[olganitz / 02.-04.08.2019] nachtdigital mint

ein jahr ausgesetzt, in diesem jahr offengehalten, ob ich hinfahre. trotzdem im januar kein ticket gekauft, weil: bekommt man ja spontan vorher. dann die nachricht, dass es die finale ausgabe wird. der psychologische effekt hat bei mir gewirkt: verabschieden wollte ich mich schon gerne. dann die sorge, dass die ticketinhaber*innen sie horten werden und der sekundäre markt nichts übrig lässt. beim hochladen des sets der letzten bewegungsfreiheit anfang letzter woche zufällig auf den offenen firefox-reiter geklickt, der in den tagen zuvor keine bei tixforgigs zum wiederverkauf verfügbaren nachtdigital-tickets angezeigt hatte. auf einmal war dort eins und ich tatsächlich schnell genug, mir das auch zu sichern.

seitdem steigt die vorfreude auf das übernächste wochenende. alles an informationen sowie das line-up steht auf der website, die ich gleich verlinke. wer sich spontan ein ticket gönnen möchte, schaut entweder bei tixforgigs oder residentadvisor (mutige bei kanal blau-weiß oder bei ticketswap). die schlagwörter verwende ich als notizzettel für diejenigen, bei deren spielzeit ich mir sogar den wecker stellen würde.

nachtdigital mint

ablauf*

open air
freitag, 2. august 2019
20h00 so
22h00 miasto / masa / maszyna
samstag, 3. august 2019
00h00 shed live
01h00 aleksi perälä live
02h00 atom tm & tobias live
05h00 dasha rush
07h00 job jobse
09h00 manamana
12h00 pause
18h00 vai live
19h00 janosch live
20h00 polo & steffen bennemann
23h00 perm live
sonntag, 4. august 2019
00h00 vril live
01h00 inigo kennedy
03h00 helena hauff
05h00 wata igarashi live
06h00 dvs1
08h00 paquita gordon
10h00 sonja moonear

zelt
freitag, 2. august 2019
20h00 david cornelissen
22h00 vril live
23h00 lux
samstag, 3. august 2019
01h00 olivia
03h00 marie davidson live
04h00 batu
06h00 pause
20h00 ossia
22h00 credit 00 live
23h00 akiramen
sonntag, 4. august 2019
01h00 ypy live
02h00 good news
04h00 deena abdelwahed

see
samstag, 3. august 2019
12h00 vlada
14h00 powder
16h00 gerd janson
sonntag, 4. august 2019
12h00 elli
14h00 woody
16h00 robag wruhme
18h00 mon

ambient
freitag, 2. august 2019
20h00 olivia
22h00 nika son live
23h00 nina
samstag, 3. august 2019
01h00 michelson live
02h00 good news
04h00 aleksi perälä live
05h00 perm & steffen bennemann
08h00 jing live
09h00 sa pa
11h00 adel akram
13h00 rachel lyn hybrid-set
15h00 onetake
17h00 oceanic live
18h00 so
20h00 grand river live
21h00 brenz hold
sonntag, 4. august 2019
00h00 fabian live
01h00 em ju es aj si & fleika
04h00 vril
05h00 sinnan & st. jakob
08h00 diane barbé
09h00 hoff
11h00 eva porating & moreti & paj
14h00 favor & protection live
15h00 exhausted modern & raphael kosmos
17h00 ogj / torr

*: mit der nachbetrachtung (am 7. februar 2020) nachgereicht. im festivalplaner war kein zeitplan abgedruckt und auch an den bühnen hingen nur die acts für die nächsten zehn stunden aus, was ich jedoch sehr charmant fand. für diejenigen, die nicht bei kanal blau-weiß oder sonstwo suchen wollen und vor allem für die stimme in meinem hinterkopf, die mich zur chronistenpflicht mahnt, soll das jetzt hier nochmal verschriftlicht sein. den club animadiso gab es mit karaoke am samstagnachmittag und als schmankerl spielten noch daniel stefanik und mathias kaden auf der abschlusskundgebung bei der tour de nachti auf dem parkplatz.

nachbetrachtung

da der text länger ist, das grobe vorweg: großartig und berührend war’s! eine nachti-ausgabe außer konkurrenz. habe gelernt, dass gefühlstechnisch kein großer unterschied darin besteht, einen club oder ein festival zu verabschieden. ich kann seitdem auch nelly furtados „all good things (come to an end)“ nicht mehr hören, ohne das verschwommene bild mancher weinender gesichter am strand des schullandheims (meine wenigkeit inklusive) vor augen zu haben. zu dem zeitpunkt konnten schon langsam die minuten heruntergezählt werden.

