sein sollte. jedes mal, wenn ich dort vorbeischaute, taten mir die beiden get-deep-protagonisten etwas leid, weil manchmal niemand tanzte, sondern nur ein paar vereinzelte an der bar versammelt waren. eventuell (und da kommt die erfahrung aus dem mind camp in utrecht wieder hoch) wäre es ganz schön, das nicht als housefloor zu deklarieren, sondern als chillout- oder experimentierfeld mit jeder menge sitzgelegenheiten und visuals. bietet sich eh an, wenn die halterung für den beamer schon an der decke montiert ist.
das sind jedoch beides baustellen, die sie bereits selbst erkannt haben und auch so benennen. gerade bezüglich des darkrooms bestehen schon andere pläne, die auch schon sehr konkret sind. und da sich das projekt in der ersten richtigen clubsaison befindet, in der alle erstmal sehen müssen, was sich wie wohin entwickeln kann und ob überhaupt eine längerfristige akzeptanz gegeben ist, ist es – gerade bei einem kollektiv organisierten betrieb wie diesem – auch vielmehr sympathisch, dass nicht alles gleich von anfang an perfekt wirkt.
das wäre es auch schon mit dem gröbsten, denn sie haben bei den selbstdefinierten kompetenzbereichen tatsächlich eine ganze menge richtig gemacht.
fange ich beim offensichtlichsten an: dem hauptfloor – ein akustischer alptraum. quadratisch, kacheln, tragende säule in der mitte. aus clubgängersicht klasse, da er mit seinem industriecharme das untermalt, was musikalisch zu weiten teilen auf der agenda steht. die deckenlampen erinnern sehr an die alte panorama bar bzw. die berghain-kantine, mit den treppen muss man im dunkeln bzw. nebligen etwas aufpassen, sitzgelegenheiten gibt es nur auf den treppen zum notausgang, wodurch der raum danach schreit, sich im halbdunkel dem sound hinzugeben. und der ist (kann man nicht anders sagen) mit das beste, was mir in den letzten jahren so untergekommen ist. egal, an welcher stelle man sich befindet (ob vor, hinter oder neben der säule): der bass ist prägnant und das stereobild kriegt man überall ab. vielen wird als erstes der massive monolith an bassboxen neben dem dj-pult auffallen, der wenigstens drei meter hoch sein dürfte. das pult wirkt zwar noch etwas improvisiert, bietet aber platz für alles, was digi-djs und live-acts zugleich so brauchen.
dann gibt es noch den seitlichen trakt mit dem besagten „darkroom“ in der ersten etage und der hauptbar direkt gegenüber. auch da wären noch ein paar sitzgelegenheiten / hocker nicht verkehrt. im unteren geschoss trifft man auf die garderobe linkerseits, bei der auch offensichtlich wird, welchen einfluss das about blank auf den club hat, zumindest hängen auch dort die „respekt“-schilder aus, die man im gleichen wortlaut auch im blank findet. ist auch nicht schlimm, der austausch zwischen den beiden clubs ist eh sehr rege. ein weiterer dicker pluspunkt ist das drugscouts-angebot: die von festivals bekannten schilder mit pillenwarnungen hängen ebenfalls in der garderobe und im gang weiter hinten (an dessen ende der künftige darkroom entstehen soll) broschüren zu den einzelnen substanzen.
damit noch nicht genug – schließlich hat der ehemalige kohlrabizirkus noch zwei etagen über dem club, die mit 20-30 quadratmeter großen zimmern ausgestattet sind. die werden an künstler, produzenten, kreative vermietet und sind so gut wie komplett ausgebucht. in der zweiten etage gibt es neben dem ifz-büro noch bald ein gemeinschaftsbad, so dass die rundumversorgung gegeben ist.
liest sich alles so, als ob das als konzept schlüssig ist, nicht wahr? nun ja, ist es auch. auch wenn es schwierig ist, mehr als sieben leute auf einen gemeinsamen nenner zu bringen, hatte ich den eindruck, dass zwar mehrere gruppen (schließlich ist das ifz ja aus vielen einzelnen crews entstanden) ihren gestaltungsraum im club, sie sich aber trotzdem gemeinsam auf eine große linie geeinigt haben, die trotz vielseitigkeit noch ins gesamtbild passt. warum auch nicht? auch im vorbild about blank finden lesungen, konzerte sowie parties zwischen disco (homopatik), house (get deep), dubstep (impulse) oder eben die hauseigenen formate statt, wo es gerne querbeet gehen kann. das berghain hat seinen ruf als mittlerweile auch kulturell respektierten ort nicht zuletzt durch abende bekommen, die über den techno-rand hinausblicken.
ähnlich ist es auch beim ifz. das trumpft damit auf, dass die kollektiv gelebte idee sich auch im umgang untereinander widerspiegelt. so hatte ich den eindruck, dass niemand beim personal als jemand gesehen wird, der den clubbetrieb bitte nur am laufen halten soll. andererseits ist bei vielen auch jede menge idealismus im spiel, weshalb beispielsweise die booker das alles nebenher betreiben und durch die residency im club etwas gegenwert bekommen. überhaupt trägt alles noch die etwas improvisierte handschrift wie die toilette im backstage oder der backstage an sich, in dem ein wirklich tolles veganes kleines buffet aufgebaut war, wodurch einem auch als dort gebuchter gleich das gefühl vermittelt wird, in das große gesamtbild eingebunden zu werden anstatt nur für gute laune ™ beim publikum zu sorgen. zeigt auch, dass das ifz nicht als gelddruckmaschinerie konzipiert ist und lieber eine der größtmöglichen stärken in die waagschale wirft: authentizität.
damit haben sie auch langfristig gesehen ein ganz starkes as im ärmel, sofern sie weiterhin ihrer linie treu bleiben. um zu zeigen, dass es mit meiner neutralität so gut wie vorbei ist: der club hat das zeug dazu, in drei, vier jahren als ernstzunehmende größe neben dem berghain (ja, tatsächlich) gesehen werden zu können. es kommt eben nur darauf an (und das ist leichter gesagt als getan), den eigenen anspruch nicht dann doch der rendite unterzuordnen, was nun wiederum erfordert, dass die anfängliche neugierde des publikums in eine treue stammkundschaft umgewandelt wird. wenn ich mir das oktober-booking so anschaue, habe ich da keine bedenken. der club passt mit seinem do-it-yourself-konzept jedenfalls in die stadt, die zukünftige entwicklung bleibt daher spannend. es ist nur zu hoffen, dass das leipziger publikum das auch so sieht. an dem abend war es jedenfalls auf dem hauptfloor stets gut gefüllt, was auch bis 9 uhr (aufbruchzeit) auch so blieb.
damit habe ich kaum was zur musik des abends geschrieben, sei noch kurz abgehandelt: da gab es nichts zu meckern. auch wenn es auf dem housefloor eher übersichtlich blieb, lag das meiner meinung nach nicht an der musik. das wechselte zwischen house und breakbeats, als ich sporadisch dort war.
an orphx, marcel und mareena (in der reihenfolge des abends) gibt es ebenfalls nichts auszusetzen – das hatte alles hand und fuß sowie einen schönen aufbau. einzig beim licht könnte noch etwas mehr passieren (mehr strobo!), aber da erinnere ich mich an die ersten monate im berghain, wo die lichtanlage auch sukzessive ausgebaut worden ist.
da das einigen zuviel text sein wird, hier noch die kurzform: wahnsinnig guter club, wird dem hype gerecht und dafür verantwortlich sein, dass ich die a9 zwischen berlin und leipzig in nächster zeit wohl intensiver kennenlernen werde.