es geht gerade durch die presse. der mann, der von der insel aus maßgeblichen einfluss auf club- bzw. dance-musik nahm (two lone swordsmen, sabres of paradise), ist heute früh verstorben. lungenembolie, mit 56 jahren. einer derjenigen, die immerhin ein großes oeuvre hinterlassen, das auch nachträglich noch erschlossen werden kann (das als notiz an mich), aber ich bin mir sicher, dass auch er hätte noch mehr bewegen können.
r.i.p.
[berlin / 15.02.2020] berghain: klubnacht
endlich wieder ein ilian tape-showcase, wo ich die trackerkennung als fanboy als hintergrundtask laufen lassen kann. möchte die gelegenheit aber auch nutzen, auf das label-portrait in der taz hinzuweisen, das bereits anfang januar erschienen ist und hier am besten passt.
berghain
00h00 stenny
04h00 andrea live
05h00 zenker brothers
09h00 skee mask
12h00 overmono
15h00 martyn
19h00 pariah
22h00 steffi
02h00 barker
panorama bar
00h00 virginia
04h00 titia
08h00 oracy
12h00 margaret dygas
16h00 l.b. dub corp
19h00 gonno
22h00 nick höppner
02h00 the carry nation
säule
20h00 tobias. live
eintritt
18 euro
5 euro bei wiedereintritt
nachbetrachtung
schichtdauer: mal wieder überstunden. 9 uhr bis 2 uhr.
das lag vorrangig an meiner freude darüber, dass es diese unaufgeregten sonntage noch gibt, an denen sich musikbegeisterte versammeln und über genregrenzen hinweg einfach nur spaß haben wollen. parallel fand in der alten münze / griessmühle im exil die synoid statt, die weite teile der techno-fraktion mit präferenzen für deutliche 4/4-kickdrums gebunden haben dürfte. ergebnis war, dass das platzangebot selbst zu mittlerweile berüchtigten stoßzeiten wie sonntagabend erstaunlich gut war.
es kamen also zwei für mich mittlerweile essentielle dinge zusammen: musik auf mindestens gutem (overmono, nick höppner, letzteren aber zu kurz gehört), meistens aber überdurchschnittlichem bis hervorragendem niveau. ich ärgere mich nur etwas, oracy aufgrund von sonntagsträgheit nach dem aufstehen verpasst zu haben.
insgesamt: skee mask sowie martyn sind für mich gleichauf bei den sonntagsfavoriten. ersterer hat eher ein techno-set mit grime/dubstep/bass-sprenkseln abgeliefert, wobei für mich bemerkenswert war, dass die leute gerade bei sowas gejubelt haben. martyn hat tief im archiv gewühlt und neben uk-hardcore (bei dem shazam in einer tour weg kapituliert hat) auch dubsteppiges gespielt – und damit nicht unbedingt den floor geleert.
margaret dygas für mich locker im oberen drittel als schöner ausgleich zu overmono, die sich erst in den letzten 30-40 minuten so richtig getraut haben, auch mal herumzuexperimentieren.
tobias. gab‘s gut zwei stunden lang. trippiger techno, mit dem er zwar das rad nicht neu erfand. aber erstens wäre dies heutzutage der erwartungen eh etwas zuviel, damit zweitens nicht notwendig und drittens vernachlässigbar, da wahnsinnig ausgefeilter sound, bei dem jede frequenz genau dort saß, wo sie sollte. habe dadurch pariah verpasst, aber dafür bot steffi wie immer sichere qualität.
notierte tracks (°: shazam)
skee mask
reeko – selección natural parte 1°
jeff mills – alarms / ufo (nicht hintereinander. „alarms“ in der ersten, „ufo“ in der zweiten stunde.)
grandmixxer – slsa (pk version)°
helix – pulse techs°
the pump panel – ego acid
takaaki itoh – insistence°
trends – red stripe riddim°
jon e cash – invasion°
borderlandstate_the best kisser in l.a – interlinked
grandmixxer & jeb1 – lambeth yardies°
boylan – start up (feat. flowdan)°
dj shufflemaster – geylang°
karl o‘ connor & peter sutton – guiltless
tc4 – chopper°
dizzee rascal – stand up tall (direkt danach)
lj – prototype (direkt danach)°
hudson mohawke – furnace loop°
margaret dygas
mike dehnert – leerlauf°
overmono
im laufe der ersten stunde:
joey beltram – game form (mike dearborn remix)
joy overmono – bromley
und in den letzten 30-40 minuten:
toasty – the knowledge
overmono – le tigre°
errorsmith – stiff neck
emptyset x danny brown – income tax swag (dis fig bootie)° (gibt’s leider nur auf soundcloud und wahrscheinlich nie offiziell. eigentlich ein jammer – das ist so böse gut.)
martyn
female – surrounded by enemies°
jeff mills – masterplan
stratton – coming°
h&m – real life (und damit insgesamt ganz schön viel alte mills-sachen an diesem tag)
skee mask – juug (direkt danach)
karenn – kumquat (direkt danach)
joey beltram – caliber (direkt danach)
hornsey hardcore – the wiz° (wohinter jerome hill steckt)
steve poindexter – return to ghetto°
champion & melé – get down°
walton – rolla
killawatt & ipman – sur place°
aquarian – hydropulse°
robert armani – circus bells (hardfloor remix)
martyn – one eye° (direkt danach)
sterac – astronotes° (letzter track)
steffi
boddika – steam
random noise generation – echelon
residentadvisor – artikel-digest 2020/01
wer es noch nicht bemerkt hat: ich räume gerade ein bisschen hier auf. dazu zählt auch, postings zu artikeln abzusetzen, die ich vor längerem schon posten wollte. und da haben sich einige reiter in den browsern meiner wahl angesammelt, deren inhalte tatsächlich schon fast fünf jahre zurückreichen. es wird also mal zeit, die irgendwie zu konservieren. daher also gesammelt anstelle als einzelposting. anlass dazu ist das gestern erschienene „the art of djing“-feature zu lena willikens.