fange ich mal beim schluss an. muss ja nicht immer chronologisch vorgehen.
die members of nachtdigital waren der nicht angekündigte act nach robag wruhme an der seebühne. war auch nur folgerichtig, schließlich haben sie es initiiert, über 20 jahre mitgetragen. alles andere hätte sich komisch angefühlt. und klar nahm ich an, dass es eine quasi-neuauflage ihres hitgewitters anno 2018 gibt, mit dem sie jeff mills etwas die show gestohlen hatten.
stattdessen die rede chaplins im „großen diktator“ als intro, dann „deep burnt“ von pepe bradock, „(this is) the dream of evan and chan“ von dntel im berühmten superpitcher-remix und „patrik“ von euphorhythm. damit hatte es sich aber auch mit den wirklich tanzbaren sachen und sie spielten getragene stücke („johnny“ von todd terje mit bryan ferry bspw.), während das festival symbolisch durch entzündung einer installation auf dem see zur ruhe gebettet worden ist. zum schluss gab es „the power of love“ von frankie goes to hollywood, doppelt. war auch klar, dass die leute nicht loslassen wollen und daher eine zugabe forderten. ich war da schon auf dem campingplatz am zusammensuchen, weil ich meinen emotionalen augenblick bereits hatte und nicht noch weiter in melancholie versinken wollte. außerdem stand die trauer auch eher jenen im publikum zu, die der nachti mehrere jahre die treue gehalten und damit eine intensivere bindung haben.
ich kann zwar nachvollziehen, warum die letzte stunde manchen etwas dick aufgetragen oder gewollt elegisch vorgekommen sein mag. andererseits fand ich es wiederum besser, als wenn sie die letzte stunde mit kalibern wie „the bells“ oder „jaguar“ bestritten hätten. so hatte das zwar etwas von abgesang, aber eine entsprechende musikauswahl trifft man nun mal bei beerdigungen, was dabei hilft, einfach loslassen zu können. war bei mir und einigen anderen im publikum ganz gewiss so – und hoffentlich auch bei den beiden.

auch wenn die „mint“ aufgrund des melancholischen beigeschmacks für mich außer konkurrenz läuft, gab es noch andere faktoren, die das wochenende zu was ganz besonderem gemacht haben:
– zahlreiche begegnungen mit fremden leuten, verbunden mit schönen gesprächen. keine ahnung, was in die leute gefahren ist, aber selbst auf der fusion 2019 ist mir schon ein im schnitt ziemlich aufmerksames und bedachtes publikum begegnet.
– ein ausgesprochenes lob an die security: endlich mal leute aus feieraffinen oder linken kontexten. man kann sowohl ihnen als auch sich selbst das leben wesentlich einfacher machen, wenn man proaktiv kommuniziert, was alles im beutel ist oder die leeren flaschen schon mal hinhalten. nimmt ihnen arbeit ab, macht’s für einen selbst und für alle anderen schneller.
– nach all den jahren haben sie endlich (!) das quasi perfekte setup für die hauptbühne gefunden. wer auch immer für das stage-design verantwortlich war: danke! während sich das geschehen in puncto licht in den vergangenen jahren fast ausschließlich auf die bühne konzentriert hat, führten die fünf podeste (auf denen samstagabend auch manche live- sowie dj-sets stattfanden) mit den led-leinwänden sowie -spots endlich mal zu einer durchgängigen beleuchtung der tanzfläche und einer dynamischeren stimmung. die geringere höhe der bühne fiel schon vor zwei jahren positiv auf.
– die mini-loveparade durch olganitz war einer der augenblicke, in dem mir sichtbar wurde, was der region dort verlorengeht. gefühlt das ganze dorf auf den beinen / am straßenrand oder wenigstens aus den fenster schauend. höchstens ganz vereinzelt skeptisch, nie feindselig, in überwältigender mehrheit mit breitem grinsen im gesicht. techno als mittel, generationen zusammenzubringen oder wenigstens einmal die dörfliche gemütlichkeit durchzurütteln. für mich brachte „who“ von modeselektor als track die situation auf den punkt – der war bei ihrem sonst für mich lediglich soliden album alleine wegen des textes eines der stücke 2019 und passte einfach zum vorerst letztmaligen durchrütteln des dorfes. es ist schon traurig, dass die bewohner*innen nun an 52 wochenenden im jahr (statt 51) keine vergleichbare unterhaltung mehr bekommen werden und womöglich auch sonst ganz schön auf sich allein gestellt sind.
– schöner bonus mit mathias kaden und daniel stefanik (wie ich im nachhinein erfuhr), die auf dem parkplatz-rave einen gassenhauer nach dem anderen spielten (first rebirth, celebration generation, rave nation, the bomb, the house of house, out of space).
– gutes catering. hab zwar den burger sowie das frühstück nicht probiert, war aber zufrieden mit dem rest.

