[berlin / 08.08.2025] berghain: reef

endlich!

wer an diesem datum nicht kann: am 14. november ist die nächste, und zwischendrin am 28. september eine weitere ausgabe der abyss.

reef

berghain

00:00 darwin
02:00 lechuga zafiro
03:30 mjk
05:00 j:kenzo

panorama bar

22:00 esposito
01:00 carré
03:00 upsammy
05:00 rhr
07:00 main phase

nachbetrachtung

rein: 22:30 uhr
raus: 8:30 uhr

und natürlich war’s die beste reef seit der letzten. mit zwei kleinen wermutstropfen:

erstens war unten früher schluss als angedacht. j:kenzo sollte drei stunden spielen, es wurden „nur“ zweieinhalb. das lag nicht an der qualität seines sets oder der mangelnden resonanz des publikums – beides ließ für mich keine wünsche offen. mir wurde beim gang nach oben klar, dass sich die panorama bar nach dem sehr energetischen rhr-set schnell geleert hatte und die party oben zu einem schönen abschluss geführt werden sollte.
an zu wenig potential in puncto „publikumsansturm“ kann es nicht gelegen haben. wenn ich zwischen mitternacht und 3 uhr aus den fenstern der panorama bar schaute, reichte die schlange wenigstens bis zum häuschen neben dem kiosk. drinnen war der füllgrad bei upsammy mit manch gut besuchtem sonntag vergleichbar, aber sonst auf beiden floors stets so entspannt wie bei der reef üblich. nähme ich die schlange als referenz, hätte quantitativ noch wenigstens die hälfte der bereits anwesenden in den laden gepasst. die tür war jedoch sehr strikt. so reichte „naja, für’s berghain“ als antwort auf die frage „warum seid ihr heute hier?“ nicht aus. augenscheinlich wurde also nach den leuten ausgesucht, die das line-up vorher wenigstens mal angeschaut hatten. führte im umkehrschluss zu einer publikumsmischung, die der reef gerecht worden ist.

zweitens das mjk-set. aber da bin ich durchaus zu puristisch oder gar besorgt, weil ich noch die musikalische annäherung der sub:stance an die klubnacht in erinnerung habe. für reef-standards fand ich ihn zu geradlinig, im rahmen einer klubnacht hätte ich ihn sehr für seine ausbrüche aus dem 4/4-kick-dogma gelobt. hat sich damit zwar gut in das rahmenprogramm unten eingefügt, mir hat’s die entscheidung für upsammy (die im peaktime-slot auf ihre art ablieferte, also weniger electronica, stattdessen durchaus ravig) erleichtert.

sonst ist gesetzt, dass darwin und esposito als residents zu egal welchem slot (also meistens zum anfang oder den schluss) eine tolle besetzung sind. esposito zu beginn mit techno, der stark von ambient beeinflusst war, gefolgt von waschechtem hip hop sowie dubstep. alles flankiert von einem publikum, das nicht etwa ungeduldig auf der tanzfläche wartet, dass etwas tanzbares passiert, sondern sich wenigstens geduldig anhört, was als nächstes kommen mag.
seitenschritt zu den veränderungen in der panorama bar: die anlage hat seit gut zwei monaten einen vergleichbaren aufbau wie unten. drei (oder gar vier?) subwoofer hängen jetzt an der decke, dafür steht am hinteren ende bei den kabinen jetzt nur noch einer – den hohlraum füllen jetzt lichter aus. gefühlt geht an meinem stammplatz etwas bassdruck verloren, allerdings finde ich den klang insgesamt jetzt ausgewogener. vorher war der dort von ganz schön viel vibration geprägt, nun kommen die nuancen mehr zur geltung.
darwin in den ersten 20-30 minuten mit ambient bzw. dubstep, legte sich dann jedoch auf reduzierteren drum & bass bzw. halftime fest. schon eine dicke ansage zu beginn, aber: funktionierte. nahm noch dazu lechuga zafiro nicht die butter vom brot, der tempotechnisch eher um die 140 als klassischem dubstep-tempo unterwegs, aber schwer zu klassifizieren war. für mich ein interessanter hybrid aus breakbeats / electro, techno sowie eben dubstep. zählt wie verraco zu den vertretern der jungen generation aus südamerika, die gerade auf den plan treten und schemata auf links bürsten.
gleiches gilt für rhr, der nach upsammy zwar tempo herausnahm, aber die leute mit subbass und dichteren rhythmen sehr gut bei laune halten konnte. zu carré kann ich leider nicht viel sagen – war zweimal kurz oben, einmal techhousig, zum anderen breakbeatig unterwegs. hab darwin sowie lechuga den vorzug gegeben.
j:kenzo hätte schon super auf eine sub:stance gepasst, aber besser spät als nie. fing mit klassischem dub bzw. roots an, womit die brücke zu dubstep schon geschlagen ist. das war auch gut 100 minuten das hauptthema, wobei auch mit clouds veritabler techno lief. dann (beinahe schon reef-typisch) der wechsel auf drum & bass zur letzten dreiviertelstunde. passte alles sehr gut ineinander, daher hätte ich ihm schon gewünscht, dass er die drei stunden vollmachen kann. war hoffentlich nicht sein letztes gastspiel.

wie sich bei den letzten ausgaben schon abgezeichnet hat, ist der zeitraum zwischen 6 und 8 uhr heikel. die taktik der reef scheint zu sein, jemensch mit headliner-qualitäten auf den schluss zu setzen (calibre, mala, j:kenzo), um das publikum bei der stange zu halten bzw. zu motivieren, länger zu bleiben. das funktioniert dann nur mit einem floor – und da gewinnt das berghain die letzten male regelmäßig, alleine weil die anlage den massiven bass besser transportiert. selbst wenn jemand wie calibre oben auf dem line-up steht, kann darwin unten schalten und walten, wie sie möchte.
ich kann verstehen, dass es dramaturgisch gewollt ist, die reef in der panorama bar zu beginnen und auch enden zu lassen. die realität sieht für mich (und das ist überaus positiv) so aus, dass das publikum nicht dazu tendiert, die party künstlich zu verlängern, sondern beim eventuell anstehenden restpensum des wochenendes (oder mit der vorhergehenden woche in den knochen) lieber früher geht. klar liegt da der impuls nahe, einfach mehr leute in den club zu lassen, wenn schon so viele in der schlange stehen. aber das würde wiederum die qualität des publikums verwässern und im schlimmsten fall zu musikalischen kompromissen führen.
wie die reef dem begegnen könnte: entweder das berghain bis 7 uhr bespielen (mit der option bis 8 uhr) oder unten mit ambient ausklingen lassen, so dass die leute mit bewegungsdrang automatisch nach oben gehen. oder den spieß umdrehen und ab 6 uhr oben den morgen mit ruhigeren stilen ausklingen lassen und im gegenzug das berghain bis 10 uhr offen lassen.