the art of djing
lena willikens (11.02.2020)
craig richards (26.11.2019) – mit einem der sätze für die ewigkeit: „The concept of giving everyone what they want is something that I can’t support.“
dr. rubinstein (21.05.2019)
avalon emerson (06.02.2019)
objekt (09.09.2016)
dann noch zu rephlex:
label of the month: rephlex (20.08.2019)
aphex twin on the rephlex years (20.08.2019)
und wo ich schon bei rephlex bin, sind die beiden nicht allzu weit:
autechre: elseq et al (08.06.2016)
ein thema aus ihren news, das mir sehr am herzen liegt:
73 percent of independent musicians say they struggle with mental health (09.05.2019) – der zugrundeliegende bericht lässt sich direkt von dort abrufen.
zur stetig wachsenden blase um top-djs und den damit verbundenen konsequenzen für booker, promoter und clubs:
the promoter’s dilemma (10.03.2017)
und ein schon etwas älterer runder tisch dreier tontechniker aus japan:
sound engineering for dancefloors (04.02.2015)
monis rache nimmt stellung
und wieder einmal werde ich von der realität eingeholt: vorgestern noch im vorherigen posting schön seitenhiebe verteilen, und auf einmal passiert das, womit ich so schnell nicht gerechnet habe. meine beileibe nicht alles abdeckende wertung folgt gleich. die stellungnahme an sich werde ich hier nicht reinkopieren: erstens sprengt deren ausführlichkeit den rahmen, zweitens ist diese nur ausgangspunkt für die aufarbeitung und soll daher drittens fortlaufend ergänzt bzw. aktualisiert werden, weshalb viertens die monis rache-website der beste anlaufpunkt ist. ich belasse es beim wortlaut des newsletters, den ich ohne triggerwarnung einfüge.
Dieser Newsletter dient dem Zweck auf Straftaten bei Monis Rache im Jahr 2016 und 2018 und auf unser ausführliches Statement dazu hinzuweisen, welches sich nun auf unserer Homepage www.monisrache.wtf befindet. Dieses Statement wurde erstellt, um sich bei den Betroffenen zu entschuldigen, für sie wichtigen Informationen transparent zu machen und unterschiedliche Unterstützungsangebote zur Verfügung zu stellen. Es behandelt die auf Monis Rache stattgefundenen Taten sexualisierter Gewalt, den Prozess der Aufarbeitung und warum Monis Rache so lange bis zu einer angemessenen Stellungnahme brauchte. Auch dafür möchten wir uns entschuldigen!
(newsletter von newsletter@monisrache.wtf vom 06.02.2020)
Von den Straftaten ist eine unbestimmt große Anzahl von Menschen betroffen, möglicherweise ohne darüber Bescheid zu wissen. Auch du könntest betroffen sein. Sollten nach dem Lesen noch Fragen offen geblieben sein, oder du möchtest Anmerkungen machen, kannst du uns per Mail oder direkter Facebook-Nachricht erreichen.
Das Statement enthält eine Kurzfassung und thematisch gegliederte ausführliche Informationen. Alle Textinhalte öffnen sich erst nach einem Klick auf die jeweilige Überschrift. Auf diese Weise versuchen wir zu gewährleisten, dass du sowie andere (potentiell) Betroffene selbst entscheiden können, welche Informationen ihr lesen möchtet.
Wir verurteilen diese Gewalttaten sehr. Wir wollen dies jedoch nach dem ersten Schock auch als Chance und Anstoß nutzen, die Überwindung sexualisierter Gewalt voranzutreiben, und zu einer gesamtgesellschaftlichen Thematisierung beitragen.
da ich in puncto differenzierung noch eine weite strecke vor mir habe, gibt’s die wertung im stark vereinfachenden -/+-schema, angefangen mit den kritikpunkten:
– kritik am staat (in punkt 9: „umgang mit dem täter“) darf gerne geäußert werden. betroffene können sie jedoch in der aktuellen formulierung, die das konzept der transformative justice über den umgang staatlicher institutionen mit anzeigen stellt, in den falschen hals bekommen. zwar wird nicht an selbstkritik gespart, dass das konzept von der erstkontaktgruppe (ekg) von vorne bis hinten falsch angewendet worden ist. aber würde ich den punkt als betroffene*r isoliert lesen, bliebe dies trotz explizitem hinweis auf einen selbstdefinierten umgang mit der situation schon als etwas bevormundend hängen.
– das eingeständnis des eigenen unvermögens in weiten teilen des textes ist für mich glaubhaft und hätte genutzt werden sollen, sich noch stärker um vernetzung oder gar hilfe zu bemühen. als beispiel wieder aus kapitel 9: „Die EKG als Teil der Monis Rache Crew hat Täterarbeit geleistet, die die Interessen der Betroffenen nicht einbezogen hat. Daher steht es für viele außer Frage, dass eine Verantwortungsübernahme des Täters nur unabhängig von der Monis Rache Crew geschehen kann. Wir können uns vorstellen ggf. externe Gruppen bei der Arbeit zu unterstützen. Wenn sich professionelle Stellen des Themas annehmen wollen, freuen wir uns über Rückmeldungen.“ – warum nur „vorstellen“, wenn ihr mit der internen aufarbeitung beschäftigt seid und teile der betroffenen euch u.a. aufgrund der langen wartezeit und dem ungeklärten weiteren umgang mit der ekg eine weitere täterarbeit nicht zutraut? die glaubhafte selbstkritik hätte sich dazu nutzen lassen, klarer zu formulieren, dass externe, gar professionelle gruppierungen bei der richtigen umsetzung des konzepts helfen sollen. ein satz wie „Wir werden externe sowie professionelle Gruppen für diese Arbeit hinzuziehen und freuen uns über Rückmeldungen unter (E-Mail-Adresse einfügen).“ tut niemandem weh und untergräbt auch nicht die autorität (die in den letzten vier wochen etwas gelitten hat).
