geht ja schlag auf schlag momentan, aber die heutige verkündung des berliner mietspiegels gab auch eine steilvorlage. schön, dass die gleich auf die altbekannte art und weise umgesetzt worden ist.
disclaimer: wer sich an der tickerartigen darstellung stört, sollte im voraus wissen, dass das als erlebnisprotokoll konzipiert ist – und als ergänzung zu dem, was beim tagesspiegel (überraschenderweise) am ausführlichsten behandelt wird, aber auch bei taz und berliner zeitung erwähnung gefunden hat. verwendung von bildern: gerne, aber nach vorheriger rücksprache (kontakt im impressum), bezüglich der videos siehe untenstehenden hinweis.
18:00, cuvrystraße
auf dem heimweg von recherchen im papiertiger fällt mir an häuserwanden neben all den plakaten der mieterinitiativen ein frisches, weißes flugblatt auf.
die argumentation könnte jedem bekannt vorkommen, der sich mit der bürgerinitiative so 36 auseinandersetzt, ein paar blicke in den südost express riskiert hat und daher um deren beitrag zu dem besetzungsboom anfang 1981 weiß. klare sache also, die einladung anzunehmen.
18:09, schlesische straße
ankunft. vor und im haus reges treiben.
anschließend ab in den hof, in dem die versammlung tagte. abstimmung der weiteren aktionen (präsenz vor oder im haus, bzw. im hof – ergebnis: am besten überall), dazu noch die frage, wer alles an einer wohnung in dem objekt interessiert wäre (wenigstens 20 meldungen). lief erstaunlich diszipliniert ab, was aber auch an der „moderation“ gelegen haben könnte.
18:30, schlesische straße
rundgang durch das vorderhaus, in dem noch eine mieterpartei wohnt (im – verriegelten – hinterhaus noch eine weitere). eindruck: wohnungen, die mit etwas fachwissen schnell wieder hergerichtet werden könnten. dazu wäre nicht mal eine gründliche anhebung des standards nötig, es würde eine normale instandsetzung ausreichen, die in den letzten jahren sichtlich ausgeblieben war. keine fotos, auch nicht von der versammlung im innenhof, dort wurde auch ein kamerateam mit bestimmtem tonfall weggeschickt.
18:45, wrangelstraße
ortswechsel zum copy-time nähe der skalitzer straße, auf dem hinweg bereits mehrere mannschaftswagen auf der oberbaumbrücke gesichtet. der vertreterin der mieterinitiative gegen verdrängung, die vor dem besetzten haus einen stand betreute, gingen die flugblätter aus. also 100 stück kopiert, „macht 5,50, aber geb mir 5 euro, ist schließlich für den kiez.“
19:36, schlesische straße
ansage: „die polizei hat sich von der oberbaumbrücke in bewegung gesetzt, jetzt sollte jeder überlegen, wo er sich hin orientieren möchte. entweder ins haus, in den hof oder auf die straße.“ kurze zeit später fuhren die ersten wagen vor.
19:38, schlesische straße
die polizei verschafft sich mit nachdrücklichen argumenten zutritt zum haus. sorry wegen der verwackelten kamera, aber es hat einfach meine multitasking-fähigkeiten überschritten, mir einen sichereren platz zu suchen, dabei nicht aus versehen in jemanden hineinzurennen oder eine fliegende flasche abzukriegen und dann auch noch die kamera ruhig zu halten.
(der junge herr rechts im bild stand bis vor wenigen sekunden alleine auf der straße und wurde kurzerhand in den schwitzkasten genommen. nach einem kurzen wortgefecht hatten sich beide seiten wieder beruhigt.)
19:42, schlesische straße
der erste wird in gewahrsam genommen.
20:02, schlesische straße
die schlesische straße ist zwischen taborstraße und heckmannufer von polizeiketten abgeriegelt. man kommt inklusive fahrrad noch raus, aber nicht mehr rein.
20:11, heckmannufer ecke schlesische straße
die polizei räumt den abschnitt unmittelbar vor dem haus, einsatz von schildern und ellenbogen.
20:24, schlesische straße höhe schlesische brücke
Polizisten schleifen eine frau 5 Meter an den Haaren über Straße, prügeln mit fäusten und Knien auf einzelne #schlesische25
(zitiert nach dem tweet von christianberg.)
die situation kurz danach aus der entfernung (und mit gewohnt unruhiger hand) betrachtet. keine zwei minuten später waren die damen und herren in grün wieder bei ihren kollegen an den mannschaftswagen.
