[berlin / 30.11.2024] ohm: objekt’s miraculous kaleidoscopic technicolor wormhole from the club to infinity

damit dürfte er den ersten platz für den längsten hier bislang erfassten partytitel einheimsen. es ist deren zweite ausgabe in diesem jahr. konzept ist, dass er sich gäste einlädt oder den abend gleich komplett alleine bestreitet. dieses mal mit lena willikens, was auf dem papier nach einem wettstreit um die außergewöhnlichste auswahl aussieht. beinahe schon zuviel der vorfreude.

objekt’s miraculous kaleidoscopic technicolor wormhole from the club to infinity
lena willikens
objekt

ab 23:59 uhr
15 euro

nachbetrachtung

mein hang zum meckern ist ja allgemein bekannt, also lebe ich das weiterhin aus. jedoch nicht, ohne das fazit voranzustellen: müsste ich’s quantifizieren, kommt die party mühelos auf eine sehr stabile 8 von 10, die sogar an der 9 kratzt. damit locker in der bestenliste für 2024.

die einzigen kritikpunkte sind die bereits bekannten, wenn mensch sich für einen besuch im ohm entscheidet: wenn es voll wird, gibt es eigentlich nur zwei möglichkeiten: an der bar sitzen, von dort aus das geschehen beobachten und sonst zuhören, oder sich in nähe des dj-pults stellen. letzteres bedeutet kalten luftzug (es ist mal wieder die beste jahreszeit zum ausgehen – nicht) oder auch durchgangsverkehr von eingang und bar zur tanzfläche.

konkret: ab 2:30 uhr war’s mir auf der tanzfläche zu eng. die wand am eingang zu den toiletten war bestenfalls okaye notlösung, aber auch da schieben sich eher die leute vorbei. an der raumarchitektur lässt sich in der hinsicht nichts ändern, zudem wusste ich, worauf ich mich einlasse.
die bank neben der bar mit wechselnden sitzorten war also zu größeren teilen der aufenthaltsort meiner wahl. das war zwar etwas fernab vom akustischen sweet spot (dafür ist das besagte hintere ende der tanzfläche ziemlich gut) und das holz der bänke schneidet irgendwann gut in die blutzufuhr zu den unterschenkeln. aber: dort ist mensch wenigstens weitestgehend ungestört. meine hoffnung darauf, dass es ab 5:00 uhr etwas leerer wird, hat sich nicht erfüllt. dann kam auch noch meine kondition dazwischen, die durchgemachte nächte nicht mehr so wirklich kennt.
um 7:30 uhr bin ich daher heimwärts. und selbst da war die tanzfläche noch wenigstens dreiviertelvoll, was an sich genügend über die qualität der party aussagen dürfte.

bemerkenswert war’s in zweierlei hinsicht:

erstens, wie viele leute sich ohne große werbung gezielt auf den weg machen. es gibt gewollt keinen eintrag bei residentadvisor, damit auch keinen ticketvorverkauf – ich bekomme lediglich über instagram und den zur reihe gehörenden telegram-kanal davon mit, x verwende ich aus prinzip nicht mehr.
trotzdem war die schlange kurz nach mitternacht bereits länger als die vom tresor direkt nebenan. und ich hatte nicht den eindruck, dass die leute „einfach nur mal gucken“ wollten oder den eingang mit dem des tresor verwechselt haben. dafür war die fülle auf der tanzfläche spätestens ab 2 uhr zu aussagekräftig. wären die leute von der musik irritiert gewesen, hätte sich das spätestens ab 2/3 uhr deutlich ausgedünnt.
stattdessen ging die durch das line-up gesetzte saat vollkommen auf – die geduld des ohm-publikums (bzw. dessen neugierde an anderen sounds) ist immer wieder erfrischend und der bedarf an guter kuration mit understatement offenbar vorhanden. klar kann ich dann im völligen eigeninteresse sagen, dass objekt sich doch einfach eine doppelt so große location suchen soll. aber warum? das ohm als dezidiertes experimentierfeld mit richtig guter anlage ist doch der richtige raum dafür – erst recht, wenn ungewiss ist, wie das angenommen wird. wären nur 50 leute dort gewesen, wäre das für die stimmung auch ok.