mag sich überdramatisch lesen, ist es aber gar nicht. müßig, darüber zu spekulieren, wie viele der abgewiesenen leute tatsächlich wegen der reef dort waren bzw. super reingepasst hätten. drinnen hatte ich in jedem fall den eindruck, dass höchstens wenige zaungäste und vielmehr die stilistisch offene fraktion vor ort war. und das war im vergleich zur klubnacht ein weiteres mal auf ganzer linie erfrischend und hat den status der reef als stammtermin in meinem kalender einmal mehr zementiert.

notierte tracks

die speisen sich fast völlig aus shazam, zum teil aber auch aus diesem reddit-thread, wo ich mir bei upsammy und j:kenzo die rosinen herausgepickt habe.

esposito

barker – paradise engineering
zenker brothers – let loose
ivy lab – vanity fair
roots manuva – next type of motion
dbridge, kabuki, cooly g & kid drama – my love
alix perez – melodrama
kercha – a strange story
crowley & schim – wervel
mystic state – city limits (feat. jack spencer)
11th hour – headrush
mystic state – understand
instra:mental – when i dip
darkai & ears – gems (distance souljah remix)

darwin

carrier – the fan dance (feat. gavsborg)
itti – side street
skeptical & dbridge – poor & poverty
chimpo, dub phisix & skeptical – buzzin
alix perez – elephant dreams
the untouchables – grassroots
j:kenzo – skatta (v.i.p.)
alix perez – understand

upsammy

aerae – nefanda
r-010 – metal foam racing motorbike
deviant electronics – loud and clear
fff – vegan librarian

rhr

croix – baila todo

j:kenzo

scientist – no armys
milton henry – this world
j:kenzo – ricochet
mungos hi-fi (feat. charlie p) – rules of the dance (kahn remix)
von d – show me (feat. phe phe)
j:kenzo – hoodwinked
j:kenzo – like a hawk (feat. flowdan)
addison groove – this is it
clouds – sharp like a razor
skeptical – cold fold
digital & spirit – phantom force (fracture remix)
j:kenzo – sykura

main phase

leod – untitled 09

[crato / 19.-24.06.2024] waking life

wie angekündigt: kein fusion festival dieses jahr. stattdessen premiere: erstens das waking life an sich und zweitens ein festival im ausland. mehr dann hinterher.

nachbetrachtung

der text ist wieder mal länger und das fazit daher an den anfang gestellt. der rest folgt mit überschriften.

kurzform / fazit

die vorschusslorbeeren genießt das waking life absolut zurecht. vorbeischauen werde ich dort in jedem fall mal wieder.
da ich dinge ganz gerne formell einordne: für mich sind dort die pluspunkte aus fusion, nachtdigital und der nation of gondwana vereint. der hippieske anspruch der fusion, ohne politisch dabei zu dogmatisch zu sein, die musikalische kuration der nachtdigital und die besucher*innenanzahl der nation of gondwana, auch wenn die wege auf dem waking life im vergleich zu grünefeld länger und das gelände an sich wesentlich größer sind. die auf 10.000 leute beschränkte kapazität des publikums wird hoffentlich so belassen.

verbesserungswürdig

wildpinkeln ist auch international ein problem. natürlich laste ich dies in erster linie den herrschaften an, aber zum teil auch dem waking life. so gut die sanitäre situation auch sonst war (keine dixis, ausnahmslos ökotoiletten, an jeder station wenigstens desinfektionsmittel, meistens sogar waschbecken mit seifenspendern), ist die anzahl an pinkelrinnen ausbaufähig. deren vorhandensein fällt im dunkeln am rande der bühnen – denn das ist der einzige ort, an dem es sie gibt – eher nicht auf, da die ökotoiletten an sich schon beleuchtet sind. es gibt keine missoirs, ergo bleibt flinta*-personen keine andere möglichkeit als die kabinen. jedoch hielt sich die wartezeit dort stets sehr im rahmen, was für eine gute kalkulation beim publikumsaufkommen und damit einhergehender potentieller nutzung spricht.

das problem des wildpinkelns trat eher auf dem zeltplatz auf. dort gab es nur zwei zentrale punkte, an denen mensch sich in ökotoiletten erleichtern konnte. wenn mann (bewusst so gegendert) sich noch halbwegs schlaftrunken kurz mal erleichtern und anschließend weiterschlafen möchte, kann ich es sogar verstehen (ohne das sonderlich gut zu finden), einfach den busch am wegesrand zu nehmen als die 100 bis 200 meter bis zu den klos zu absolvieren.
ideal wären also pinkelrinnen für damen und herren an mehr punkten – sowohl auf dem festivalgelände als auch auf zelt- sowie campingplatz. dort können besucher*innen zwar die campereigenen toiletten benutzen, aber das ist evtl. auch taktisch manchmal nicht gewollt (bspw. wenn ein camper gemietet ist und die mieter*innen das klo nicht reinigen möchten).

so schön es ist, komplett um den see herumgehen zu können: nachts ist das abenteuerlich, weil ein viertel des weges vom outro lado aus gesehen hinter dem wald mit den baumhäusern bis zum labyrinth mit geheimfloor nicht beleuchtet ist. für besucher*innen heißt das: smartphones oder andere taschenlampen mitnehmen. ich nehme aber an, dass das bereits auf dem schirm ist und in den folgejahren weiter verfeinert wird.

der einsame essensstand rechts neben der bar beim outro lado war etwas unglücklich platziert und dem ansturm der leute bei dessen öffnung auch höchstens gerade so gewachsen. wenn mensch nicht wusste, dass es auch hinter der bar einen weg zu den installationen und damit um den see herum gibt, wurde das an der warteschlange an hungrigen vorbei ein ziemliches nadelöhr.
auch wenn das gelände hinter der bar für eine kleine essensmeile etwas zu hügelig ist und es potentiell probleme mit fluchtwegen oder genehmigungen gäbe, fände ich es ganz schön, wenn sich die organisator*innen für dort etwas einfallen ließen. im status quo müssen die leute fast einen halben kilometer auf sich nehmen, um zur hauptessensmeile neben dem cochilo zu gelangen. die wiederum ist an einer stelle gelegen, die ideale voraussetzungen bietet (fast ebenerdig, schattig bzw. genügend raum für überdachungsmöglichkeiten) und damit ein sehr guter treffpunkt. aber wenn schon neben der floresta als eine der großen bühnen eine weitere essensmeile existiert, wäre das bei der ähnlich dimensionierten outro lado ebenso schön.

