[berlin / 10.11.2023] berghain: reef

letzte ausgabe in diesem jahr mit einem line-up, das die vorfreude eigentlich schon in ungesundem ausmaß steigert.

reef

berghain
00:00 ema
02:30 lee gamble
04:00 dbridge
06:00 darwin

panorama bar
22:00 esposito
02:00 nvst
04:00 toma kami
07:00 djrum

nachbetrachtung

mit einer mischung aus freude und aufkeimender sorge kann ich sagen: das konzept der reef scheint zuverlässig aufzugehen. das bringt jedoch auch mit sich, selbst den freitag schon ähnlich wie den sonntag planen zu müssen – und das in komprimierterer form, weil der einlass nur bis 7 uhr (also zum start des letzten djs) stattfindet.
will heißen: wie schon bei den vergangenen malen reichte die schlange schon um 23 uhr fast bis zum kiosk. an der gästelistenschlange war da noch nichts los, aber das sah zwei stunden später mit einer schlange bis zum geldautomaten auch schon ganz anders aus. dauerte dort eine stunde, wurde mir berichtet. und das ist schon eine neue qualität.

mensch könnte also eine sonntagabend-ähnliche fülle vermuten oder gar befürchten, aber auch hier das gleiche bild wie in den vergangenen ausgaben: der laden war gut, jedoch beileibe nicht überfüllt. und das mit den durchaus richtigen leuten: viele touristen, im schnitt eher jünger. aber: offen für viele stile und euphorisch noch dazu – diverse arme in der luft sowie rewinds bei dbridge waren jedenfalls eindeutig. bei ihm (und auch lee gamble) befürchtete ich jedoch kurz, dass sich die reef wie die sub:stance ihrerzeit dem techno-publikum andient. mit ein paar tagen abstand sehe ich das etwas milder: wenn es technoid war, dann wenigstens nicht für längere zeit auf die durchgängig einfach zu verarbeitende 4/4-kick beschränkt, sondern gebrochen. also das, was ich mir seit eh und je für klubnächte wünsche.

zwei wermutstropfen gibt es, wofür die reef jedoch nichts kann. ersteren lasse ich mittlerweile unter der kategorie „zivilisationskrankheit“ laufen: gruppen, die an neuralgischen punkten einfach stehenbleiben und sich erstmal beraten (das geht auf der treppe zur panorama bar besonders gut) oder ohne das bewusstsein für andere unschlüssig herumstehen.
als zweiteres (und das laste ich der berghain-personalpolitik an) der ausfall eines der security-mitarbeiter, als unten schluss war: ich kann die frustration verstehen, wenn die sprachbarriere im weg steht, nicht mehr ganz fitten besuchern zu verstehen zu geben, dass der umweg über das treppenhaus der panorama bar genommen werden muss, um nach unten zur garderobe zu gelangen. das hätte durchaus mehr worte erfordert als „nach oben zur panorama bar“. stattdessen wurde der besagte besucher beim dritten mal einfach grob weggeschubst. wäre ich fußballkommentator, würde ich floskeln wie „zu grobes einsteigen“ bemühen. zum glück war der dritte im bunde (begleiter des betroffenen besuchers) erfolgreich um deeskalation bemüht, aber eigentlich wäre dies aufgabe des personals. ich werde das noch minimal erweitert ans berghain schicken, ehe ich grummelnd in der ecke auf kontaktaufnahme warte.

damit endlich zum positiven, und das betrifft den ganzen rest.
esposito mit der gleichen dramaturgie wie ein jahr zuvor eine etage tiefer: dubstep zu beginn, drum & bass in den letzten anderthalb stunden. klar band die öffnung des berghains zu mitternacht erstmal wieder ein paar leute, aber im vergleich zu ema (ebenfalls dubstep zu beginn) hatte er für mich inhaltlich die nase vorne. wobei das jammern auf hohem niveau ist.
erst recht ab 3 uhr, wo mensch vor guter musik auf beiden floors wirklich die qual der wahl hatte. auch wenn das set von lee gamble unmissverständlich klarmachte, dass jetzt hart raven angesagt ist, hat diese reef die sonst so etablierte räumliche ordnung für meine begriffe auf den kopf gestellt. will heißen: die panorama bar empfand ich über den gesamten verlauf musikalisch wilder. das ging beim durchaus technoiden, rauhen stil von nvst weiter (shazam ließ mich hier im stich, daher leider keine beispiele), toma kami blieb mit fast schon miami-bass artigen sachen über 140 bpm und später mit jungle-anleihen auch sportlich. und das fazit zu djrum hat jemensch bei reddit schon sehr gut auf den punkt gebracht: fucking hell!
hatte ich es zuvor noch von meiner kondition abhängig gemacht, bis zum schluss zu bleiben, war es am ende ein leichtes. wie schon im spätsommer in der else: ein parforceritt durch stile (dancehall, dubstep, jungle, drum & bass, hardcore-techno, braindance) und tempi, was sich auf dem papier wie chaos liest. aber aus seiner hand ging das so stimmig ineinander, dass amateur-djs still nach hause schleichen und sich erstmal für drei monate in klausur begeben wollen, um nur mal annähernd in die nähe zu gelangen (ich rede von mir). konsequent mit vinyl auf drei decks, und auf einmal ist auch der sinn der effekteinheit am pioneer djm klar. eine auch beim schlusstrack um 10 uhr immer noch gut gefüllte panorama bar und langer applaus sprechen für sich.