+ wurde ja auch mal zeit! und dann ausführlicher als ich es gedacht hätte. beinahe schon erschlagend in den details, so dass mensch geneigt sein kann, dass sie kritiker*innen mit einer möglichst detaillierten darstellung den wind aus den segeln nehmen wollen. da mag etwas dran sein und auch wenn das gegenüber der arbeit, die offensichtlich in diese stellungnahme eingeflossen ist, leicht vermessen sein könnte: sie ist ein erster (und für mich gar nicht mal so unerheblicher) schritt in die richtige richtung.
+ die absage des festivals für 2020 ist nur konsequent. klar lässt sich jetzt auch mit „reines kalkül!“ argumentieren, da mensch nach bekanntwerden der vorfälle und der sich daran anschließenden suboptimalen kommunikationspolitik eins und eins zusammenzählen konnte, was für auswirkungen das auf den vorverkauf haben wird. autonome strukturen hin oder her, aber rechnen muss sich das ganze am ende irgendwie doch. wohlwollend nehmen sie für mich jedoch den schwereren und für mich sympathischeren weg als den, das festival auf biegen und brechen über die bühne zu bekommen.
+ auch wenn mensch es als kritikpunkt auslegen kann, da es den fokus von den vorfällen auf monis rache ablenkt: sie machen einen sehr guten punkt, indem sie diese form von sexismus nicht nur auf ihr festival beschränken. wie mensch seit anfang der woche weiß, ist das auch anderweitig ein problem und ungewiss, welche festivals außerhalb der linken techno-blase noch davon betroffen sind. es ist für mich ein richtiger hinweis, sexismus als gesamtgesellschaftliches problem zu sehen, zu dessen eindämmung awareness sowie die interne aufarbeitung bei moni nur teile beitragen.
+ reine formsache: der ausschluss des täters und der ekg war das, was ich mir als konsequentes handeln vor einem monat gewünscht habe. gut zu wissen, dass es auch recht zeitnah so gekommen ist.
insgesamt: besser spät als nie und in seiner ausführlichkeit auch richtig. es wäre für mich aktuell zu früh gewesen, die entscheidung zu treffen, ob ich dieses jahr hinfahre. aber die frage stellt sich jetzt wegen der absage ohnehin nicht. sie haben mit der stellungnahme für mich einen ersten weiten schritt in puncto „transparenz“ gemacht und eine gute grundlage dafür geschaffen, den status der aufarbeitung ebenso transparent darzulegen.
obwohl (wieder) anmaßend mal als direkte anrede: ich wünsche euch sehr, dass ihr das nun festival-freie jahr dazu nutzt, euch mit den richtigen partner*innen zu vernetzen, die sowohl eure interne als auch die aufarbeitung auf seiten des täters vorantreiben können. ich wünsche mir weiterhin, dass ihr die stadien der aufarbeitung auch weiterhin nachvollziehbar veröffentlicht. wenn es nach mir geht, muss das nicht wöchentlich sein, aber wenn es durchbrüche oder auch deren pures gegenteil gibt: zögert bitte nicht, benennt dies. zumindest meine wenigkeit liest das sehr interessiert und wird euch auch an dem anspruch messen.
zu guter letzt: ich hoffe sehr, dass ihr gestärkt aus all dem hervorgeht. bin gespannt auf die nächsten monate.
fusion-statement zu spannervideos
update, 07.02.2020, 18:58 uhr: pressespiegel wird hinzugefügt, springer dabei außen vor gelassen. könnte das zur gewohnheit werden lassen.
gehofft hatte ich es, aber auch die fusion ist nicht von vorfällen dieser art gefeit. mir ging nach dem dilemma um monis rache aber auch durch den kopf, wie der kulturkosmos reagieren würde. und siehe da: nicht mal eine woche nach bekanntwerden gibt es eine klare stellungnahme im fusion-forum mit handlungsempfehlungen für betroffene und was bereits geschehen ist (so viel kann verraten werden: die videos sind per einstweiliger verfügung gelöscht worden).
das statement findet ihr im wortlaut hier eingefügt. aufgrund der möglichkeit, dass sich leser*innen davon getriggert fühlen könnten, ist das jedoch nur mit gezieltem klick sichtbar. und verzeihung, wenn ich mir den seitenhieb nicht verkneifen kann, aber sollte das moni-gremium hier mitlesen: so ungefähr geht das mit der kommunikation.
pressespiegel
supernovamag (04.02.2020): kameras in duschen: auch auf der fusion kam es zu sexualisierter gewalt
netzpolitik.org (04.02.2020): übergriff unter der dusche
taz (04.02.2020): (k)ein ort für sexualisierte gewalt
groove (04.02.2020): fusion: macher*innen äußern sich zu spannervideos
heise.de (05.02.2020): duschvideos vom fusion-festival auf xxxxxxxx aufgetaucht (name der plattform bewusst gexxxt)
residentadvisor (06.02.2020): voyeur filmed showers and toilets at german festivals fusion and monis rache
analyse & kritik (18.02.2020): aber sowas kommt bei uns doch nicht vor
[berlin / 08.02.2020] philharmonie berlin: strom – festival für elektronische musik

zeitgenössische komponisten sind für die philharmonie nichts neues: die werke von steve reich oder philip glass waren bereits in den heiligen hallen zu hören. neu ist jedoch, dass sie sich für die elektronik öffnen. dies geschieht am zweiten februar-wochenende mit einem angebot, das bei clubbern und veteranen-nerds gleichermaßen für entzückung sorgen dürfte. bei mir wird es aus nachvollziehbaren fanboy-gründen der samstag.
