franz schulz vs. berliner linie

was ich nicht alles verpasse, wenn das wochenende wieder einmal dem techno-marathon geopfert wird…

in kreuzberg wurde am wochenende tatsächlich mal wieder ein zur hälfte leerstehendes haus besetzt, ein entsprechender einsatz der polizei ließ nicht lange auf sich warten, ging aber scheinbar unspektakulär über die bühne. nun besinnt sich der bezirksbürgermeister von friedrichshain-kreuzberg franz schulz auf die wurzeln der grünen, die sich anno 1981 als alternative liste in kreuzberg unter anderem mit der solidarisierung mit der hausbesetzer-szene profilieren konnten. damit kommt er nicht ungelegen: wer aktuell im inneren bereich des s-bahn-ringes in den entsprechenden bezirken eine wohnung sucht, kann ein lied von maklerprovisionen und nettokaltmieten über 10 euro pro quadratmeter singen.
franz schulz möchte daher nun die berliner linie, ihrerzeit unter dem senat von hans-jochen vogel eingeführt, durch die holländische linie ersetzen. erstere schreibt besetzungen den straftatbestand zu, die nicht länger als 24 stunden geduldet werden sollen, sofern der eigentümer die räumung beantragt. in holland wird (bzw. wurde) eine besetzung bei längerem leerstand geduldet.

für mich in zweierlei hinsicht erstaunlich: der ganze sachverhalt ähnelt vom spekulativen charakter frappierend den vorgängen, die zur west-berliner besetzungswelle ab 1980 geführt haben. und natürlich ist es gut, wenn auf diese missstände, die zur verdrängung der angestammten szenen und bewohnern führen, in dieser form hingewiesen wird. ich hatte schon fast angenommen, dass nach der erfolgreichen mietenstopp-demonstration im letzten september wieder ruhe eingekehrt wäre. insofern gut zu wissen, dass das engagement immer noch vorhanden ist und die aktion an sich genau wie vor gut 30 jahren dazu beiträgt, das thema aktuell zu halten.
erstaunlich auch, dass franz schulz in die fußstapfen seiner vorgänger wie werner orlowsky oder volker härtig tritt (wobei letzterer der farbe grün abgeschworen hat und zur roten seite der macht gewechselt ist), die besetzungen bei leerstand als legitim erachteten und daher deren kriminalisierung ablehnten. so weit, so schön. angesichts von spekulationsobjekten wie in der mittlerweile zwei mal besetzten schlesischen straße 25 mit entsprechenden polizeieinsätzen, die dazu führten, dass das haus mit immer noch zwei verbliebenen mietparteien zum großteil leersteht, muss schon die frage erlaubt sein, ob herr schulz nicht einen kampf gegen windmühlen führt und mit seinem schachzug versucht, die wähler zu beruhigen.
mein immer noch vorhandener glaube an das gute im menschen lässt mich aber zu dem schluss kommen, dass der beitrag für die längst überfällige wohnungspolitische debatte im großen rahmen ein schritt in die richtige richtung ist. schöner wäre es jedoch, wenn den besetzern in spe nicht die rolle der seismographen für ramponierte objekte in sehr toller lage zukäme, die nach getaner arbeit gegenüber investoren den kürzeren ziehen dürfen.

via tagesspiegel.

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