kleine negativpunkte, beide vernachlässigbar:
– das setup im zelt. aber gut, da kommt auch nichts an den feiergraben von 2015 heran. es war immerhin größer, aber was an der hauptbühne toll lief, verlor sich im zelt irgendwie. auch wenn es licht für das publikum gab, konzentrierte sich das geschehen dann doch auf die riesige leinwand.
– ich habe den ableton-workshop mit perm verpasst. sollte erst samstag um 15 uhr stattfinden, dann sagte man mir 16:30 uhr. dann war die tür verschlossen, gegen 17 uhr machte sich rachel lyn startklar. hätte zumindest ein schild ganz nett gefunden (hab drinnen und draußen beim vinyl-stand geschaut, evtl. auch etwas übersehen).

damit wären wir bei der musik. wird ja gerne mal von mir kritisiert. gab bei vergangenen ausgaben ja immer etwas, das mir dramaturgisch oder inhaltlich nicht passte, wobei das auch wieder in den bereich fällt, der seitens der macher*innen so gewollt ist. dieses jahr war’s durchgängig wenigstens gut bis zu erleuchtend. hier haben einmal mehr die damen gezeigt, wo es langgeht:
– deena abdelwahed im zelt. wollte an dem wochenende eigentlich eher ruhig machen, hatte mich samstagabend sogar zum vorschlafen ins auto gelegt. nachdem das nicht klappte und der zeitplan (auch eine tolle idee übrigens, nur die acts für die nächsten zehn stunden als holztafel neben die bühnen zu hängen) deutlich machte, dass ihr der schluss im zelt gehört, wollte ich nur mal schauen, was sie so macht und gegen 5 uhr gehen. daraus wurde nichts: durchgetanzt. wahnsinnige mischung aus orientalischen percussions, dreckigen basslines und brachialen sounds. ein fanboy mehr.
– rachel lyn samstagnachmittag auf dem ambient-floor mit einem hybrid aus einem modular- und dj-set.
– lux im zelt nach vril (der wiederum im zelt und auf der hauptbühne überzeugte, das set auf dem ambient-floor habe ich nicht mitbekommen), zumindest die erste halbe stunde mit electro, dann ging’s rüber zu…
– shed, mit einem einfühlsamen live-set, das sich auf „the final experiment“ (also das album, nicht das label) stützte.
– helena hauff, auch weite teile mit schönem electro, dem es an distortion nicht mangelte.
– inigo kennedy, der für meine begriffe das set spielte, das ich mir vor zwei jahren von jeff mills erhofft hatte. fordernde und ruhigere passagen, schön mit dem publikum spielend, und vor allem mit „rhubarb“ von aphex twin als letztem track.
– aleksi perälä hat mich auch überraschenderweise mitgenommen. ist normalerweise nichts, was ich kaufe, aber in dem kontext ergab das für mich auf einmal sinn.
– sowohl gerd janson als auch robag wruhme haben ihre slots auf der seebühne jeweils mehr als nur routiniert gelöst. gerade letzterer mit ganz viel herz (und nochmal aphex twin – habe dort gelernt, dass es vor jahren einen wruhme-edit von „on“ gab, den hat er gespielt). woody war dort solide und tatsächlich nicht mehr als routiniert bei der sache. allerdings kann „the man with the red face“ von laurent garnier (scheint also auch ein stammgast in seinen sets zu sein, wo er’s auch schon ein halbes jahr zuvor in der panorama bar gespielt hat) zur richtigen zeit bei den richtigen leuten schon sektduschen und stagediving auslösen, so wie hier.

auch wenn es für mich nur die fünfte nachtdigital war (bin erst 2014 dazugekommen): selbst bei den mittelprächtigen ausgaben (wozu ich bspw. die 20. ausgabe zähle) hatte ich immer den eindruck, dass die crew vom booking über die gestaltung des geländes bis hin zu den installationen sowie der personalisierung des vinyls mit vollem herzen dabei ist. das alles mit der hoffnung verbunden, dass das übersichtliche publikum versteht, was sie sich bei allem gedacht haben und nichts für selbstverständlich nehmen. da hätten sie gleich die großen namen zusammenbuchen können, um die karten in nullkommanix ausverkaufen zu können. das passierte zu zeiten des großen hypes zwar, aber ironischerweise haben sie mit der letzten ausgabe den spagat zwischen altbewährt und mut zum risiko mit am besten hinbekommen.
ich hoffe jedenfalls stark, dass sich andere leute mit einer ähnlichen geschmackssicherheit zusammenfinden und etwas ähnliches in der größe in der region auf die beine stellen. die nachtdigital 2019 werde ich jedenfalls als musterbeispiel in erinnerung behalten, wie sich ein festival mit ganz viel persönlichkeit und herz mehr als nur würdig von seinem publikum verabschiedet. und umgekehrt.