line-up
20h00 – 21h00 / foyer: søs gunver ryberg live
21h15 – 22h15 / großer saal: cristian vogel – agnete and the merman live
22h15 – 23h45 / foyer: deena abdelwahed
00h00 – 00h45 / großer saal: ryoji ikeda live
00h45 – 02h45 / foyer: nina kraviz
hermann-wolff-saal: robert henke – phosphor installation
foyer: marco c visuals
eintritt
13 bis 52 euro (es gibt aktuell nur restkarten, aber die sind dafür günstig)
nachbetrachtung
„neuauflage. unbedingt!“ – jedenfalls dachte ich mir das währenddessen, beim herausgehen und auch jetzt noch (das fazit schreibe ich am 6. april 2020).
zwar habe ich am freitag verpasst, wie die leute zu kruder & dorfmeister im großen saal getanzt haben. bei ryoji ikeda wäre das für mutige auch gegangen. aber da war das audiovisuelle erlebnis einfach zu stark, so dass die netzhaut mit den schwarz-weißen visuals (ihrerseits eine perfekte abbildung des in seine micro-bestandteile zerlegten sounds) schon genug beschäftigt war. die atonalität tat ihr übriges für das trommelfell bis kurz vor schluss. für mich wahnsinnig gut und noch vor cristian vogel, der allerdings den tänzer aus „agnete and the merman“ dabei hatte. während seines sets musste ich lernen, was „billige plätze“ bedeutete. hatte ich den hinweis auf fehlende sicht bei der buchung noch mit dem wissen um die räumlichkeiten der philharmonie belächelt, fand ich mich hinter der riesen led-wand sitzend eines besseren belehrt.
es kam aber entgegen, dass große teile der sitzreihen im saal gegenüber einfach nicht besetzt waren und die tickets auch nicht stark kontrolliert worden sind. mit anderen worten: ziemlich freie platzwahl und damit in der zweiten hälfte bei cristian vogel auch freie sicht.
„phosphor“ kam gänzlich ohne sound aus. hab trotzdem erst den externen hinweis gebraucht, dass es sich nicht um mehrere laser handelt, die dort spuren hinterlassen, sondern um einen einzigen, der zwischen den einzelnen pfaden schnell hin und her sprang. den strahl an sich bekam mensch auch nicht zu gesicht, von daher war das eine schlüssige erklärung. den saal können sie beim nächsten mal auch gerne wieder als chillout-area verwenden, dann evtl. mit visuals an den wänden oder der decke und mit sitzsäcken in der mitte.
damit bin ich beim einzigen kritikpunkt: dem foyer als dancefloor. das klappte bei deena abdelwahed mit ihren vertrackten rhythmen (den positiven eindruck von der nachtdigital hat sie musikalisch bestätigt) oder dem eher drone-artigen intro von søs gunver ryberg noch am besten. aber für einen veritablen rave war das irgendwie nicht der richtige ort. zu hell die hintergrundbeleuchtung, zu schwammig der sound außerhalb der tanzfläche (die keine richtige war) zu sehr hauptsammelpunkt für alle zwischen den einzelnen konzerten im saal. damit wurde vielen nicht wirklich klar, ob mensch jetzt tanzen, sich unterhalten oder mit dem drink herumstehen sollte. insgesamt war es jedoch schön anzusehen, wie sich das techno-publikum mit den dauerkarteninhaber*innen der philharmonie mischte, die das alles teilweise durchaus interessiert zur kenntnis nahmen. beim personal war die zweiteilung sogar noch deutlicher, wobei der großteil absolut aufgeschlossen, entgegenkommend und freundlich war.
die motivation, die eher kopflastigen dinge aus dem saal mit der tanzmusik im foyer zu kontrastieren, kann ich komplett nachvollziehen. dramaturgisch war es auch goldrichtig gedacht, nina kraviz (die mit schön trockenem material aus der profan-richtung anfing, sich dann aber schnell zu acid vorarbeitete) an den schluss zu setzen. es fühlte sich für mich aber trotzdem befremdlich an, dort wie im club loszulassen. so war das eher eine (laue) demonstration dessen, was die stammgäste der philharmonie von den bildern der loveparade oder den erzählungen der (enkel-)kinder so kennen. gleichzeitig ist mir auch klar, dass mensch sich mit schweren strobo-geschützen bei erstausgaben in so einem renommierten rahmen erstmal lieber zurückhält.
ist aber jammern auf hohem niveau, ohne dass ich ein patentrezept hätte, wie es im foyer besser laufen könnte. das programm im saal sollte definitiv ausgebaut werden sowie auch weiterhin durchaus tanzbare musik und gerne auch dj-sets enthalten. sets wie von cristian vogel hätten auch durchaus im foyer funktioniert, was wiederum abstriche in der akustik bedeutet hätte. eventuell stieß mir auch der rein auf die acts focussierte aufbau etwas auf, so dass vielen keine andere wahl blieb, als in richtung bühne mit den visuals zu starren.
als idee(n): eventuell mehrpunktbeschallung anstelle zweier riesiger, die bühne flankierende funktion-one-türme. subwoofer an wenigstens vier orten im raum verteilt. tops für die tanzfläche lauter eingepegelt als für die seiten. lieber den gesamten raum bei den visuals einbeziehen, da dürfte mit mapping einiges gehen. die acts auf verschiedenen im raum verteilten bühnen positionieren. klare visuelle trennung der bereiche, so dass klar wird, dass hier gerne an drinks genippt oder von den canapés gekostet werden darf und dort die musik im vordergrund steht (im klartext: die beleuchtung im barbereich heller, den rest höchstens durch die visuals).
ich wäre auch fein damit, wenn die kuration den anspruch lockert, die erfahrung mit tanzorientierter clubmusik in der philharmonie nachbilden zu wollen. der großteil des publikums dürfte solche veranstaltungen eh als vorprogramm verstehen, um danach im club weiterzumachen. da kann mensch sich auch genauso gut darauf verstehen, abseitige strömungen als anschauungsbeispiele dafür stehen zu lassen, dass techno mehr als glitzer, sonnenbrille und 4/4-kick bedeutet.
soll alles aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass das eine für mich absolut gelungene premiere war, die hoffentlich auch das gusto der leitung des hohen hauses gefunden hat. sollte das der fall sein, fände ich halbjährliche ausgaben fantastisch.