fahrräder werden auch auf dem waking life genutzt. dafür muss mensch wegen der steigungen jedoch sportlich sein, wenn mensch vom campingplatz aus kommt. im wäldchen macht mensch sich (gerade im nachts unbeleuchteten teil) eher unbeliebt, aber ich hab da auch nur einmal jemanden mit rad gesehen, und derjenige hat es lieber geschoben.

mit dem hügeligen klang es bereits mehrfach an: wirklich barrierefrei ist das gesamte gelände nicht. das betrifft in erster linie den wald und praia als bühne. begleitpersonen für rollstuhlfahrer werden sehr viel kraft in den armen brauchen, andererseits auch auf ein sehr hilfsbereites publikum treffen.

der campingplatz für die camper- bzw. autofraktion hätte ein bis zwei zusätzliche beleuchtungsquellen ganz gut vertragen können. auch hier war mensch mit taschenlampe besser beraten, um den eigenen camper nachts wiederfinden zu können. wobei das auch kompromisse bedeutet: viele wollen nachts nicht von akustischen oder optischen quellen gestört werden und da ist ein scheinwerfer eher kontraproduktiv. solange das telefon noch genügend akku für die taschenlampe hat, passt das.

der zugang zum festivalgelände vom campingplatz aus war am mittwochabend ein ziemliches nadelöhr. dort wird das gepäck kontrolliert (keine glasflaschen, keine längeren messer oder ähnliche hieb- und stichwerkzeuge). und auch wenn drei, vier leute zugleich dort beschäftigt sind, ist das zu wenig, um den ansturm bewältigen zu können. der regen kam noch erschwerend hinzu.
da dieser ansturm nur einmalig stattfindet, würden zwei, drei zusätzliche stationen oder security-mitarbeiter*innen schon einen unterschied machen. vom campingplatz aus kommende durchlaufen das procedere jedes mal, wenn sie zum festivalgelände möchten. aber das ging an den folgetagen stets sehr zügig.

ein ans festival angebundenes security-team, das in eskalationsfällen zur stelle ist, wäre wünschenswert. es geht mir da in erster linie um die fraktion, die meint, auf dem campingplatz zum aufladen der camper-batterie mehrmals am tag den motor eine stunde laufen zu lassen. nicht nur eine umweltbelastung, sondern auch eine akustische. die security selbst sprach nur das nötigste an englisch, was zum zwecke der gepäckkontrolle auch in ordnung ist. aber sollte das waking life an popularität gewinnen und damit mehr internationale gäste anziehen, die bspw. bei der campingplatzetikette oder auch generell bei der awareness nachhilfe gebrauchen können, wären drei bis vier leute pro schicht ziemlich gut, um das mit hilfe der security durchzusetzen.
damit einhergehend: feste standorte auf dem zelt- sowie campingplatz, damit jede*r weiß, wohin er*sie sich bei klärungsbedarf wenden kann.

die web-app ist schon mal super, um das guthaben auf dem chip (auf dem waking life bezahlt mensch cashless in der eigenen währung „klingeling“, die 1:1 in euro umgerechnet wird) einsehen zu können. es wäre noch besser, den timetable und ggf. den lageplan dort einzupflegen. in der hinsicht ist mensch von der fusion-app sehr verwöhnt, daher ist das eher ein nice-to-have.

pluspunkte

so sehr es auch nervt, in autoschlangen zu warten, wo mensch doch nur seine endgültige park- oder zeltposition erreichen und die ortsbegehung starten möchte: das war angesichts der tatsache, dass sich vor der zufahrt zum waking life drei zufahrtsstraßen kreuzten, erstaunlich kurz (für uns gut anderthalb stunden). sobald mensch auf der festivalzufahrt in der warteschlange mit den autos stand, ging das alles ziemlich schnell. fußgänger*innen, die mit dem shuttle anreisten, mussten im schnitt länger warten.

auch wenn mein zuweilen nicht sonderlich logisch denkendes gehirn erst nicht ganz begriff, was unser parkplatzeinweiser mit uns vor hatte, als es um die position für unseren camper ging: er hatte einen plan. und dieser ging auf = eine reihe an campern mit motorhaube voraus am wegesrand entlang aufstellen lassen, diese reihe wiederum spiegeln, indem sich die camper mit ihrer rückseite parallel zur rückseite von denen am wegesrand aufstellen. konsequenz: so entstand eine weitere gasse, aus der jede*r bei bedarf das festivalgelände verlassen konnte. so ordentlich habe ich das in mehreren jahren auf der fusion nicht gesehen, wo selbst mittwochs auf der insel exzessiv autotetris gespielt worden ist, bis supporter*innen die mangelnden zufahrtsmöglichkeiten für die feuerwehr angemahnt haben. auf dem waking life ergab sich dies durch die gute einweisung von selbst.
wer mit dem gedanken spielt, das waking life mit dem eigenen oder (was ziemlich viele besucher*innen getan haben) gemieteten camper zu besuchen: achtet darauf, dass auffahrkeile mit an bord sind. gerade zum eingang bzw. zum zaun hin wird das gelände sehr uneben – wirklich plan ist es nirgends. zudem hat die camper-fraktion von allen besucher*innen den weitesten weg zum festivalgelände. aber der beträgt vielleicht einem kilometer und ist in zehn minuten erledigt. auf dem festivalgelände selbst sind die wege auch nicht die kürzesten, also sammelt auch die zeltfraktion schritte.
wenigstens 80% der camperfläche liegen in der sonne. ideale bedingungen für fahrzeuge mit solarpanel auf dem dach, nicht so ideale bedingungen, wenn mensch keine markise am fahrzeug hat. ggf. in ein tarp investieren.

schatten, bzw. der mangel daran, führt zu einem dicken pluspunkt für die organisator*innen: weite teile des zeltplatzes haben planen über der wiese. die sind zwar auch lichtdurchlässig, aber dunkeln soweit ab, dass es für eine halbe stunde mehr im zelt ausreichen könnte. ich habe mir sagen lassen, dass es die seit zwei jahren gibt, wo das waking life noch im (heißeren) august stattfand. es sind zwar bäume gepflanzt, aber bis die groß genug sind, um schatten spenden zu können, bin ich fast im rentenalter.
gut zwei drittel des zeltplatzes sind auf diese weise überdacht. wer später kommt, steht in der sonne. das war in diesem jahr spätestens sonntag ein problem, weil es dann mit den moderaten temperaturen vorbei war und es auch nachts nicht besonders abkühlte.