sets bei soundcloud

[olganitz / 04.-06.08.2017] nachtdigital

ein weiteres jubiläum. nachdem die fusion letztes jahr ihr 20-jähriges hatte, ist dieses jahr die nachtdigital dran – und das mit einem line-up, bei dem ich erstmal wieder die kinnlade aufsammeln musste, als ich das las. ich verlinke erstmal nur ihre website und schreibe nur die namen in die schlagwörter, die ich mir im festivalplaner als pflichtbesuch anstreichen werde. die abfolge auf den einzelnen floors gibt es dann wie gewohnt im nachhinein hier.

nachtdigital no. 20

ablauf (für diejenigen, die ihn nochmal in klar lesbarer form brauchen, inklusive verzögerung und umstellung des line-ups auf der hauptbühne am samstag)

open air
freitag, 04.08.2017
20h00 giegling
samstag, 05.08.2017
01h00 klm
02h00 shackleton
03h00 hieroglyphic being
04h00 c&d
07h00 ben ufo & blawan
10h00 marko miloslavljevic

18h30 cologne tape
19h30 scott monteith
20h30 matias aguyao & the desdemonas
21h30 kara-lis coverdale
22h30 aurora halal & ital
sonntag, 06.08.2017
23h30 credit 00 & leibniz
00h00 mon
02h00 jeff mills
04h00 f#x
06h00 morskie oto
09h00 wighnomy brothers

tent
freitag, 04.08.2017
20h00 olaf boswijk
22h00 johanna knutsson
samstag, 05.08.2017
00h00 møreti
02h00 neele
04h00 resom

22h00 leif
sonntag, 06.08.2017
00h00 job jobse & wilhelm
03h00 night moves

lake
samstag, 05.08.2017
12h00 tiny places
15h00 lux
17h00 moritz kaiser

sonntag, 06.08.2017
12h00 hw rhapsody
15h00 manamana

ambient stage
freitag, 04.08.2017
20h00 even tuell
22h00 magazine
samstag, 05.08.2017
02h00 birds & tapes
03h00 ital & melrose
07h00 asyl cahir
09h00 onetake
11h00 steffen bennemann & vai
14h00 chris ssg
16h00 jane fizz
18h00 ralf köster
22h00 adel akram
sonntag, 06.08.2017
00h00 michelson
02h00 dj desert niggu
04h00 møreti
06h00 deadbeat
08h00 job jobse
10h00 nina & good news
13h00 nikae
15h00 felde

nachbetrachtung

erstmal einsteigen mit zwei residentadvisor-links: einmal den „wir haben uns alle lieb“-artikel, der die geschichte und die protagonisten des festivals beleuchtet, und die „five key performances“. auch wenn beide das festival (zurecht) nach wie vor in den höchsten tönen loben, teile ich die kritischen zwischentöne: das überambitionierte der jubiläumsausgabe aus dem ersten artikel, zu dem die bewertung des mills-sets aus dem zweiten artikel passt.

mein fazit daher: insgesamt kriegt die nd20 wie schon die 19er eine 7/10. vorwegschicken möchte ich, dass das alles jammern auf ziemlich bis verdammt hohem niveau ist und ich zu guten teilen auch selbst daran schuld bin, wenn ich blawan vs. ben ufo oder aurora halal verschlafe.

also zum positiven und negativen, gekennzeichnet durch + und -. erstmal mit den kritikpunkten angefangen:

– ich hatte über wirklich weite teile des festivals das gefühl, dass es musikalisch unter seinen möglichkeiten bleibt. ein großer stimmungsdämpfer wie letztes jahr mit aisha devi auf der hauptbühne in der nacht auf freitag zu samstag blieb gottseidank aus. dort war giegling zum reinkommen schön anzuhören. und wenn ich das in meinen ohren zu trocken-zurückhaltende set von klm im anschluss mit einbeziehe, war es auch dramaturgisch sinnvoll, kettenkarussell direkt davor zu platzieren und nicht vril. unter normalen umständen wäre es mir umgekehrt jedoch lieber gewesen.
johanna knutsson war mir im zelt jedoch auch ein bisschen zu verhalten. wenn ich ganz strenge maßstäbe anlege, gilt das auch für shackleton, der seine psychedelischen sequenzen zuweilen auch mit wesentlich satteren kicks unterlegt. aber als stachel im line-up (wie samuel kerridge vor drei jahren ca. um die gleiche uhrzeit) fand ich’s super.