[berlin / 08.02.2020] about blank: staub

sieben jahre schon. tolle entwicklung, in der sie sich nicht nur besuchertechnisch, sondern auch ihre bandbreite auf alle elektronischen spielarten (und darüber hinaus) erweitert haben. dabei fördern sie immer noch namen zutage, von denen ich nie gehört hätte und bleiben zugleich mit die bodenständigsten veranstalter, mit denen ich aus verschiedensten perspektiven zu tun hatte.
mehr gute gründe braucht es nicht. sie belohnen sich mit einer neuen veröffentlichung und dem 24-stunden-jubiläum, das meinerseits jedoch von einem anderen termin unterbrochen wird.
ablauf
lobby
10:00 evol
13:00 kimmy msto
17:00 davis
20:00 manfred tiek
23:00 verboten
02:00 magna pia
05:00 y.unan
07:00 near minds
mdf
14:00 manuel münster
17:00 yuka
20:00 knigi
21:00 nadine talakovics b2b irakli
00:00 fr. jpla b2b caleb esc
03:00 marcus l
06:00 sebastian bayne
zelt
14:00 mel
16:00 erik jäähalli live
17:30 i.nez
19:30 chikiss live
20:30 jondo
23:00 lichtfeld (lames)
01:00 dk.dent
05:00 sven von thülen
nachbetrachtung
die entsteht mal eben vier jahre danach am 24. januar 2024. ihr seid somit zeug*innen, wie ich versuche, meine erinnerung zu rekonstruieren.
wegen der strom war ich erst gegen 0:30 uhr da und habe auch die nachtschicht bei der künstler*innenbetreuung übernommen. weiß nicht mehr genau, bis wann ich dort war. aber den notizen auf meinem schlauen telefon und meiner shazam-historie nach zu urteilen bin ich bis mindestens 7:40 uhr geblieben.
geht es der restrealitaet nach, gab es samstags tagsüber in jedem fall einlassstopp am späten nachmittag und die schlange war auch abends ordentlich. für nachts kann ich mich weder an einen übermäßig nervigen füllgrad, der das arbeiten erschwert hätte, und (weitaus tragischer) nicht an viele details aus den sets erinnern. bei meinen notizen steht beispielsweise für fr. jpla und caleb esc (wörtlich) „mdreinedererstenfünf“ oder für sebastian bayne „pasystemsred“. teilentschlüsselung von ersterem: „marcel dettmann records – eine der ersten fünf katalognummern“. ich hab jetzt absolut keinen schimmer mehr, welcher track es davon gewesen sein könnte. zweiteres ist einfacher: „red“ von planetary assault systems.
sven von thülen habe ich noch weitestgehend mitbekommen – da lief u.a. der alan-fitzpatrick-remix von trus’me – i want you oder oni ayhun. da habe ich mir jedoch auch nicht notiert, welche es auf seinem label war (kann nur die dritte oder vierte katalognummer sein).
insofern kapituliere ich. kann nur nach hinten losgehen, das jetzt auf biegen und brechen noch auf das üblich detailversessene niveau zu hieven. lerneffekt: die lücke nicht mehr so groß bzw. lang werden lassen oder wenigstens in der restrealitaet mehr dazu zu schreiben. da hier noch einige dieser nachbetrachungen ausstehen, wird es wohl leider nicht bei diesem einen rekonstruktionsversuch bleiben. aber es macht evtl. meine arbeitsweise transparenter.
trackbeispiele aus shazam, ohne dass ich die jetzt noch irgendeinem*r dj zuordnen könnte
random xs – titan rain
twr72 – pulsation
jonas kopp – starbust
[berlin / 01.-03.02.2020] griessmühle: cocktail d‘amore xxl
bin seit einer stunde da. der wintergarten ist am vollsten, keine musik im silo, platz zur entfaltung in der halle. muss nur noch damit klarkommen, dass kein line-up aushängt.
update, 02.02.2020, 00:52 uhr:
chida hat das line-up bei instagram gepostet. damit kann ich auch die tracks später den djs zuordnen und der autist in mir gibt ruhe.
main room / halle
01.02.2020
00h00 cosmo vitelli
04h00 bell towers
08h00 chris cruse
12h00 jackie house
16h00 doc sleep
20h00 dj city
02.02.2020
00h00 abajour
08h00 vani-t
12h00 rroxymore
16h00 liad
20h00 omer
03.02.2020
00h00 chida
cosmic hole / silo
01.02.2020
02h00 massimiliano pagliara
06h00 pasiphae
10h00 pause
22h00 dama b2b trent
02.02.2020
22h00 budino
03.02.2020
02h00 juan ramos
wintergarten
01.02.2020
10h00 daniel wang
14h00 jeffrey sfire & jacob meehan
22h00 pause
02.02.2020
10h00 stella zekri
14h00 luigi di venere
18h00 alex from tokyo
eintritt
15 euro
nachbetrachtung
am 5. februar 2024 mit entsprechenden erinnerungslücken, die ich mit restrealitaets-beiträgen und shazam zu flicken versuche.
ich war zwei mal da. einmal am samstagnachmittag bis kurz nach mitternacht, dann nochmal am sonntagmittag bis kurz vor mitternacht. bin wie so häufig bei späten premieren mit dem gefühl raus, dass ich die cocktail schon früher hätte besuchen sollen. andererseits zählte sie bereits seit geraumer zeit zu den besucher*innenstärksten partys in der griessmühle und das hatte sonntagnacht schon berghain-ähnliche ausmaße angenommen. ist aber auch nur zu verständlich, weil’s wirklich die letzte party in der griessmühle war.