in puncto „schatten“ jedoch überraschend: ein wüstenartiges festivalgelände mit wenig bis gar keinem schatten erwartet, stattdessen erleichtert feststellen, dass jede der bühnen entweder gut sonnengeschützt ist (praia, cochilo) oder gleich unter bäumen liegt.

sowohl auf dem zelt- als auch dem campingplatz hört mensch vom festivalgelände ziemlich wenig. und erstaunlicherweise ist das publikum so diszipliniert, dass keine eigenen boomboxen angeschleppt werden, um die party einfach in die zeltplatzumgebung zu verlegen.

ich habe selten so ein sauberes festival gesehen. hängt auch damit zusammen, dass supporter*innen regelmäßig auch bei hochbetrieb über die bühnen gehen und müll einsammeln. sonst greift der via website kommunizierte codex schon sehr gut. dabei hilft es immens, mülleimer auf einer der tanzflächen stets in sichtweite zu haben – egal, wo mensch sich befindet. die trennung nach dosen und restmüll bekommt mensch in egal welchen zuständen gut hin. da sämtliche der getränke von den bars entweder in pfandbechern oder in dosen ausgegeben werden, kommt an dieser stelle keine komplexitätsstufe hinzu.
das setzt sich glücklicherweise auf dem zelt- sowie campingplatz fort. da die meisten eh aus dem ausland anreisen dürften, kommt kein sperrmüll wie ausgediente sofas und dergleichen auf das gelände. und auch der rest des gepäcks dürfte sich bei den zeltenden ziemlich in grenzen halten. jedoch zur transparenz: wir haben das gelände am frühen montagnachmittag (bei 36 grad) verlassen, während outro lado noch bespielt worden ist und den zeltplatz damit nicht komplett leer gesehen. es mag sich also später ein anderes bild geboten haben.

apropos bars: am längsten habe ich drei minuten warten müssen, meistens deutlich weniger. auch bei den essensständen hielt sich das zu stoßzeiten mit maximal 20 minuten im rahmen.

ausnahmen bestätigen die regel, aber die kuration zieht ein in weiten teilen fachkundiges publikum an. sicher wird das ausmaß an expertise unterschiedlich gewesen sein, aber meinem eindruck nach konnte sich die überwältigende mehrzahl (also musik-nerds sowie deren unter umständen weniger nerdige anhang) auf die regeln einigen.
will heißen: es gab kein ständiges fotografieren oder filmen auf den tanzflächen, nur mal sporadisch bzw. einen für mich etwas penetranten instagram-poser-trupp bei l.b. dub corp sonntagabend bei floresta. aber auch das fand eher am rande statt und war nach 20 minuten vorbei. das bringt mich selbst in die lage, die kamera nur selten mit auf das festivalgelände zu nehmen und dort auch eher nachts bzw. wenn tagsüber, dann bei installationen zu benutzen. das smartphone hatte ich vielmehr wegen des abfotografierten timetables und als taschenlampe dabei. da die mobilfunkinfrastruktur in dieser ländlichen gegend wegen des festivalandrangs chronisch überlastet war (ein problem, das mensch hier von der nation of gondwana oder vom nachtdigital her kennt), brachte mich das nicht in die verlegenheit, meiner gier nach informationen durch scrollen nachzugehen. und das war auch gut so. auf die weise blieb mensch viel eher auf die musik bzw. den moment fokussiert anstatt sich in szene setzen zu müssen.
ich hatte den eindruck, dass das waking life für die leute ab 25 interessant ist, die des tempo-trends der letzten jahre überdrüssig sind bzw. nie etwas damit anfangen konnten. klar zählt mensch ab 40 dort auch bereits zu den älteren, aber im median dürfte der altersdurchschnitt um die 30 gelegen haben. also bei der generation, in der die interessen zwar vielfältig sind, sich das verzichtbare jedoch bereits herauskristallisiert hat, und die komplette eskalation geschieht bestenfalls punktuell und nicht mehr ständig.
ergo ein eher gesetztes publikum, das meinem eindruck nach ziemlich genau auf das programm schaut und gute kuration mehr zu schätzen weiß als sich festivals mit den großen acts auszusuchen, die am dritten festival-gig des gleichen wochenendes einfach nur abliefern.

nicht nur für ottonormalbesucher*innen scheint das waking life durch dessen kuration eine gute wahl zu sein, sondern auch für diejenigen auf dem line-up. so spielte djrum bspw. zwei mal – einmal ein ambient-live-set beim cochilo, dann nochmal (leider verpasst) nach ben ufo samstag auf sonntag bei floresta. maayan nidam spielte in der nacht von mittwoch auf donnerstag auf floresta sowie freitagnacht auf dem geheimfloor hinten im labyrinth – und ich habe sie beide male leider nicht gehört. andere aus dem programm sah mensch über das wochenende verteilt im publikum, um den kolleg*innen zuzuhören. ich nehme es also als qualitätsmerkmal für das festival, dass manche ihren booking-agenturen bescheid geben, das wochenende für das waking life freizuhalten und damit auf weitere einnahmen durch weitere gigs zu verzichten.
die gründe sind nur zu verständlich. wenn sich selbst als ottonormalbesucher*in ein gefühl von kurzurlaub einstellt, ist das für manche acts mit anderen möglichkeiten zur unterbringung etc. auch eine willkommene abwechslung vom sonstigen wochenendtrubel.

abgesehen vom praia, wo zwischen dj und publikum eine distanz besteht, sind die bühnen so gestaltet, dass decksharking möglich ist. auf outro lado sowie floresta spielen die acts ebenerdig. sorgt also für eine augenhöhe zwischen acts und publikum, anstatt erstere unnötig zu inszenieren. gerade bei floresta erwiesen sich die installationen eher als hingucker als die bühne an sich.