– das gefühl des nicht genutzten potentials setzte sich samstag mittag / nachmittag irgendwie fort. gegen marko milosavljevic ist nichts zu sagen. der erledigte seine aufgabe mit melodisch-funktionalen tracks als schluss auf der hauptbühne sehr gut. aber tiny places an der seebühne war für mich eine ziemliche durststrecke an belanglosigkeit, bis auf zehn, fünfzehn minuten zwischendurch mit etwas acid. da hat lux für meine begriffe die kohlen aus dem feuer geholt und sich damit zu einem meiner favoriten des wochenendes gekürt.
die samstagnacht fiel dann wieder zurück in das „gleich hebt alles kollektiv ab“-muster, ohne dass die hoffnung wirklich eintrat. tatsächlich muss ich irgendwie anerkennend sagen, dass die mon mit ihrem hitfeuerwerk auf der hauptbühne mehr den nerv des publikums trafen als jeff mills im anschluss, der zwar solide arbeit ablieferte (alleine seine arbeit an der 909 kann einem nichts anderes als respekt einflößen), aber eben auch nicht mehr. alte tracks wie die alte version von „life cycle“ verpufften und einzig die ersten töne von „the bells“ holten das publikum aus der reserve. es ist zwar schön zu sehen, dass er unbeirrbar seine entwicklung geht, aber man merkt auch, dass das nicht mehr der brachiale techno wie vor 25 jahren ist, den er damals mit definierte.

– auch wenn es organisationstechnisch wenig herumzumäkeln gibt, aber das mit den umbaupausen auf der hauptbühne hätte man mit 20 jahren erfahrung schon besser hinkriegen können. das waren alleine zwischen giegling und klm mehr als fünf minuten. die zweistündige verzögerung samstag abend auf der hauptbühne würde ich auch ankreiden, hängt aber wohl mit der umbesetzung des zeitplanes zusammen, wonach cologne tape als erstes dran waren und bands etwas mehr aufwand benötigen als laptop-acts. keine ahnung, wann sich das entschieden hatte, aber vielleicht sehe ich das mit der routine nach 20 jahren auch ein bisschen zu idealistisch.

– so toll ich die veränderte position der hauptbühne fand (abstand zum schullandheim, nicht so hoch wie in den jahren zuvor): die empore mit den stufen dahinter war gut gemeint, aber mehr eben auch nicht (mehr höhenunterschied zwischen den stufen wäre schön gewesen). so gab es jedoch einen sehr guten durchgang zum ein/ausgang. mir stieß vielmehr die sehr auf die bühne gerichtete belichtung auf. ein bis zwei sonnensegel und beamer am rande der tanzfläche könnten vielleicht der eher einseitigen ausrichtung des publikums in richtung bühne entgegenwirken. oder man macht mit dem wald am anderen ufer ein bisschen mehr. trug für mich zum eindruck eines konzertes bei, und für den damit einhergehenden starkult, gegen den techno sich eigentlich mal gerichtet hatte, bin ich wohl zu sehr alte schule.

– gemessen an der kahlen deko im zelt letztes jahr war die riesige visual-leinwand sowie das auf das publikum zielende licht schon mal ein schritt nach vorne. ungeschlagen bleibt trotzdem der graben von vor zwei jahren, der von den zwei emporen an der seite flankiert worden ist. der hatte auch gleich positivere effekte auf die stimmung und nutzte den platz auch für die kleinwüchsigeren viel besser aus.

– ja, wir haben den festivalplaner gelesen, nicht sonderlich viel müll produziert und waren mit sonntag 20:30 uhr zu spät. es ist zwar sportlich, auch das noch unterzubringen, wenn der campingplatz bis 20 uhr geräumt werden muss. aber wenn man sogar noch die möglichkeit schafft, dieses jahr länger bleiben zu können, will es mir nicht ganz in den kopf, weshalb man die rückgabe nicht einfach mal bis 22 uhr verlängert hat. hätte nervige nachfragen und genervte mitarbeiter erspart, die den sonntagabend mit sätzen wie „lies den festivalplaner, mein freund“ genau passend einläuten konnten.

genug gemeckert. ab zum positiven:

+ der ableton-workshop war grandios. habe in 15 minuten mehr über den umgang mit samples gelernt als jemals erwartet.