damit habe ich das berghain nur stiefmütterlich abgedeckt, dabei war dbridge dort auch ein hochgenuss und der grund, weshalb ich toma kami nur ausschnittsweise mitbekam. auch wenn er gut anderthalb stunden eher auf techno-tempo unterwegs war, dachte ich wieder einmal schelmisch daran, dass gestandene drum & bass-veteranen den meisten der jüngeren djs zeigen, wie das ganze auch interessant geht. und das ohne holzhammer, sondern mit der reduzierten soundästhetik, wie er sie seinerzeit mit autonomic mitgeprägt hat. toll von anfang bis ende. da hatte darwin keine schwierigkeiten, mit drum & bass anzuknüpfen und später mit footwork und einem remix von kylie minogues „slow“ zu landen (sehr wahrscheinlich ein bootleg, das shazam natürlich nicht gefunden hat. wer da mehr weiß, kommentiert einfach.). ihr hätte ich es gegönnt, noch eine stunde länger als „nur“ bis 8 uhr machen zu können. voll genug wäre es gewesen und der stimmung hätte das auf beiden floors meinem eindruck nach nicht geschadet.

also wieder mal klasse mit großer stilvielfalt und ein dafür dankbares publikum obendrauf. schade, dass es nur drei termine im jahr sind. geht es nach dem andrang vor der tür (und meinen wunschvorstellungen), ist der bedarf nach mehr durchaus vorhanden. aber andererseits bleibt die reef damit auch ein termin, auf den mensch sich besonders freuen kann. für mich entwickelt sie sich nicht nur zu einem bloßen dauerkartenabonnement, sondern ist auf dem besten weg zur herzensangelegenheit.

trackauswahl (*: shazam)

esposito
kercha – new world*
11th hour – foolish* (direkt danach)
onhell – the rake it up riddim (korostyle remix)*
j:kenzo – hoodwinked
fixate – focus*

ema
dlx – matter of fact (breakage’s relatively speaking mix)*
baitface – disrobe*

lee gamble
icicle – dominate (former remix)*
jurango – drolle posse
blawan – rubber industry

dbridge
henzo – the prowl*
eich – bleak*
coen – rattlesnake*
boofy – more or less*
yoofee – seek & move (molokai remix)*
plastikman – hypokondriak (auf um die 160 bpm)
goldie – inner city life (break remix)
itoa – hush hush*

toma kami
special request – vortex 150
rebound x – rhythm & gash (samurai breaks bootleg)*

darwin
rdg – lemon (feat. ill chill)*
dub phisix & skeptical – marka (feat. strategy)*
dj rashad – work 07*

djrum
danny goliger & choopsie – cycling*
the duke of juke – feel my mf bass*
struktur – 1 (a1)
squarepusher – theme from ernest borgnine
happa – blackberreh!*
gila – trench cadence
sha ru – temporary iteration*
kimyan law – komorebi*

[berlin / 09.03.2018] berghain: downwards

mir gefällt diese flexibilität, die freitags vom publikum gefordert wird. entweder man geht gezielt hin und weiß, warum mal nicht die säule, sondern wieder das berghain geöffnet hat oder lässt seine erwartungen völlig auf den kopf stellen. gespannt bin ich auf alle, nur weiß ich nicht, wie die kondition mitmacht.

downwards
00h00 regis
03h00 jk flesh live
04h00 samuel kerridge
07h00 lee gamble

eintritt
12 euro

nachbetrachtung
dank vorschlafen und nicht zeitig aus dem knick kommen hat es gerade mal gereicht, zu jk flesh aufzuschlagen. das war auch ok, aber im gegensatz zu seinen produktionen etwas statisch.

samuel kerridge wie immer eine bank und keiner scheu, auch mal das tempo anzuziehen, so dass er gegen ende bei drum&bass gelandet ist:
underground resistance – the final frontier
autechre – second peng
jung an tagen – 22:53 (0) sets mode
source direct – black rose (ja, im original, nicht im blawan-remix)
doc scott – here come the drumz (remix)

auch lee gamble setzte zum schluss dort an, wo er vor ein paar jahren bei einer leisure system eine etage weiter oben angesetzt hatte. das werden downwards-puristen wahrscheinlich nicht so erwartet haben, aber für leute wie mich, die der sub:stance immer noch etwas nachtrauern, war das goldrichtig:
lamont – titanic
randomer & cadans – angry fiddle
beneath – wonz
walton – flute riddim
pangaea – bone sucka
tessela – helter skelter

hatte also eher den anschein einer leisure system, aber andererseits hat regis auch einen weiteren horizont als industrial, new wave und techno, so dass dieser bass-lastige stil gerade nach hinten raus auch mehr als passte. wieder einmal ein musikalisch wertvoller freitag, bzw. eher samstagmorgen.