musikalisches

gleich vorab: die absoluten „wow!“-momente blieben – zumindest, was tanzbare musik angeht – aus. jedoch: wenigstens gute sets, stets über mittelmaß, durchgängig hohes niveau.
was jedoch primär bei mir haftengeblieben und ein beleg dafür ist, dass das waking life keine partytouristen anziehen möchte: outro lado ist die einzige bühne, die durchgängig bespielt wird. ansonsten gibt es auf jeder der anderen eine mehrstündige pause von wenigstens vier stunden ab sonnenaufgang.
wenn mensch sich vom camper oder zelt aus mittags auf den weg macht, erwartet einen jedoch am outro lado erstmal ambient bis in den nachmittag hinein. und da sich die bühne (wie jede der anderen bis auf cochilo und – mit abstrichen – praia) direkt am see befindet, ist das ideal, um ganz gemütlich herumzuliegen und langsam in den tag zu starten oder um gleich im see zu schwimmen.
es mag meinem aktuellen bedürfnis nach ruhe oder der affinität zu nicht-tanzbarem geschuldet sein. aber die konsequenz, mit der dort an jedem einzelnen mittag / nachmittag andere musik gespielt worden ist, anstatt dem bedürfnis nach party rund um die uhr nachkommen oder es erst erschaffen zu wollen, bildet für mich mit einen der dicksten pluspunkte und damit einen der gründe, wiederkommen zu wollen. in meine erinnerung eingebrannt hat sich dort „allez!“ von salamanda, das strobocop in voller länge samstagmittag spielte.

bleibe ich mal bei den floors und beim outro lado, wo ich woody am donnerstagnachmittag/-abend auf outro lado hervorheben möchte – gestandene house-klassiker neben gut gealtertem dubtechno und chicago sowie detroit. hat die stimmung sowie uhrzeit perfekt aufgenommen und in ein echt sehr gutes set gegossen. gleiches gilt für konstantin am samstagabend – im besten sinne minimal mit ausflügen richtung house. landet für mich vor g-man, der direkt danach dran war. ihn hatte ich noch nie gehört, kann jetzt einen haken dahinter machen. heißt nicht, dass er schlecht war, aber nach einer stunde fand ich das set etwas statisch.
ulf eriksson – ein bis dato für mich unbeschriebenes blatt, jedoch stammgast auf dem waking life. hat am samstagnachmittag ab 14 uhr einen hervorragenden übergang vom strobocop-ambient zur schnittmenge zwischen house und techno geschaffen. drama (eine hälfte map.ache, die andere dj dustin) spielten freitagnachmittag zwischen ambient und indie.
shed war dort sonntagfrüh solide, richtiggehend funktional. montagmorgen/-mittag muss mensch wollen – da ist outro lado neben dem cochilo der noch einzig geöffnete floor, bespielt von barbara preisinger, xdb sowie zip. in den stunden unserer anwesenheit habe ich dort nur zip gesehen, der das gewohnt minimal-housig machte. aber dort sammeln sich nun mal alle, die sich noch etwas bewegen oder zumindest am rande kopfnicken wollen. betrifft auch das ufer – die entspannte atmosphäre der vortage weicht also einer sehr geschäftigen.

floresta vereinte für mich das beste aus dekoration und musikalischer finesse. die eröffnung von amulador am donnerstagnachmittag fand ich mit minimalem dubtechno sehr gelungen. huerco s vor arpanet ebenfalls, der überraschend housig spielte. arpanet selbst nicht ohne technische probleme, zog es aber durch. luke slater / l.b. dub corp danach in richtig guter form mit detroit und dubbigem house zum sonnenuntergang. rückblickend habe ich gerade auf floresta viel zu viel verpasst, was aber auch daran liegt, dass ich meinen schlafrhythmus auf festivals nicht mehr unterbreche. ich hab’s als tatsache akzeptiert, dass bei einem auf festivals herrschenden überangebot auch mal dinge auf der strecke bleiben.

praia ist für diejenigen, die es abseits der geraden kickdrum mögen. dank verzögerung im zeitplan am donnerstagnachmittag noch etwas von richard akingbehin sowie tikiman mitbekommen und entschieden, dass ich das mal gezielt wiederholen muss. nosedrip wurde mir vorab empfohlen und war mit mimi zusammen im anschluss ebenfalls ordentlich dubbig. mala räumte am gleichen abend mit erprobter formel einfach nur ab. μ-ziq war im anschluss für die nostalgiefraktion.
sonst war’s für mich der durchgangsfloor zum labyrinth dahinter. ausnahme: upsammy, die gewohnt klasse in der nacht von freitag auf samstag experimentieller, aber zu drum&bass kompatibel spielte.

notierte tracks

woody

joe smooth – promised land
dj sneak – spirit taker (original mix)
quadrant – q1.1/1 (direkt danach)
mood 2 swing – the slippery track (direkt danach)

mala

digital mystikz – ancient memories
coki – goblin
sir spyro – topper top

upsammy

mike parker – radioactive fire

strobocop

salamanda – allez!
janet jackson – got ´til it’s gone
tocotronic – jackpot (k.o. kompakt mix)

ulf eriksson

kenny larkin – plankton
the jak – from old days past

konstantin

the other people place – let me be me
losoul – 00000000
cheek – venus (sunshine people) (dj gregory remix)

g-man

g-man – sparticus
plastikman – spastik

[berlin / 03./04.02.2023] philharmonie berlin: strom – festival für elektronische musik

nach der ersten, für meine begriffe sehr geglückten ausgabe freut es mich immens, dass es (wegen der allgemeinen pause im bereich der e- und u-musik) drei jahre danach eine neuauflage gibt. bin an beiden tagen da.

strom – festival für elektronische musik

freitag, 03. februar 2023
20:00 – 21:30 stefan goldmann foyer
21:45 – 22:45 hauschka + kai angermann (live) großer saal
22:45 – 0:00 nídia foyer
0:15 – 1:15 wolfgang voigt präsentiert gas (live / av) großer saal
1:15 – 3:00 marcel dettmann foyer

samstag, 04. februar 2023
20:00 – 21:30 upsammy foyer
21:45 – 22:30 transformed acoustix: mitglieder der berliner philharmoniker + simon stockhausen (live) großer saal
22:30 – 23:30 blawan (live / av) foyer
23:45 – 0:50 robert henke präsentiert cbm 8032 av (live / av) großer saal
0:50 – 3:00 juan atkins foyer

beide tage
the trembling line von aura satz (installation) hermann-wolff-saal

visuals
pfa studios foyer

nachbetrachtung

weil der text mal wieder länger ist, gibt’s das fazit vorab: im großen und ganzen großartig. könnte sich glatt zu meinem jährlichen stammtermin entwickeln, sofern das wiederholt wird.
mich euphorisiert – wie bei der erstausgabe vor drei jahren auch schon – die tatsache, dass techno (bzw. besser die elektronische musik) es in ihren zahlreichen experimentiellen spielarten nach drei jahrzehnten in so einen rahmen geschafft hat und sich beides gegenseitig zu befruchten scheint. hatte zumindest beim personal den eindruck, dass wenige zwar immer noch fremdelten, andere wiederum von der informalität überaus angetan waren. steht immer noch auf meiner liste, mal tatsächlich ein klassisches konzert im großen saal zu erleben. aber selbst basslastige acts (gas, robert henke) waren dort kein problem und die transparenz im klang sucht ihresgleichen.