(über dem „polizei“-schriftzug: ein beamter schubst eine frau unsanft nach hinten.)
20:40, schlesische straße höhe schlesische brücke
die situation hat sich schnell wieder beruhigt. es haben sich einige (weibliche und männliche) aktivisten im haus verbarrikadiert, die sich in den letzten stunden regelmäßig an fenstern und balkon gezeigt haben (inklusive der warnung „wir haben ehec, ehec, ehec.“). nützt alles nichts, auch sie werden in der nächsten halben stunde nach draußen begleitet.
als kontrapunkt zum sonst mir unverständlichen vorgehen gegen friedliche demonstranten das verhalten der polizeikette auf der rechten seite der schlesischen straße in richtung schlesisches tor: da stand die deeskalative fraktion, die in aller ruhe mit den anwesenden diskutierte und die fragen hinter dem einsatz beantwortete, und vor allem auskunft gab, dass man doch bitte den umweg über das heckmannufer nehmen solle.
schlussendlich haben sie lediglich den strafantrag der gsw umgesetzt, den diese interessanterweise während der räumung zurückzog. verhandlungen über den weiteren verbleib der besetzer wurden unterbrochen, als die beamten die temporären bewohner aus dem haus begleitete. ein privater sicherheitsdienst meldete bei der polizeikette an, die sicherung des hauses zu übernehmen. der „moderator“ der diskussion auf dem hof teilte noch mit, dass es eine angemeldete solidaritäts-demonstration ab dem schlesischen tor geben solle, die sich um 21:30 allerdings noch formierte.
es ist zwar definitiv zu früh, von einer wiederbelebung des häuserkampfes zu sprechen, aber die parallelen stechen dennoch ins auge, wenn man dessen entstehung betrachtet. die besetzungsaktion an sich war toll organisiert, ähnlich wie vor 30 jahren hatte sich ein bündnis aus mieterinitiativen und studenten gefunden, die einfach in aktion getreten sind, und der zeitpunkt hätte wirklich nicht besser gewählt werden können. das ganze noch mit schönen spontanaktionen garniert (ein „hupen gegen hohe mieten“-schild auf der schlesischen straße fand ziemlichen anklang) – in kreuzberg hat man’s wohl tatsächlich nicht verlernt, öffentlichkeitswirksam auf bestehende missstände aufmerksam zu machen. scheinbar haben die mieterinitiativen dabei so gute vorarbeit geleistet, dass die identifikation im kiez mit solchen aktionen vorhanden ist, sofern das beispiel aus dem copy-shop dafür überhaupt herhalten kann.
den besetzern (und den übrig gebliebenen bewohnern) ist ein zweiter anlauf jedenfalls zu wünschen. würde mich auch nicht wundern, wenn es demnächst neue leerstandslisten gäbe – die gsw scheint da im letzten jahrzehnt (systematisch) einiges verschlafen zu haben.
addendum no. 1, 31.05.2011, 2:42: videos bis auf weiteres wegen erkennbaren gesichtern entfernt.
addendum no. 2, 31.05.2011, 13:44: die videos bleiben zum personenschutz unverlinkt, stattdessen gibt es standbilder daraus mit weichzeichner auf den gesichtern. sofern jemand sein juristisches oder journalistisches interesse glaubhaft zum ausdruck bringt, stelle ich sie demjenigen zur verfügung.
addendum no. 3, 31.05.2011, 14:06: bei vimeo ist ein (wesentlich besser gemachtes) video hochgeladen worden, was den tag von der demonstration vor dem gebäude der gsw bis zur räumung der schlesischen straße 25 in sieben minuten gut zusammenfasst.
Schlesische Strasse 25 from Cut Killhup on Vimeo.
addendum no. 4, 31.05.2011, 21:26: wer einen detaillierten taz-bericht zur besetzung und dem dilemma mit der angedachten, jedoch nicht realisierten sanierung vermisst hat – den gibt es jetzt hier. kurz zu den aussichten: das haus ist vor kurzem an eine private verwaltungsgesellschaft verkauft worden, mit der jetzt über eine nutzung der räume durch die besetzer verhandelt werden soll. wird sich zeigen, ob wegen des polizeieinsatzes die alten gräben zwischen administration und opposition der straße wieder aufbrechen.