zwei dinge sind bei mir hängengeblieben: erstens das sehr gute rroxymore-set, zweitens das b2b von dama und trent, die eigentlich um 10 uhr fertig sein sollten, aber immer noch spielten, als ich wiederkam und die 24 stunden bis 22 uhr sonntagabend voll machten. tagsüber war’s vom füllgrad her definitiv am angenehmsten, abends stand hingegen herumschieben zwischen silo, halle und wintergarten auf dem programm. ehe das anlass für mich ist, in notorisch schlechte und potentiell ansteckende stimmung zu kommen, lasse ich den stammgäst*innen lieber ihren spaß.
zusammengefasst: mehr als standesgemäßer abschluss – sowohl für die griessmühle als auch die cocktail, die seitdem nicht mehr auf einen nenner gekommen sind. etwas pathetisch: tatsächlich das ende einer ära.
notierte tracks (allesamt shazam – und da ich sie den einzelnen djs nicht mehr zuordnen kann, gibt’s den zeitstempel)
mr g – ben & gerd (killin it m day) / 01.02.2020, 16:33
g.o.d. – shake it up / 01.02.2020, 17:13
the egyptian lover – i need a freak / 01.02.2020, 18:28
priori – leveler / 01.02.2020, 18:32
special request – reset it / 01.02.2020, 18:59
aril brikha – groove la chord (deetron remix) / 01.02.2020, 19:20
midland – final credits / 01.02.2020, 19:39
maruwa – freeze / 01.02.2020, 20:41
buzz kill – to cast a shadow / 01.02.2020, 21:03
dub syndicate – dubadissababa / 01.02.2020, 22:09
fisky – drum cast / 01.02.2020, 22:37
tafkamp – i laf you / 01.02.2020, 22:43
fisky – fabswift / 01.02.2020, 22:47
jean nipon – tepco cunts / 01.02.2020, 23:03
drew sky – temper tantrum / 02.02.2020, 00:00
dj zinc – 138 trek / 02.02.2020, 14:02
louie vega – see some light (feat. nick monaco & soul clap) / 02.02.2020, 14:20
kim english – nitelife (armand van helden retail mix) / 02.02.2020, 14:31
dj lag – drumming / 02.02.2020, 14:51
tsvi – aziza (feat. dj im) / 02.02.2020, 15:02
metrist – ob lopes / 02.02.2020, 15:19
prince – controversy / 02.02.2020, 16:37
chi chi liah – proud mary / 02.02.2020, 17:18
helen – witch (vocal version) / 02.02.2020, 17:26
[berlin / 26.01.2020] griessmühle: is this the end?
das line-up ist raus, praktischerweise als bild, das ich damit bequem hier reinkopiere. lässt sich organisatorisch bei mir nicht anders bewerkstelligen als sonntagabend und montagabend.


nachbetrachtung
das ging an der tür (dank vorarbeit durch die / bei der mother’s finest) sehr entspannt, und selbst drinnen war das platzangebot sonntagnacht noch gut auszuhalten. wobei das auch eindeutig der kürzere ausflug von beidem war.
mir fällt es auch nicht schwer, die favoriten zu benennen, auch wenn das sehr in schwarz-weiß-malerei ausartet. sonntagnacht war es die halle mit serge, der wunderbar zwischen hardwax, köln, brighton, neuerer schule, detroit und warp vermittelte.
montagabend waren mareena & stojche im silo die rettung. der wintergarten war bei daniel wang zumindest so proppevoll, dass rempeln an der tagesordnung gewesen wäre (und ja, mich spannt sowas mittlerweile eher an). sam buca (dj-alias des griessmühlen-chefs) spielte dort zum schluss noch drei italo-sachen und hat mich damit fast auf die probe gestellt. einen vierten track hätte ich nur mit etwas glück noch erkannt. da sich alle mittlerweile in meiner sammlung befinden und es auch noch ziemliche hits sind, ging das jedoch (es waren: kano – another life, mr flagio – take a chance, charlie – spacer woman).
die halle war für meinen geschmack in der zweiten schicht musikalisch nicht auszuhalten. kann zwar verstehen, dass die damen und herren anfang 20 noch sehr auf brachiale abfahrt stehen (ich war ja selber nicht besser), aber die aneinanderreihung billiger rave-signale wie bei i hate models hatte ich irgendwie ziemlich schnell satt.
ist wohl die neue härte, durch die alle, die mit der musik in den 1990ern aufgewachsen sind, um sie um die jahrtausendwende in den clubs zu erleben (und damit ihre musikalische dna für die einzig wahre halten), durch müssen. es gibt da parallelen zu hardtechno (unter der „schr…“-bezeichnung, der ich mich immer noch verweigere) so ab 2001/2, bis das ein jahr später auch nicht mehr tragbar war, aber in seiner nische bis heute existiert.
im silo hingegen: erstaunlich viel platz, zwei djs, die sich wunderbar die bälle zuspielten und eigentlich auch mehr resonanz verdient gehabt hätten. aber so ließ sich das dort bis in die nacht hinein genießen.
trackauswahl (°: shazam)
serge
equalized – 001 (b1)
truncate – modify
neil landstrumm – takks
dax j – the future°
aril brikha – groove la chord (lief auch später bei mareena & stojche)
f.u.s.e. – f.u.