was ist verbesserungswürdig?

der anteil von frauen im line-up. war vor drei jahren minimal besser. aber insbesondere die ausschließlich durch herren bestrittenen konzerte im großen saal zeigen die strukturellen probleme der letzten drei jahrzehnte auf, in denen sich nicht viele damen auf den „großen“ labels (warp, ninja tune, r&s) profilieren konnten. mira calix fiele mir da ein, nur kann mensch sie leider nicht mehr fragen. glaube jedoch, dass sich bei ihr wie bei meinen wunschkandidatinnen (sarah davachi, kali malone) während der zusammenstellung des line-ups die frage gestellt hätte, ob der bekanntheitsgrad dem kartenvorverkauf zuträglich ist.
so finden die damen (wie vor drei jahren auch) leider auf dem nebenschauplatz im foyer statt. als ausgleich zu drinnen hätte ich’s besser gefunden, ihnen im foyer mehr raum zu geben (neben upsammy und nídia hätte lady starlight oder auch dasha rush für meine begriffe dort ziemlich gut gepasst). ich befürchte jedoch, dass dieses strukturelle problem, was selbst in den clubs erst seit wenigen jahren im bewusstsein angekommen und schwierig umzusetzen ist, dauerbrennerthema bei eventuellen wiederholungen in den nächsten jahren bleibt.

großes votum für eine vierpunkt-beschallung im foyer. der raum bringt schon von sich aus jede menge reverb mit, so dass feinheiten im sound untergehen, sobald mensch im hinteren drittel steht. war gerade bei upsammy zu merken, bei deren stil die feinheiten im hintergrund stattfinden, was vorne wahrscheinlich deutlich zu hören war. hinten kamen dann eher die rhythmischen strukturen an.
ideal wäre im foyer noch das mapping der visuals an der schrägen decke. bei beiden wünschen ist’s aber für mich gerade bei den aktuellen gegebenheiten verständlich, dass die produktionskosten im blick behalten werden müssen.

als letztes (aber dafür kann die festival-organisation nichts): die partielle ignoranz des publikums. es kann nicht angehen, dass leute bei beginn von konzerten und darüber hinaus im großen saal einfach weiterquasseln, ohne überhaupt ein gespür dafür zu haben, dass die raumakustik das weiterträgt. ist nicht wie im club, bei denen die anlage alles überlagert. mir wurde zugetragen, dass jemensch die gesamte erste hälfte des gas-sets einfach gefilmt hat und dann gegangen ist.
dann noch zaungäste mitten auf der tanzfläche, was jedoch stellenweise auch als unsitte in clubs einzug gehalten hat. während des blawan-sets war mir beim vor uns mit verschränkten armen stehenden dreiertrupp schon sehr danach, ihnen (und ich bitte bei der kaum verhohlenen aggression um verzeihung) mit anlauf in den allerwertesten zu treten oder eine semi-repräsentative umfrage zu starten, woran es jetzt hapert. ehe das falsch verstanden wird: nein, es waren keine personen älteren jahrgangs, sondern allesamt aus einer jüngeren alterskohorte als meinereiner, denen ich durchaus zutraue, in den vergangenen jahren zum 4/4-takt in clubs geübt zu haben. wenn’s mir nicht zusagt, gehe ich einfach an den rand und hab ein auge dafür, ob es den leuten um mich herum gefällt. hab mich in dem fall für partielle ignoranz entschieden bzw. mir steht auch nicht der sinn nach grundsatzdebatten. auch nicht im club.

was war besser als bei der erstausgabe?

das licht im foyer, da weniger hell. klar war das immer noch sehr bühnenfixiert, was nun wiederum zum gleichen act-fixierten „phänomen“ führte, wie es sich auch mittlerweile in clubs beobachten lässt: alle tanzen in die gleiche richtung. aber die bunten spots an den säulen mit ihren wechselnden farben schufen schon mal ansatzweise clubatmosphäre.

der dramaturgische aufbau am zweiten tag. zum ersten kann ich nicht so viel sagen, da wir es erst zum finale von hauschka / angermann hingeschafft haben. damit endlich zur schlüsselfrage.

wie waren die protagonist*innen?