+ das drone-set von scott monteith samstag abend auf der hauptbühne. mich ärgert’s sehr, sein dub/reggae-set als deadbeat auf der ambient-bühne (ja, tatsächlich mal wieder) verschlafen zu haben, aber das findet man bei soundcloud, solange es das noch gibt.

+ das layout der seebühne. da haben io sehr gute arbeit geleistet, indem sie einen holzfußboden verlegt und die bühne an den see versetzt haben. hatte den eindruck, dass so mehr platz für alle blieb und das barfußtanzen hat’s auch begünstigt.

+ die ökotoiletten. zwar leider nur auf dem festivalgelände (oder gab’s welche beim camping?), aber da werde ich wohl zum fan.

+ das kleinste größte kino im wohnwagen war sonntagnachmittag genau richtig.

+ auch wenn manchen die burger zu kalt oder die wraps zu heiß waren: ich kann gegen das catering nichts sagen.

+ gemessen an dem durchgangsverkehr zum festivalgelände, bei dem die security bestimmt tausende male das gleiche mantra mit den flaschen wiederholen musste, fand ich sie überraschend geduldig.

+ das closing der wighnomy brothers passte mit ihren faxen wirklich sehr schön zum sonntagmittag.

+ ich konnte das anfängliche kopfschütteln über die nachti-zeit verstehen und klar lässt sich hier mehr hineininterpretieren als es organisationstechnisch vielleicht gemeint war. aber wenn sie damit erreichen wollten, dass einige besucher die dechiffrierarbeit entnervt aufgeben und sich ein stück unabhängiger von selbst festgelegten stundenplänen machen, indem sie sich einfach auf dem festival treiben sowie sich dabei womöglich noch von unbekannte(re)n namen überraschen lassen wollten, haben sie in mir schon mal einen fürsprecher.
zwar war ich freitag abend einer derjenigen, die erstmal froh waren, es hingeschafft zu haben und um die transkribierende vorarbeit im camp dankbar, aber mit einmal drüber schlafen und sowas wie „mengenlehre“ im hinterkopf (obwohl nie in der schule gehabt) war das entziffern auch nicht mehr sonderlich schwierig und samstag abend eh klar, dass sämtliche schlachtpläne für die katz sind.

+ das musikbingo mit zugabe von dj lothar im zelt am samstagnachmittag. dahinter steckten die gleichen wie beim club animadiso letztes jahr und irgendwie sollte es einem schon zu denken geben, dass die stimmung dort am gesamten wochenende zu clips von den beastie boys, ac/dc, clowns & helden, outkast und einigem anderen, was man so in den letzten 30 jahren in den charts hören konnte, mit zum ausgelassensten gehörte. wird hoffentlich nicht so weit kommen, dass das irgendwann der hauptteil der nachtdigital wird und der elektronisch anspruchsvolle zurück ins nischendasein muss. aber irgendwie bringt’s das wochenende für mich auf den punkt: die leute haben nur nach den offensichtlichen stimmungsgranaten gelechzt, und abgesehen von mon und den wighnomys hat das niemand in meinen wachphasen so wirklich gebracht. vielleicht hätte ich das alles eher antizyklisch betreiben sollen.

unter’m strich: ich werde im nächsten januar nicht am stichtag abends gebannt vor dem browser sitzen, um mir ein ticket zu sichern. es wird eher eine spontanentscheidung, die auch unabhängig vom line-up gefällt wird, nachdem sich dieses jahr erwiesen hat, dass die headliner auch nur menschen sind, die es vielleicht auch leid sind, dem publikum nur vollgas geben zu wollen. allerdings hatte ich mir ein verlängertes wochenende abseits anderer luxusprobleme gewünscht und das auch bekommen. damit hat auch die 2017er-ausgabe der nachtdigital ihr soll locker erfüllt.

[olganitz / 05.-08.08.2016] nachtdigital

mehr festivals außerhalb berlins werden es dieses jahr nicht. beim line-up beweisen sie viel mut für experimente, verzichten bei der 19. ausgabe nahezu vollständig auf die großen festivalbekannten und bieten dafür den kennern und / oder neugierigen etwas. ich werde es dennoch erst hinzufügen, sobald der festivalplaner in meine hände gewandert oder irgendwo etwas im netz aufgetaucht ist.