fred gianelli – fox hunt°
jeroen search – the future is ours°
endlec – force of future°
blawan – peaches (coronation) (direkt danach)
mescalinum united – we have arrived (aphex twin qqt mix) (direkt danach)
randomer – stupid things i do (direkt danach)
mike ink – diagram
dj godfather – bang the box°
vladimir dubyshkin – grasshopper’s opinion°
dj slugo – freaky ride°
air liquide – this is not a mind trip
dj assault – u can’t see me
aphex twin – on
subjected
dj rush – freaks on hubbard (dave clarke remix)
mareena & stojche
dave clarke – before i was so rudely interrupted part 1
ian pooley – celtic cross (bangin‘ bass mix) (direkt danach)
dave clarke – way of life°
james ruskin – subject
stojche – magnitude (direkt danach)
jeff mills – the bells
dj hmc – cum on
woody mcbride – dr. j
steve poindexter – work that mutha fucker (direkt danach)
barcode population – untitled
fjaak – turn it up
addison groove – allaby
devilfish – manalive°
joey beltram – the next
die griessmühle am haken der investoren

update, 29. januar 2020:
ganz kurzes update: es gibt eine pressemitteilung auf der griessmühlen-seite, die ich hier im wortlaut hineinkopiere. kurzform: exilveranstaltungen finden am wochenende in der alten münze sowie unter der woche im polygon statt.
zeigen
(quelle, aufgerufen am 29. januar 2020 um 22:27 uhr)
update, 22. januar 2020:
ganz leiser optimismus mischt sich unter meine vorhandene grundskepsis. die clubcommission hat eine pressemitteilung herausgegeben, wonach das abschlusswochenende nun doch auf anfang februar fallen kann und der club bis mitte februar geräumt sein muss. die griessmühle an sich kann ihr programm für die nächsten monate im exil fortsetzen. das wird entweder in lichtenberg oder mitte liegen.
die s immo zeigt sich weiterhin offen, mit der clubcommission eine zwischen- sowie nachnutzung „zu prüfen“. das ist der punkt, an dem wieder die skepsis ins spiel kommt: wenn das gelände erst noch weiterverkauft werden soll, wer garantiert dann, dass künftige eigentümer eine vergleichbare gesprächsbereitschaft an den tag legen oder dass die s immo weiterhin als verwalter für das gelände fungiert?
wie auch immer: ich hatte am ersten februar-wochenende zwar etwas anderes vor (tatsächlich dj rush im berghain besuchen. soll letztes jahr toll gewesen sein.), aber das wird jetzt durchkreuzt.
der übersicht halber hänge ich unten einen pressespiegel an, der wie dieses posting fortlaufend ergänzt wird, dabei jedoch keinen anspruch auf vollständigkeit erhebt.
update, 21. januar 2020:
es gab heute ein treffen zwischen der bezirksvertretung (georg kössler von den grünen), dem wirtschaftsstaatssekretär, der clubcommission (vertreten von sascha disselkamp) und vertretern des eigentümers. näheres ist bei rbb24 oder auch beim tagesspiegel (in kürzerer form) nachzulesen.
das sieht nach zugeständnis aus, aber mit weiteren kampagnen in richtung des eigentümers / investors sollte man vorsichtig bleiben. die absichtserklärungen, den clubstandort neben gewerbegebäuden in der planung zu berücksichtigen, gibt es bislang nicht schriftlich und können daher schnell wieder nichtig sein.
es bleibt immer noch der eindruck: kommunikation auf augenhöhe ist das nicht, sondern ein weiteres kapitel im machtspiel zwischen einem profitabel arbeitenden club und einer gegenseite mit einem wesentlich größeren betrag in der portokasse.
von dem aufruf für morgen vor dem neuköllner rathaus wisst ihr alle sicherlich.
dazu wollte ich schon seit ein paar tagen was schreiben, aber mit der heutigen eskalationsstufe wird es akut (und wahrscheinlich auch etwas polemisch).
es ist das übliche: das gelände der griessmühle hat sich nominal in den letzten jahren zu einem filetstück entwickelt. die siag property ii gmbh hat als aktueller eigentümer durch den verwalter (die s immo gmbh) den mietvertrag bis zum 31, januar 2020 auslaufen lassen. eine baugenehmigung gibt es seit november 2019 für das gründstück, jedoch möchte der aktuelle eigentümer dies lieber weiterverkaufen. da also aktuell unklarheit über den künftigen eigentümer / investor herrscht, gibt es auch niemanden, mit dem die griessmühle über einen weiteren verbleib verhandeln könnte. die baugenehmigung ist das eine, die pläne des neuen eigentümers etwas anderes. es wird aber überraschenderweise auf gewerbeflächen (also mehr büros für die stadt) hinauslaufen.
die petition auf change.org (klickt auf das bild) ist seit fünf tagen online, hat jetzt (20. januar 2020, 20:57 uhr) bereits 37.967 unterzeichner*innen und hätte gerne 50.000 insgesamt. die forderungen sind dort allesamt nachzulesen und leider aus anderen zusammenhängen wohlbekannt.
anscheinend sind dem aktuellen eigentümer die kampagnen, solidaritätsbekundungen der politik und die solidarität unter den clubs (worauf man sich dankenswerterweise verlassen kann, wenn es um die szene als solches geht) ein dorn im auge. dieser maßt sich nun an, die abmachung für eine abschlussparty in der griessmühle am ersten februar-wochenende (was die letzte cocktail d’amore an ort und stelle gewesen wäre) zurückzuziehen. und dies in einer situation, in der in den nächsten monaten sicherlich nicht mit einem spatenstich zu rechnen ist.
vor dem hintergrund erscheine ich als clubgänger und musikliebhaber einmal mehr machtlos. zugegeben: mir fielen ein paar kritikpunkte für die griessmühle als club ein, aber erstens lässt sie partyreihen mit mut zum risiko zu (mother’s finest, wax treatment) und sticht damit in der berliner clublandschaft zumindest inhaltlich positiv hervor, zweitens finden sich selbst im populärsten club immer irgendwo haare in der suppe.
es gibt also gute gründe für die petition und den rückhalt in der lokal- und sogar stadtpolitik. da ist man tatsächlich einsichtig, dass die szene ein standort- und damit wirtschaftsfaktor ist. alleine: es hilft nichts. appelle der bevölkerung sowie renommierten politischen entscheidungsträger*innen verhallen scheinbar ungehört. das vetorecht scheint einzig und allein beim eigentümer zu liegen, der einem kulturstandort nicht mal mehr drei zusätzliche tage zubilligen möchte, um sich wenigstens gebührend aus der clublandschaft zu verabschieden.