hauschka / angermann: überraschend perkussiv / sequentiell / loop-orientiert, bin aber auch mit seiner diskographie nicht vertraut.
nídia: da standen wir eher an der bar ganz links im foyer, wo vom sound wie bei der erstausgabe nicht viel mitzukriegen war, außer dem bass. insofern halte ich mich bei bewertungen raus.
gas: ohne worte. „neuer goldstandard“ sagte ich zu meiner begleitung danach. sind danach noch ein paar minuten sitzengeblieben, um das sacken zu lassen. gibt damit jetzt ein neues luxusproblem: sollte wolfgang voigt das nochmal aufführen, muss sich das set am erlebnis aus dem großen saal messen lassen. hab nur „zauberberg 3“ als letzten track erkannt. aber dieser transparente klang, in dem neben dem rauschen und dem wuchtigen bass alles an akkorden zu hören war sowie die ineinander fließenden strukturen bzw. das sich einfach organisch entwickelnde set war nichts weniger als ein sog, der gerne noch zwei stunden so hätte weitergehen können. war jedenfalls mehr als eine entschädigung für die unterirdischen akustischen gegebenheiten in der volksbühne anno 2009. großartig. punkt.
marcel dettmann hat für mich gezeigt, welchen anteil er daran hatte, dass die mittage im berghain vor 15 jahren immer länger wurden, wenn er für den schluss angesetzt war. wuchtige bassläufe, hin und wieder dichtere hihats, rauh in der soundästhetik und sexy im groove zugleich. dazu noch abwechslungsreich im stil. ein auf seine art und weise ähnlicher sog wie bei wolfgang voigt zuvor drinnen – mit stellenweise richtiger clubatmosphäre (und meinem vorsatz, ihn zeitnah mal wieder beim heimspiel am wriezener karree hören zu wollen).
upsammy kam am tag darauf erst in ihrer letzten halben stunde in schwung. weite teile ihrer ersten hälfte wirkten statisch, zumindest so als ob ein rhythmischer loop läuft. aber wie erwähnt: eindruck aus der hinteren hälfte, ohne wirklich was von den dahinter liegenden sounds mitbekommen zu haben. wenn jemensch der hier mitlesenden in den vorderen reihen stand, bitte ggf. flankieren / widersprechen.
transformed acoustix: bei simon stockhausen lief alles im mixer und damit beim arrangement zusammen – also live aufgenommene bratsche, kontrabass sowie xylophone / andere schlaginstrumente. das alles durch effektgeräte geschickt, verfremdet, mit dem bereits vom vater bekannten blubber-sounds versehen. war schon interessant zu hören und hätte nicht unbedingt die passage mit den beats darunter gebraucht. wirkte als zugeständnis daran, nicht die ganze zeit zu experimentiell klingen zu wollen, wobei ich einfach mal annehme, dass manche sich im voraus ein bis zwei stücke seines vaters angehört haben und er auch gerne aus dessen schatten treten würde. war jedenfalls nicht deplatziert, aber halt auch schwer zugänglich. kann mensch jetzt darüber streiten, ob das nicht eher intellektuelles schaulaufen oder als grundlage für die entwicklung der zugänglicheren tanzbaren musik unabdingbar ist. da der rest des festivals beides gut miteinander vereinbaren konnte, fand ich’s gerade zu der uhrzeit richtig platziert.
blawan: zog kompromisslos seinen stil und sein tempo durch. meine damen und herren von der 150+-bpm-fraktion: so geht das! keine stur gleich klingende kickdrum, sondern swingende hihats, rave-basslines nur wo sie sein müssen, ansonsten wird der sub-bereich nicht vernachlässigt und einfach spaß gehabt anstatt nur hart klingen zu wollen. würde ich so kaufen, wenn das im laufe des jahres auf ternesc (oder sonstwo) erscheint.
robert henke: der ansatz des projektes ist auf seiner website hinreichend beschrieben. für mich ist er wegen so vielem im positiven sinne zu beneiden: er hält so gut wie alle fäden bei der konzeptionellen entwicklung und der umsetzung (programmierung der soft- und hardware) in der hand. bei ihm trifft die kombination aus einem unbändigen forschergeist und einer bodenhaftung zu, mit der er für jede*n verständlich erklärt, welche motivation seinen projekten zugrunde liegt und wie sich das technisch umsetzen lässt. dazu noch diese diebische jungenhafte freude beim spielen (gerade wenn er merkt, dass es klappt), wo er zeigt, dass sich aus vermeintlich antiquierten maschinen sounds vermeintlich angestaubte sounds kitzeln lassen, die sich aber so bearbeiten lassen, dass es – wie eine gute monolake-produktion – zeitlos klingt und dabei höllisch tanzbar ist. mehr als verdiente standing ovations, mein höhepunkt des samstages.
juan atkins: ist mir bereits im tresor nicht als technisch bester dj aus motor city begegnet, entsprechend wenig habe ich erwartet. lag auch dieses mal beim beatmatching sehr häufig daneben. großes „aber“: auswahl und abfolge der tracks haben das set überraschend gut werden lassen bzw. richtiggehend hochgerissen. außerdem erkennt er schnell genug, wann es keinen sinn mehr ergibt, den übergang noch retten zu wollen und er blendet dann schnell über. schlüsseltracks im set räumt er genügend zeit ein – und derer gab es einige. klar war’s ein schaulaufen bzw. best-of dessen, was detroit hervorgebracht und auch beeinflusst hat („computerwelt“ von kraftwerk war der erste track) und manchen connaisseuren vielleicht nicht tief genug in der kiste gewühlt, obwohl er (dankenswerterweise) offensichtliche hits vermieden hat (knights of the jaguar, the bells). ich hatte dank begleitung jedenfalls richtig viel spaß daran, wieder mal tracks zu hören (und sie zum teil sogar richtig zuordnen zu können), die vor 25 jahren große spuren hinterlassen haben und dank tresor sowie hardwax im subkulturellen gedächtnis der stadt eingebrannt sind. dabei auch kurz die gewissensbisse überwunden, als „strings of life“ lief, der trotz filigraner melodie auch einen ganz schönen punch mit sich bringt und das publikum im foyer mitfedern ließ. da habe ich die vorwürfe an derrick may ausgeblendet und mich lieber über die existenz solch toller tracks gefreut. da der detroit-anteil im set mindestens 80% betragen hat, rief das set eindrucksvoll in erinnerung, wieviel seele und funk in den meisten der produktionen der ersten und zweiten welle stecken und wie gut die tracks nach mittlerweile bis mehr als 30 jahren gealtert sind. außerdem hat er zum schluss mit blick nach vorne (indem er u.a. „feeling normal“ von calibre spielte) gezeigt, dass er nicht in der suppe der vergangenheit schmoren möchte, sondern das ohr am aktuellen geschehen behält. sein set hat mir damit ein ziemlich gutes gefühl vermittelt: auch wenn da eine legende steht, deren ruf sich eher auf die bahnbrechenden produktionen und weniger auf die dj-qualitäten stützt (beides kommt bei jeff mills gut zusammen, den mensch durchaus für eine der nächsten ausgaben anfragen könnte), stellt diese sich in den dienst der musik und vermittelt zwischen (vermeintlich) altem und neuem bzw. zeigt auf, was den charakter dieser musik ausmachen sollte: zeitlosigkeit. dabei bewahrt er sich eine bescheidenheit, die gesichter bzw. bühnenpräsenz und marketing in den hintergrund stellt. alte schule im besten sinne also.

trackauswahl (shazam hat stets versagt, und das gedächtnis auch gerne mal. daher auch mit schützenhilfe generiert.)

marcel dettmann:
milanese – vanilla monkey
telex – radio radio (the tellurians mix)
fischerspooner – emerge (naughty’s peaktime mix)

juan atkins:
kraftwerk – computerwelt
giorgio moroder – chase
derrick may – drama / strings of life
model 500 – no ufos
octave one – i believe
reese – rock to the beat
carl craig – twilight / chicken noodle soup
maurizio – domina (carl craig’s mind mix)
plastikman – spastik
nightcrawlers – push the feeling on (the dub of doom) (direkt danach)
convextion – miranda
joey beltram – instant (juan atkins remix)
robert hood – aural 721 / quartz
jeff mills – captivate
underground resistance – hi-tech jazz / the final frontier
calibre – feeling normal

[berlin / 07.03.2020] about blank: staub / strictly ://blank

da es sich mittlerweile eingebürgert hat, dass mensch nach der staub einfach bis zur nächsten party bleiben kann, die in diesem fall auch noch mit einem (dem anlass entsprechenden) kompletten damen-line-up auf den plan tritt, auf dem sich auch noch upsammy als eine derjenigen befindet, die für mich eines anno 2019 eines der besten sets des jahres gespielt hat, wird dies nicht nur einer der längsten schachtelsätze der letzten zeit, sondern auch ein double-feature. dafür bin ich etwas später bei der staub am start.