zweitens, dass die durch die einladung lenas als partnerin bei mir ausgelöste hoffnung, musikalisch höchstes niveau serviert zu bekommen, nicht nur eingelöst, sondern auch übertroffen worden ist. heißt nicht, dass ich mit allem konform gehe, was sie gespielt haben (psytrance wird in diesem leben nicht mein fall, war aber nur eine kurze phase). aber endlich mal einen abend zu erleben, an dem lediglich das line-up feststeht und offen gelassen wird, wer wann zu hören sein wird, ist in zeiten der fixierung auf timetables mit entsprechenden schlangen vor und anschließend innerhalb von clubs einfach befreiend.
mal abgesehen davon war es ein back-to-back im klassischen sinne. klar kam es mal vor, dass eine*r von beiden mal zwei, drei tracks am stück spielte. aber erstens habe ich so genau nicht hingeschaut und wichtiger: es fiel nicht auf, wer wann mit was dran war. stattdessen war’s ein am xone:92 ausgehandelter konsens, der eine gemeinsame dramaturgie ergab. in der ersten stunde lief bspw. ambient bzw. musik zum zuhören, sowas wie kickdrums waren eine seltenheit. von ca. 1:00 uhr bis 2:30 uhr blieben sie konsequent unter 110 bpm. ab dort allerdings ein sprung auf (gefühlte, nicht getappte) 130 bpm, was als ausgangspunkt diente, die temposchraube immer weiter anzuziehen. dabei blieben sie bei der auswahl stets zwischen den stühlen: wenn techno, dann abseits etablierter klassiker (meistens jedenfalls – „digeridoo“ sollten diejenigen kennen, die sich etwas tiefergehend mit elektronischer tanzmusik der letzten 40 jahre beschäftigen). wenn electro, dann eher rauh. ein ständiges schreiten abseits ausgetretener pfade, ohne dabei die tanzbarkeit aus dem blick zu verlieren und dennoch experimentiell genug zu bleiben, dass vergnügen und entdeckungsneugier zugleich zum zuge kamen.
es war ja schon vorher klar, dass beide ein enzyklopädisches musikwissen bei gleichzeitiger verweigerung gegenüber stilgrenzen mitbringen. für mich war’s eine lektion darin, wie das in set-form gegossen werden kann und vor allem, dass ich das wissen in dieser breite nicht werde erreichen können. dafür müsste ich das vollzeit machen. klar, koketterie – ist aber für mich in ordnung so. es reicht mir völlig, die qualitäten der beiden als solche zu erkennen und dem im ansatz nachzueifern.

der abend verdient jedenfalls das prädikat „besonders wertvoll“. das ist nach der märz-ausgabe mit objekt solo bereits das zweite mal und damit ausgangspunkt für die hoffnung, dass exzellent kuratierte reihen wie diese als gelegenheit zur nachhilfe möglichst lange fortbestehen und ich das neben der reef zu einem weiteren dauerkartenabonnement machen kann.

notierte tracks

anton friigaard – cemille
download – attalal (remix)
aphex twin – isopropanol (heruntergepitcht auf 100 bpm)
chants & dave schoepke – ritmo puro
die form – damaged corpse
mordant music – hummdrumm
abadir & nahash – marchadair
nasty j – la boucle
ivan iacobucci & stella fiore – waiting for my love
transparent sound – punk motherfucker
solid groove – show me su’mn
kode9 – swarm
prettybwoy – overflow
endmodell – die taktung der maschinen (teil 1)
georg-i – strobe fodder
braille – cloud monger (bodhi remix)
kinzua – purest state confusion
aphex twin – digeridoo
shxcxchcxsh – do 1
yogg – keep the sheep
bell curve – just a lil bit of sweat
oyubi, fetus – earnin it
yas reven – little breake
gaister – conscious concentration

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