es ist das typische, leider nur zu bekannte machtspiel, bei dem es lediglich bei der hoffnung bleibt, dass sich das in eine david-gegen-goliath-situation umkehrt. stattdessen wird auf eigentümerseite erfolgreich gemauert und sämtliche versuche, einen dialog herzustellen, laufen ins leere. es geht schlicht und ergreifend um die durchsetzung des eigenen interesses, ohne dabei rücksicht auf in den vergangenen jahren entwickelte kulturelle strukturen zu nehmen. diese könnten ja der weiteren kursentwicklung für das grundstück schaden. investorenseitig lässt man also das kapital die muskeln spielen und schaltet auf durchzug.
klar könnte ich jetzt das lied vom ausverkauf berlins und dem politischen versagen, das (weit vor rot-rot-grün) dazu geführt hat, anstimmen. und ja, es wird sicher irgendwo, irgendwie weitergehen. es ist noch nicht mal die dem ewig gleichen muster folgende dramaturgie (club findet standort in innenstadtnähe, umgebung wird attraktiv, investoren werden hellhörig, gentrifizierung startet, und nach und nach verschwinden die institutionen, die diese standorte einst so attraktiv gemacht haben). um ehrlich zu sein, langweilt mich das sogar ziemlich: petitionen, bvvs sowie treffen der clubbetreiber mit politikern, behandlung des themas auf großer bühne im senat, gesprächs- und verhandlungsbereitschaft sind ja ganz gut gemeint, am ende gewinnt aber doch immer die seite, die „standorte entwickeln“ möchte. die subkultur kann hier lediglich etappensiege in form von monatlicher weiterduldung bis zum baustart erringen, ist aber letztlich immer abhängig vom wohlwollen einzelner eigentümer oder firmenkonglomerate.
sowohl subkultur, clubgänger und leider auch politiker werden in die rolle des bittstellers gedrängt. und an der unverfrorenheit der siag ist nun zu sehen, dass man sich selbst mit einem sachlichen engagement bitte nicht aus der deckung wagen soll – sonst kann der daumen schnell wieder gesenkt werden. das durchbricht meine langeweile ein wenig. immerhin wurden clubbetreiber bislang meistens wenigstens angehört, wenn eine „entwicklung des standortes“ mit ihnen nicht möglich war.
kombiniert man das mit der allgemein in berlin herrschenden verdrängung aufgrund von auf immobilien fußenden investorenträumen, ist das der stoff, bei dem man sich nicht wundern muss, wenn ziviler ungehorsam an dessen ende steht.
es wäre trotzdem nett, wenn der*die eine oder andere die petition unterschreibt. alleine wegen einer schön hohen symbolischen zahl zum schluss.
pressespiegel
rbb24.de (13.01.2020): neuköllner club griessmühle vor dem aus
rbb24.de (21.01.2020): neue hoffnung für techno-club griessmühle
rbb24.de (21.01.2020 / video): berliner club kann womöglich bleiben
rbb24.de (23.01.2020): alternative für techno-club griessmühle gefunden
rbb24.de (30.01.2020): techno-club griessmühle zieht in die alte münze
groove (15.01.2020): griessmühle: die fakten zum hilferuf des berliner clubs
groove (16.01.2020): griessmühle: der bedrohte berliner club startet eine online-petition
groove (16.01.2020 / für abonnenten): konkrit: stadtleben und clubsterben – über die londonisierung berlins
groove (21.01.2020): griessmühle: berliner abgeordnetenhaus spricht sich für erhalt des clubs aus
groove (22.01.2020): griessmühle: die s immo geht in den dialog
groove (23.01.2020): griessmühle: exil in mitte oder lichtenberg
groove (23.01.2020): griessmühlen-demo: ein eindringliches zeichen
groove (30.01.2020): griessmühle: standort für die zwischenlösung steht fest
tagesspiegel (06.01.2020 / checkpoint, also für abonnenten): club-betreiber wehren sich mit youtube-video gegen verdrängung
tagesspiegel (08.01.2020 / aus dem neukölln-newsletter): save griessmühle: club wehrt sich gegen verdrängung
tagesspiegel (13.01.2020): griessmühle muss vermutlich schließen
tagesspiegel (15.01.2020): techno-club hofft auf gespräch mit eigentümern
tagesspiegel (20.01.2020): griessmühle plant kundgebung vor neuköllner rathaus
tagesspiegel (21.01.2020): areal der griessmühle soll clubstandort bleiben
tagesspiegel (22.01.2020): griessmühle zieht nach lichtenberg oder mitte
tagesspiegel (29.01.2020): der techno-club „griessmühle“ zieht in die alte münze
taz (22.01.2020): es wird weiter getanzt
clubcommission (22.01.2020): pressemeldung
berliner zeitung (16.01.2020): berliner club griessmühle muss schließen: politik will das aus verhindern
berliner zeitung (21.01.2020): griessmühle vor dem aus: so wollen die betreiber kämpfen
berliner zeitung (22.01.2020): griessmühle wird an neuen standort verlegt
berliner zeitung (31.01.2020): letzte technonacht steht in der griessmühle an
residentadvisor (16.01.2020): berlin club griessmuehle could close at the end of january
residentadvisor (20.01.2020): landlords cancel cocktail d’amore’s griessmuehle closing party
residentadvisor (21.01.2020): griessmuehle team to stage protest in berlin tomorrow
residentadvisor (23.01.2020): „clubkultur ist kultur“: hundreds gather in berlin to protest griessmuehle closing
residentadvisor (29.01.2020): closing berlin club griessmuehle announces temporary venues for upcoming events
residentadvisor (29.01.2020): review: griessmuehle – is this the end?
new york times (24.01.2020): protestors and politicians rally to protect berlin’s clubs
dazed (31.01.2020): griessmuehle: berlins mourns the loss of yet another club