line-up

lobby
10:00 the mony
14:00 js park
18:00 qu er

23:30 kikelomo
01:30 jasmin & upsammy
07:00 dj fart in the club

mdf
14:00 farhan
16:00 zesknel live
17:30 axkan
19:30 denise rabe

00:30 jsky
02:30 sabine hoffmann & tigerhead
06:30 solaris

zelt
14:00 dix
18:00 ady toledano

01:30 future doctor
03:30 marlene stark

nachbetrachtung

die nachlese folgt gut drei jahre danach am 5. august 2023 und mit entsprechenden erinnerungslücken. bzw. die eine erinnerung überstrahlt alles: es war für mich die letzte party vor dem lockdown und damit (bis auf das kurze intermezzo im oktober / november 2021) der auftakt für die bis märz 2022 dauernde pause von club-innenräumen. was ich mit dieser pause alles an hoffnungen für den neustart verband und was sich dann doch nicht erfüllt hat – davon fange ich hier nicht an.
also versuche ich mal, irgendwie die fragmente zusammenzusetzen, die ich im ios-notizzettel und in shazam habe. viel wird das nicht, das schon mal vorneweg.

ich weiß noch, dass ich erst am frühen abend bei der staub angekommen bin, weil ich das b2b von jasmin und upsammy in voller länge mitbekommen wollte. das hab ich auch geschafft, wenn auch schon deutlich müde am ende. geht es nach anzahl der im notizzettel vermerkten tracks, hat ady toledano bei der staub eindruck hinterlassen. und wie qu er von mathew jonsons „decompression“ zu the prodigys „out of space“ gelangt ist, weiß ich beim besten willen nicht mehr.
der langsame neustart von kikelomo in der lobby gefiel mir schon mal sehr. sie ist mittlerweile regelmäßig in der panorama bar zu hören, müsste ich mal gezielt hin.
jasmin / upsammy wie zu erwarten kompromisslos. dj fart in the club dagegen mit einem tempo, das auch techno-affine angesprochen hat. den mdf habe ich zugegebenermaßen nicht nennenswert lange besucht, sonst wäre etwas hängengeblieben.

trackauswahl (*: shazam)

ady toledano:
nitzer ebb – let your body learn
green velvet – millie vanillie (feat. russoul)
etat solide – think about it
fiedel – andreas
jerome sydenham & dennis ferrer – timbuktu (pan african electro dub)

denise rabe:
two sided agency – mental system*
alex randal – claustrophobia*

kikelomo:
circuit 900 – deltaic region*
nkc – salon room*
noire – rage riddim*
neana – jawbreaker*
ase manual – senzu*
ploy – ramos*
dj rashad – in da club before eleven o’clock*
dj rashad – u see dem hoez (feat. dj gant-man)*

jasmin / upsammy:
antigone – dance*
quarta 330 – sabacco*
bjarki – bacteria ben*
dj stingray – sentiment
borderlandstate_the best kisser in la – the happy goose (and friends)*
hawerchuk – camel toe*
dead man’s chest – lo-freq soul*
a.fruit – obsession*

solaris:
negroni nails – white matter*
skee mask – trackheadz

dj fart in the club:
glyn hendry – dexy*
pearson sound – freeze cycle

[berlin / 15.02.2019] berghain: mannequin records nacht x / whities

da jetzt auch das line-up für den märz draußen ist, kann ich es ja sagen: es werden vier aufeinanderfolgende wochen. allerdings jeweils nur ein tag. überkompensation ist noch nicht nötig.

berghain: mannequin records nacht x
00h00 techno bert
01h30 tobias bernstrup live
02h30 an-i live
03h00 black merlin live
04h00 jasss b2b cem
06h30 alessandro adriani

panorama bar: whities
00h00 tasker
04h00 overmono live
05h00 bambounou
08h00 upsammy

eintritt
14 euro

nachbetrachtung
(am 21. januar 2020)
notiz an mich: es hilft immens, einen auf dem schlauen telefon gestellten wecker auch einzuschalten. das ehrgeizige ziel, die live-acts und auch techno bert noch mitzunehmen, habe ich damit verpasst. andererseits stand ich dadurch recht fit gegen 5:45 uhr im club.

jass und cem solide technoid, bambounou spielte mir oben insgesamt mit zu wenig drive bzw. zu statisch.
alessandro adriani hat zum schluss für einen der momente gesorgt, den ich mir für den ort (und die uhrzeit) schon länger gewünscht hatte: „temptation“ von new order zu hören, und zwar in der (einzig wahren) alten version. zwar leider nicht ausgespielt, aber durch „no tears“ von tuxedomoon abgelöst.

für einen weiteren, länger andauernden moment sorgte upsammy oben. normalerweise gehe ich freitags nur nochmal kurz oben schauen, wenn im berghain feierabend ist, entscheide dann meistens, dass das musikalische angebot meiner kondition keine weiteren schübe verleihen kann und gehe dann.
hier kamen mehrere faktoren zusammen: erstens war ich ja sowas wie ausgeschlafen. zweitens spielte sie drum&bass oder electronica, das aber – drittens – konsequent, viertens super geschmackssicher. das war ab kurz vor 9 so unerwartet und so gut, dass das für mich rückblickend eines der sets anno 2019 war. richtig voll war es zu dem zeitpunkt zwar nicht mehr, aber die verbliebenen gingen mit und das war einfach nur ein genuss.
sie ist resident in de school, dem trouw-nachfolger in amsterdam, den ich schon länger mal in augenschein nehmen wollte. ein guter grund, da hinzufahren, aber bis es soweit ist, habe ich sie mir für hiesige gastspiele gemerkt.

also: nur die vorletzten meter mitbekommen, aber die haben nachhaltigen eindruck hinterlassen.

notierte tracks (°: shazam)
bambounou:
jensen interceptor & assembler code – abstract model

upsammy:
nucleus & paradox – planet r°
holy similaun – ghawdex°
skeptical & alix perez – killa°
urban tribe – diffraction pattern°
aleksi perälä – ni-l56-18-07380°
desired state – invasion° (weitere notiz an mich, als ob der zettel nicht schon lang genug wäre: ram records durchhören, auch wenn das heißt, zum ungeliebten platzhirsch namens „beatport“ gehen zu müssen.)
sully – epoch°
mark – integrier dich du yuppie
struktur – i (a1)
aphex twin – mt1 t29r2°