nachtdigital no. 19

open air
freitag, 05.08.2016
19h00 nina
21h00 onetake
samstag, 06.08.2016
00h00 aisha devi
01h00 gabe gurnsey
02h00 erika
03h00 bmg
05h00 carlos souffront
07h00 derek plaslaiko
09h00 bryan kasenic
11h00 pause
17h00 weber
18h00 tm404
19h00 lawrence
20h00 dj richard
sonntag, 07.08.2016
00h00 steevio & suzybee
01h00 dj stingray
03h00 steffen bennemann
05h00 diwa
07h00 dj so
09h00 solar
11h00 ende

the tent
freitag, 05.08.2016
21h00 jennifer cardini
samstag, 06.08.2016
00h00 borusiade
01h00 jens-uwe beyer
02h00 manamana
05h00 pause
22h00 robag wruhme
sonntag, 07.08.2016
01h00 felix laband
02h00 red axes
03h00 soundstream
06h00 ende

lake
samstag, 06.08.2016
12h00 brenz hold
14h00 tolouse low trax
15h00 good news
17h00 pause
sonntag, 07.08.2016
11h00 mr ties
15h00 ende

ambient floor
freitag, 05.08.2016
21h00 feinrippmarcel
samstag, 06.08.2016
00h00 brenz hold
04h00 leafar legov
05h30 emrauh
07h00 brother louie & michelson
11h00 onetake & steffen bennemann
14h00 drama
18h00 neele
20h00 elli & chriso
23h00 bifiboy
sonntag, 07.08.2016
00h00 birds & tapes
01h00 jing
02h00 christian
03h00 arf
05h00 nina
07h00 good news
09h00 derek plaslaiko
10h00 ende

nachbetrachtung
da in der reisegruppenauswertung am montag schon eine punktevergabe gefragt war, nehme ich gleich am anfang die spannung: insgesamt 7 von 10. liest sich härter als es ist, ich mag nur keine gebrochenen zahlen hierbei und für eine 8 hätte es nicht gereicht.

was sorgt für punktabzüge?

  • der flooraufbau im zelt und da vor allem das licht, wobei der feiergraben mit den neonröhren die messlatte im letzten jahr schon sehr hoch gelegt hatte. die würfel hinter den djs hätten einiges an potential für mapping-visuals hergegeben, was aber nur ansatzweise genutzt wurde. die rückseite der turmbühne auf der fusion gab da für meine begriffe vor, wie es laufen sollte. insgesamt fand ich es im zelt zu hell und vom licht her zu statisch. zwischen hell und dunkel wurden keine wirklich krassen akzente gesetzt, aber vielleicht war ich nur zu den falschen uhrzeiten dort. auch die visuals ans äußere des zeltes beschränkten sich auf projektion zweier bilder (eines für freitag auf samstag, eines für samstag auf sonntag).
  • die musikalische dramaturgie in der nacht von freitag auf samstag. gegen die ersten sets lässt sich absolut nichts sagen. das ambient-warm-up von nina auf der hauptbühne, das man so gar nicht als erstes set wahrnahm sowie onetake im anschluss, der sich auch mal traute, pinch & mumdance auf tectonic zu spielen, ließ für die folgenden stunden vieles hoffen. gleiches für jennifer cardini im zelt, die ich mir das erste mal für mehrere minuten am stück gegeben habe und einen astreinen spannungsbogen von langsameren tracks zu hits à la „jam the maze“ von house syndicate darbot. beides vielversprechend, aber aisha devi erschloss sich mir auf der hauptbühne mit ihren danebenliegenden vocals so gar nicht und auch borusiade nahm nach der vorlage für meinen geschmack zu viel dampf aus dem kessel.
    das wurde durch gabe gurnsey (in acid-house-tradition), erika (techno mit electro-einschlag, sehr aufgeräumter sound) und bmg (der sich auf chicago eingeschossen hatte) auf der hauptbühne besser. aber die frische nacht, diese eine für mich stimmungsabflauende stunde zwischen 0 und 1 sowie eh wenig schlaf in der vorigen nacht führten gegen 4h00 zur entscheidung, das auto als schlafstätte aufzusuchen. manamana hatten das zelt dort (ganz heimspiel) zwar fest im griff, aber richtig motivieren konnten sie mich auch nicht.
  • rein subjektiv und der organisation absolut nicht anzukreiden: das unbeständige wetter, wobei sich das auf wenige regenschauer und vor allem auf die kälteren nächte beschränkte. aber der schauer am sonntag hielt mich schon etwas davon ab, wieder auf’s gelände zu wollen.

was reißt es dafür nach oben?

  • kaum zu glauben, aber ich fand die inszenierung der hauptbühne, die für mich immer etwas zu hoch war, das erste mal richtig gelungen. permanente visuals von zwei beamern, der großteil der lichter unter und hinter den acts, aber trotzdem wirkte es nur ganz selten so, als ob die künstler damit in den vordergrund gerückt werden sollten. vielmehr verschmolzen sie mit den restlichen lichtern und den visuals, so dass sie teil des großen ganzen visuellen geschehens auf der bühne wurden, das sich auch auf die linke und rechte flanke erstreckte.
    davon abgesehen war der samstag abend mit dj richard bereits ganz groß, der mir in den ersten 20 minuten schon leid tat, weil der eine technics ständig sprang, was schon bei der ersten platte („the afterlife“ von ron trent) nervte – am meisten wohl ihn selbst. später noch die „apathism“ von heiko laux präsentiert zu bekommen, freute mich aber ungemein. auch sonst keine scheuklappen, zwischen wave, ebm, acid und techno wechselnd, das war sehr gelungen. dj stingray setzte danach für mich noch locker einen obendrauf, auch wenn er einen harten kern an tracks immer wieder spielt, so ist die art und weise, wie er sich und die musik präsentiert, ein musterbeispiel an understatement bei gleichzeitig gründlicher zerlegung der tanzfläche durch stetig angezogene temposchrauben. für mich das set des wochenendes. steffen bennemann überraschte mich danach mit „trac-x“ von circuit breaker, wobei das zur 150-bpm-vorlage zuvor schon passte.
    dj so, solar und auch weite teile von lawrence habe ich leider verpasst, wobei ich bei letzterem gar nicht wusste, dass er gerade spielt, als ich mir die platte als souvenir mitgenommen habe. über ersteren habe ich aus zweiter und dritter hand jedoch nur gutes gehört.
  • die neue position des ambient-floors, den man zugegebenermaßen etwas suchen musste: links vor dem eingang am zaun entlang befand sich die insel vor einer riesigen wiese. damit gab es keine störungen von den anderen beiden floors wie der haupt- oder der seebühne wie in den letzten jahren, so dass man sich dort in aller ruhe auf den sound konzentrieren konnte. bin aber auch dort nur einmal durchgelaufen.
  • der klub animadiso, der mit eurodance, dem besten der 1990er und vor allem „danza kuduro“ von lucenzo und don omar als klubtanz, den der dj alle viertelstunde spielte und die animateure nach bester großraumdissentradition alle mit bester laune choreographierte. genau wie das rave-quiz vor zwei und beim karaoke vor einem jahr brachte das genau die portion humor bzw. selbstironie hinein, die das nachtdigital so liebenswert machen. das speed-dating im anschluss trieb das alles mit überspitzt gutgelaunt-ernster moderation auf die spitze. und ja, ich hab’s ausprobiert, dabei leider tm404 auf der hauptbühne verpasst. dafür weiß ich nun, dass ich drei runden beim limbo überstehen kann. nur gegen eine geräuschkulisse von 30 leuten auf zwei bänken anzuschreien, wurde auf dauer anstrengend.
  • auch wenn ich es nicht in eine der hängematten bei der insel des glücks geschafft habe: schön groß war der bereich dieses mal.
  • erstaunlich hoher anteil an ökotoiletten.
  • „leg dein ohr auf die schiene der geschichte“ von freundeskreis war als letzer track im wruhme-set ein mehr als passender kommentar zum aktuellen weltgeschehen. überhaupt gar nicht schlecht, der herr, in seinen letzten 20 minuten.
  • mr ties am see sonntagnachmittag. manche mögen seine filterspielereien am rotary-mixer als kaschierung mangelnder mixkünste abtun. da ich es ja bekanntermaßen nie zu einer homopatik geschafft habe, war dies das erste mal, dass ich ihn gehört habe, und obwohl es hittig war, gehört schon was dazu, innerhalb von einer stunde von „around the world“ von daft punk oder „vamos à la playa“ von righeira zu veritablen techno-nummern wie „turkish bazar“ von emmanuel top zu kommen. klar, dass dabei ecken und kanten auftreten können, aber das war für mich ein würdiger abschluss.

jedoch keine frage, ob die 7/10 für ein wiederkommen nächstes jahr reicht: natürlich ist das erste augustwochenende 2017 dick im kalender angestrichen. auch wenn der freitag insgesamt ein ganz schöner dämpfer war, riss der samstag das für mich wieder raus. und bei einem festival so viel experimente mit namen zu wagen, bei denen man schon als sammler oder regelmäßiger partygänger dabei sein muss, gibt noch mehr sympathiepunkte für ein ohnehin schon liebenswertes festival, das einen jahr für jahr neugierig darauf macht, welche idee sie für das nächste mal haben.